„Ein Land voll mit Raiffeisenbanken und Bunkern“

(c) Reuters (Arben Celi)
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In Albanien wird gebaut, privatisiert, reformiert und investiert.

WIEN. Aufbruchstimmung im Armenhaus: In den großen Hotels in der albanischen Hauptstadt Tirana seien freie Betten schwer zu finden, die Restaurants gut besucht. „Es ist wie in Belgrad vor zwei Jahren“, sagt Willibald Plesser von der Wiener Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zur „Presse“. Der Anwalt besucht wie viele andere Investoren und ihre Berater derzeit oft Albanien und trifft dort alte Bekannte. Denn im 3,5-Millionen-Einwohner-Staat wird reformiert, privatisiert und gebaut.

Fünf Mal so viele Investitionen aus dem Ausland wie im Vorjahr werden für heuer erwartet. Bis jetzt waren es vor allem Auslandsalbaner und Griechen, die in Albanien investierten. Die Weltbank reiht im „Doing Business Report 2008“ Albanien auf Platz 136 von 178 Ländern.

Firmen für einen Euro

Aber es tut sich viel: Eine Firma zu registrieren dauert nur mehr maximal drei Tage. Früher waren es 42. Ein Quadratmeter Land kostet für Firmen nur einen Euro. Auch alte Fabriken, Bergbauhütten, ja sogar ein Wärmekraftwerk sind um diesen Preis zu haben. Die Unternehmenssteuern wurden mit Jahresbeginn auf zehn Prozent reduziert. Auch die Einkommenssteuer liegt bei diesem Satz. Steuerschulden sind im Internet einsehbar – und man kann sie online begleichen.

Kampf gegen Korruption

Anfang April hat Albanien das Okay der Nato bekommen, dem Militärbündnis beizutreten. Der albanische Premier Sali Berisha hat angekündigt, den Kampf gegen die Korruption zu verstärken. Das Wirtschaftswachstum – für heuer und die kommenden Jahre wird ein Plus von rund sechs Prozent erwartet – sei gesund, die Inflation sei trotz der steigenden Preise für Lebensmittel niedrig, heißt es in einem aktuellen Länderbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF). Als großes Risiko ortet der IWF den Energiesektor.

Denn derzeit gehen in Albanien immer wieder die Lichter aus. Beinahe täglich, auch für mehrere Stunden. Strom ist Mangelware, viele Menschen sind unterbeschäftigt. Der nationalen Mindestlohns liegt bei rund 132 Euro im Monat, die Arbeitslosenquote bei 14 Prozent. Viele Häuser sind trostlose Betonklötze, die Wasserversorgung funktioniert oft nicht. Auch die Straßen stammen aus einer anderen Zeit: Brücken und Tunnel sind in Albanien selten und so schlängeln sich die Verkehrswege umständlich und reich an Schlaglöchern der Küste entlang.

Um das Straßenproblem zu lösen, wird investiert. „Entlang der Küste von Süden bis Norden wird überall gebaut“, sagt Plesser. Der Baukonzern Strabag hat vor kurzem 51 Prozent der Anteile am drittgrößten albanischen Bauunternehmen „Trema Engineering“ (230 Mitarbeiter) übernommen. Referenz-Projekt für das Bauunternehmen ist der internationale Flughafen Tirana, der in einem Public Private Partnership (Zusammenarbeit von Staat und privaten Unternehmen) neu errichtet wurde. Innerhalb von nur vier Jahren haben sich die Passagierzahlen des nach der albanischen Nationalheldin Mutter Teresa (Nene Tereza) benannten Airports von rund 560.000 im Jahr 2003 auf rund 1,1 Millionen 2007 erhöht.

EVN will Kraftwerke bauen

Um das Energieproblem zu lösen, setzt man auf Privatisierungen und Public Private Partnership. So hat etwa die niederösterreichische EVN die Konzession für die Errichtung von drei Flusskraftwerken bekommen. „Derzeit laufen noch Verhandlungen mit der Regierung“, sagt Plesser. Auch an anderen Flüssen des gebirgigen Landes gibt es Pläne, Kraftwerke zu errichten.

Plesser sieht Albanien als „anders als die anderen osteuropäischen Länder“. Das liegt an der Geschichte. Und daran, dass sich heute „überall im ganzen Land Raiffeisenbanken und Bunker“ befinden. Bis Anfang der 90er Jahre war Albanien von der Außenwelt abgeschnitten. Dann erschütterte ein Pyramidenfinanzskandal das Land und führte es erneut an den Rand des Abgrunds.

Zukunftshoffnung ist nun auch der Tourismus. Denn noch gilt Albanien mit der 360 Kilometer langen Küste als Geheimtipp für Urlauber. Vielleicht auch, weil manch schöne Bucht mit einem weniger schönen Bunker verbaut ist und auch, weil man sieht, welch weiten und beschwerlichen Weg das Land noch zurücklegen muss, um nicht mehr das Armenhaus Europas zu sein.

www.imf.org/external/ pubs/ft/scr/2008/cr08128.pdf("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2008)

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