Handball-WM in Katar: Die erkaufte Unterhaltung

QATAR HANDBALL WORLD CHAMPIONSHIP 2015
QATAR HANDBALL WORLD CHAMPIONSHIP 2015APA/Qatar 2015 via epa/GUILLAUME
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Das Nationalteam von Gastgeber Katar ist eine Truppe Söldner, trainiert von einem hoch bezahlten Spanier. Da die Mannschaft keine Fans hat, lässt man diese kurzerhand einfliegen.

Im Rahmen der Eröffnung der 24. Handball-WM Donnerstagabend in der Lusail Multipurpose Hall zu Doha musste man vom Schlimmsten ausgehen, also von einer halb leeren Halle, obwohl für 15.300Menschen Platz wäre. Doch viele waren gekommen, ein Großteil davon wohl nicht ganz freiwillig. Waren während der Eröffnungsfeier die Ränge noch überraschend gut gefüllt, so bot sich rund 45 Minuten später beim Spiel zwischen Gastgeber Katar und Brasilien ein konträres Bild. Tausende Besucher hatten ihre Plätze verlassen und wurden nicht mehr gesehen. Der Verdacht, dass viele „Fans“ nur von der Teilnahme an der Eröffnungsfeier überzeugt werden konnten, liegt nahe.

Es wäre keineswegs ein neues Phänomen, dass im Wüstenstaat großteils ausländische Arbeiter gegen eine geringe Bezahlung an Sportveranstaltungen teilnehmen. Erst vor einem Monat hatten bei der Premiere des Beachvolleyballturniers in Doha 150 Arbeiter aus dem Transportwesen und der Baubranche für eine ansprechende Kulisse sorgen sollen.

Dabei fehlt es in und rund um die Stadt nicht an Werbung für das Großereignis, dafür aber an der natürlichen Sportbegeisterung. Dass die Handballmannschaft Katars eine wild zusammengekaufte Truppe von Söldnern ist, dürfte ebenso nicht zur nationalen Identifikation beitragen. Beim 28:23-Auftaktsieg gegen Brasilien glänzten Torhüter Danijel Šarić (20Paraden) und Topscorer Žarko Marković (fünf Tore).

Als Katar vor vier Jahren die WM zugesprochen bekam, glühten die Telefonleitungen nach Europa und Afrika. Um die eigene Mannschaft konkurrenzfähig zu machen, wollte man im großen Stil Spieler einkaufen. Es hagelte etliche Absagen, immerhin ist eine Zusage an die Bedingungen gekoppelt, aus dem eigenen Nationalteam zurückzutreten und drei Jahre kein internationales Verbandsspiel zu bestreiten, um dieser Tage im Trikot von Katar auflaufen zu dürfen. Acht Spieler ließen sich schließlich mit einem simplen Verweis auf ein pralles Bankkonto von der Einbürgerung überzeugen, doch nur der Spanier Borja Vidal gab bislang zu, dass monetäre Gründe für ihn ausschlaggebend gewesen seien. Die Multikulti-Truppe wird mit Spielern aus Bosnien, Montenegro, Frankreich, Kuba, Tunesien und Ägypten ergänzt. Wenig überraschend ist mit Valero Rivera auch der Teamchef kein Katarer. Der Spanier führte sein Heimatland vor zwei Jahren in Barcelona zum WM-Titel und gilt als einer der besten und erfolgreichsten Trainer der Welt. Sie alle eint, dem Ruf des Geldes aus dem reichsten Staat der Welt gefolgt zu sein. Rivera soll sich sein Engagement jährlich mit einer Million Dollar bezahlen lassen. Er sagt: „Nach Katar zu gehen war die beste Entscheidung meines Lebens. Der größte Fehler wäre gewesen, es nicht zu tun.“

Flug und Hotel für „Fans“

Nach 21 Monaten intensiver Vorbereitung startete für Rivera die zweite Heim-WM innerhalb von zwei Jahren perfekt. Sein Team gewann und wurde noch dazu von gut und gern 200 Fans lautstark unterstützt. TV-Kameras und Fotografen fingen die Bilder singender, tanzender und auf Trompeten spielender Menschen in Katar-Trikots ein, und so mancher wunderte sich, seit wann die katarischen Handballer auf die Unterstützung einer solchen Fangruppe zählen können. Nachdem Rivera bei Vorbereitungsspielen die mangelnde Begeisterung für Handball in Katar kritisiert hatte, wurde für die WM vorgesorgt. Der 61-Jährige ließ seine Verbindungen in die Heimat spielen, in Zusammenarbeit mit dem katarischen Handballverband wurden Fans mit Lockangeboten nach Doha gelotst.

Ein Großteil davon kommt aus Spanien. „Oder sehen wir aus, als kämen wir aus Katar?“, lacht Alejandro, als „Die Presse“ sich mit ihm in der Halbzeitpause des Spiels unterhält. Der 27-Jährige aus der Küstenstadt Vigo erzählt: „Wir sind 60, 70 Leute und wurden eingeladen, nach Doha zu kommen. Der Flug von Madrid hierher wurde uns allen bezahlt, genauso wie der Aufenthalt im Viersternehotel.“ All-inclusive, versteht sich. Geld, sagt Alejandro, bekomme man keines, dafür könne man viel Freizeit abseits der Spiele des Gastgebers während des zweieinhalb wöchigen Aufenthalts genießen. „Wir relaxen oder gehen einkaufen.“

Die professionell wirkende Tanzchoreografie haben Alejandro und seine spanischen Freunde übrigens erst wenige Stunden vor dem Eröffnungsspiel einstudiert. Willkommen in der Welt der künstlichen Unterhaltung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2015)

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