Die zwei Leben des Josef Zotter

Josef Zotter
Josef Zotter(c) APA (FERDINAND NEUMUELLER)
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Schokoladen-Exot Josef Zotter schert sich nicht darum, was Kunden wollen. Gegessen wird, was auf den Markt kommt. Damit fährt er ziemlich gut.

Josef Zotter hat zwei Leben: das erfolgreiche, und das, in dem er die Kehrseite diese Erfolges kennengelernt hat. Schon seit einigen Jahren ist Zotters Leben auf Erfolg programmiert – und es scheint immer besser zu werden. Begonnen hat alles weniger lustig: 1987 mit einer Konditorei am Grazer Kaiser-Josefs-Platz. Der 26-jährige Koch, Kellner und Konditor hatte sich dem Kampf gegen das Diktat der Sacher- und Schwarzwälderkirschtorten verschrieben. Seine Waffen: Milchreistorte, Schwarzbrotkuchen, Steirermisu.

Der Erfolg kam schnell und mit ihm der Größenwahn. Zwei zusätzliche Filialen mussten es in Graz sein, eine weitere in Bruck an der Mur. „Ich war hip, modern und viel zu schnell erfolgreich. Da habe ich gedacht, ich bin der Superwuzzi. Dann hat es mich auf die Goschn gehaut.“ 1996 meldete Zotter Insolvenz an. „Zum Glück“, sagt er rückblickend.

Heute sitzt man einem geläuterten Zotter gegenüber. Wenn er an seinen unternehmerischen Ausrutscher denkt, schmunzelt er, aber Reue empfindet er keine. „Ich bin ja nicht gescheitert, weil ich so deppert war“, sagt er, ganz von sich überzeugt. Erfahrung, Selbstvertrauen und Visionen hat er mitgenommen und daraus sein neues Leben gezimmert: eine Schokoladenmanufaktur im oststeirischen Riegersburg. Sein ganz persönlicher Spielplatz.

300 Sorten Schokolade hat er hier schon kreiert, allein heuer sind über 70 dazugekommen. Darunter finden sich zwar auch einige Klassiker – den Markt aufgemischt hat Zotter aber mit seinen ausgefallenen Kreationen, über die der eine oder andere schon mal die Nase rümpft. Schokolade mit Ketchup, Grammeln oder Bergkäse konkurriert mit Kürbis-Trinkschokolade und Gelbwurz-Konfekt. Alles „bio“ und „fair“.

Das gäbe es heute so nicht, wenn er vorher den Markt gefragt hätte, glaubt Zotter. Deshalb verzichtet er auf klassische Werbung und Marktforschung. „Marktforschung ist etwas Grausliches. Soll ich den Kunden fragen, ob er Fischgummischokolade kaufen würde? Darunter kann sich niemand etwas vorstellen.“ Also dreht er den Spieß um: „Ich überlege mir, was ich gern hätte. Und dann versuche ich, Kunden dafür zu finden.“


Platz für Träume. Das ungewöhnliche Konzept geht auf. Zotter-Schokolade kommt in Österreich mittlerweile auf einen Marktanteil von über vier Prozent und wird auch im Ausland immer beliebter. Zotters Jahresumsatz liegt bei rund zwölf Millionen Euro. Das Geld gibt er am liebsten gleich wieder aus: Im Moment baut er für zweieinhalb Millionen Euro einen „essbaren Tiergarten“ – aus Fleisch: einen Streichelzoo, dessen Bewohner in der Firmenkantine verspeist werden. Damit will er die Menschen erinnern, woher ihre Nahrung kommt. „Viele finden das makaber. Aber das ist es nicht: Die Tiere hatten ein schönes Leben. Das abgepackte Fleisch aus dem Supermarkt nicht.“

Seinen Erfolg im zweiten Anlauf erklärt sich Zotter auch damit, dass er sich „von diesem Wahnsinn der Schulden“ befreit hat. Heute hat er keine Rechnung bei einer Bank offen und auch Anteilseigner interessieren ihn nicht. Wachsen will er nur „ganz natürlich“: „Ich bekomme jeden Kredit. Aber wer sagt, dass ich meinen Umsatz verdoppeln muss? Ich will keine Shareholder, die interessieren sich nicht für Träume.“

Davon hat er viele. Zum Beispiel: dass Firmen zu „Wohlfühloasen“ werden. Fast alle seine Mitarbeiter kommen aus der Region, gehen zu Fuß zur Arbeit. Ihre Löhne liegen um 15 bis 25 Prozent über dem Kollektivvertrag – aus Prinzip.

Manchmal kommt den Träumen die Realität in die Quere: Der „scharfe Globalisierungsgegner“ kauft Kakao in Nicaragua, Gewürze in Uganda, und sein iPhone ist auch nicht nachhaltig. Aber er ist ja kein naiver Weltverbesserer, sagt Zotter, sondern Realist, wo es sein muss.


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