OMV-Vorstand Langanger: "Sind keine Gutmenschen"

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Das Engagement westlicher Ölkonzerne nützt politisch sensiblen Regionen, sagt OMV-Vorstand Helmut Langanger. Ein Regime „missionieren“ könnten sie aber nicht.

„Die Presse“: Bei Ölfeldern gibt es einen natürlichen Förderrückgang von bis zu zehn Prozent pro Jahr. 2009 wurde erstmals seit Jahren weniger Öl als im Jahr zuvor gefördert. Wie lange wird es Ihren Job, Chef der Exploration und Produktion, noch geben?

Helmut Langanger: Es stimmt, die Förderung nimmt bei den alten Lagerstätten schrittweise ab. Wenn wir künftig genug Öl haben wollen, müssen neue Ressourcen erschlossen werden. Es wird weitere Funde geben, aber man wird neue, teurere Technologien brauchen, um Erdöl beispielsweise aus Ölsanden in Kanada, aus Ölschiefer in Venezuela oder aus über 3000 Meter Wassertiefe zu fördern. Hier gibt es ein riesiges Potenzial.

„Peak Oil“, also der Gipfel der möglichen Ölförderung, ist demnach beliebig nach hinten verschiebbar?

Langanger: Ich glaube nicht an „Peak Oil“. Die Welt fördert derzeit ungefähr 85 Mio. Fass Öl am Tag. Bis 2030 wird die Förderung meiner Meinung nach auf 90 bis 95 Mio. Fass steigen. Statt „Peak Oil“ rechne ich dann aber mit „Plateau Oil“, einer konstanten Förderrate für mindestens zwanzig Jahre.

Wirklich stark wird die Förderung aber nicht mehr zulegen. 85Mio. Fass am Tag reichen gerade für die heutige Weltwirtschaft. Wie wird man künftig den Ölhunger von China und Indien stillen können?

Langanger: In Summe wird es sich ausgehen. China und Indien brauchen zwar mehr Energie, aber nicht nur in Form von Erdöl. Gas und Kohle werden in den nächsten Dekaden immer wichtiger werden. Ich behaupte, es gibt genügend Öl auf der Welt. Die geschätzten Reserven reichen für mindestens hundert Jahre.

Bleibt das Problem der hohen Kosten. Welcher Ölpreis ist nötig, um auch schwieriger zugängliche Vorkommen wirtschaftlich zu fördern?

Langanger: Beim heutigen Ölpreis von 70 bis 80 Dollar ist der Großteil der Ölressourcen wirtschaftlich förderbar.

Das Erdöl liegt oft in politisch sensiblen Gebieten. Das scheint ja ein zentrales Problem zu sein.

Langanger: Kurzfristig vielleicht ja, langfristig nein. Öl und Gas bleibt, sobald es entdeckt ist, nicht im Boden. Es kann sein, dass die Förderung aufgrund von Wirrnissen zwischenzeitlich erschwert wird. Aber die meisten rohstoffreichen Gastländer sind von Öl- und Gasexporten abhängig und haben daher ein großes Interesse daran, die Ressourcen verfügbar zu machen.

Die Regimes dieser Länder sind aber oft mit Vorsicht zu genießen. Ende der 1990er-Jahre sagte General Muhammad Yassir von den sudanesischen Regierungstruppen: „Wir werden dank der Ölindustrie in der Lage sein, alle Waffen selbst zu produzieren, die wir brauchen.“ Mitten im Bürgerkrieg. Auch die OMV war damals im Land. Wie weit darf sich ein westlicher Konzern mit einem derartigen Regime einlassen?

Langanger: Ich würde mir wünschen, dass im Sudan mehr westlich orientierte Ölgesellschaften geblieben wären. Nicht, dass wir glauben, wir seien Gutmenschen – aber wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten viel getan. Wir haben Schulen und ein Spital gebaut, wir haben Wasserbrunnen errichtet. Heute hält unsere Anteile eine indische Ölgesellschaft. Ich glaube nicht, dass unter diesem Eigentümer viele der kleinen Dinge, die wir initiiert haben, so weitergeführt wurden. Ich behaupte, dass westliche Gesellschaften in solchen Gebieten positive Effekte haben. Es war daher vermutlich keine gute Entwicklung, dass wir und andere westliche Ölkonzerne das Land verlassen haben.

Ein Ölkonzern kann aber nicht verhindern, dass die Länder mit den Petrodollars Kalaschnikows kaufen. Ist das einfach ein Teil des Geschäfts, der hinzunehmen ist?

Langanger: Wir sind in jedem Land, in dem wir tätig sind, nur Gäste auf Zeit. 20 oder 30 Jahre lang. In unserem Einflussbereich werden wir versuchen, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Dass wir ein Land missionieren und ein Regime von Grund auf ändern, wird uns nicht gelingen. Aber auch sonst niemandem. Man kann jedoch internationale Standards und Werte in so einem Land vorleben.

Lassen sich derartige Konflikte umgehen? Beim geplanten Engagement der OMV im Iran kündigt sich ja dasselbe Problem an.

Langanger: Wir haben im Iran keine operativen Tätigkeiten.

Aber gedacht ist an eine Gasförderung im Iran. Wäre es sinnvoll, wenn mehr westliche Konzerne wie die OMV in den Iran gingen?

Langanger: Ob Iran oder Sudan: Wenn dort 20 große internationale Gesellschaften tätig wären, wäre das gut für diese Länder. Denn durch eine Verbesserung der ökonomischen Grundlagen für die Menschen kann auch die politische Situation verbessert werden. Die Dinge werden sich auch im Iran ändern. Der Iran hat riesige Gasvorkommen, die werden dort nicht liegen bleiben.

Laut Transparency International stehen ölreiche Länder beim Thema Korruption meist ganz oben. Auch Länder, in denen die OMV aktiv ist. Sind Sie je mit Korruption in Berührung gekommen?

Langanger: Ich bin seit 21 Jahren zuständig für Exploration und Produktion – in Afrika, in Südamerika, Asien und in Russland. Das Problem der Korruption ist mir nicht unbekannt. Aber wir haben derartige Praktiken immer strikt abgelehnt. Man darf bei seinen eigenen Wertmaßstäben keinen Millimeter nachgeben.

Ist es eine Ausrede, wenn Firmen – wie etwa Daimler in Afrika – sagen, ohne Korruption geht's nicht?

Langanger: Das kann ich nicht beurteilen. Für uns war das nie ein Thema. Wann immer man ein striktes und glaubhaftes Nein sagt, wird das akzeptiert.

Sie wurden dadurch bei Vergabe der Förderlizenzen nie benachteiligt?

Langanger: Nein. Schließlich bringen wir ja etwas mit. Wir können die Ressourcen des Landes gut erschließen. Und die Länder verdienen am Erdölverkauf dann zumeist ja auch sehr gut.

Zur Person

Helmut Langanger leitet seit 1989 die Exploration und Produktion bei der OMV. Seit 2002 ist der gebürtige Knittelfelder auch Mitglied des OMV-Vorstands. Der 59-Jährige verbrachte sein gesamtes Arbeitsleben bei der OMV. Im September wird er das Unternehmen verlassen. Künftig will er als Berater tätig sein und das „Klavierspielen lernen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2010)

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