Karl Markovics: Rappelkopf im Drogenrausch

(c) Clemens Fabry
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Karl Markovics erzählt im Gespräch mit der "Presse" von seiner nächsten großen Rolle, seinem ersten eigenen Film – und warum jetzt das Gefühl wieder zurück ins Theater darf.

„Die Presse“: Jérôme Savary inszeniert mit Ihnen in der Hauptrolle Raimunds „Alpenkönig und Menschenfeind“ in der Badner Sommerarena.

Karl Markovics: Der Alpenkönig ist bei uns kein Gott – nicht die salbungsvolle Figur aus dem Zaubertheater oder ein Erlöser. Der Alpenkönig ist ein ausgeflippter Cowboy, der mit seiner Anarchotruppe, so einer Mischung aus Flower-Power und Hells Angels, in der Natur herrscht und dort eine Art Parallelgesellschaft aufgebaut hat nach der Devise „Make love not war“. Die Gang ist bewusstseinserweiternden Substanzen nicht abgeneigt, die haben da auch ihre Magic Mushrooms. Jetzt läuft ihnen dieser ganz besonders spießige Typ, der Rappelkopf, über den Weg. Den wollen sie auf ihre Seite ziehen, das ist für sie eine Art Sport.

Mit Drogen wird die Heilung des Wüterichs aber nicht von Dauer sein...

Markovics: Das bleibt offen. Ich würde sagen, dass ein Mensch, wenn er seine Wut kuriert, auch einen Teil seiner Lebenskraft und seiner Kreativität verliert. Die Einsicht wird teuer erkauft mit dem Sich-Ergeben in das Alter und in die Schwäche.

Wie würden Sie in diesem Fall entscheiden?

Markovics: Ich glaube, ich würde es akzeptieren, teilweise mit einem Bein im Abgrund zu stehen, bevor ich sagen würde, ich gebe damit das auf, was mich im Leben am stärksten prägt, meine Kreativität.

Sind Sie so grässlichen Tyrannen wie dem Rappelkopf schon begegnet? Wie soll man mit solchen Leuten umgehen?

Markovics: Eine gute Methode ist die in dem Stück vorgeschlagene: Man muss ihnen einen Spiegel vorhalten. Leider findet man die Rappelkopfs oft in Positionen, wo man genau das nicht tun kann, weil es sich z.B. um den eigenen Chef handelt. Es hilft einem auch nicht weiter, wenn man sich dann sagt: Na, der hat auch sein Pinkerl zu tragen. Im Endeffekt taugt das nicht als alleinige Entschuldigung. Man kann nur hoffen, dass im direkten Umfeld die Kinder, die Familie es schaffen, am ehesten eine entsprechende Echowirkung zu erzielen.

Sie haben Franz Fuchs gespielt. Gibt es das Böse? Oder ist das in jedem von uns drinnen?

Markovics: Es ist in jedem von uns, manche überschreiten die Grenze und manche nicht. Es ist ein Teil der Aufklärung, dass das Böse etwas von außen ist. Wir versuchen, es uns tragbarer und lebbarer zu machen, indem wir verschiedene Personen dämonisieren. Diese Dämonen gehören dann nicht zu uns. Von diesem Gedanken müssen wir uns langsam verabschieden in der westlichen, zivilisierten Welt. Auch Adolf Hitler war ein Mensch, wir können uns nicht aus der Verantwortung stehlen, indem wir sagen: So etwas wie das Dritte Reich ist niemals wieder oder in ähnlicher Weise möglich. Ich selbst habe lange geglaubt, dass wir einen langfristigen und dauerhaften Frieden auf diesem Kontinent haben werden. Aber wenn man die Nachrichten verfolgt, merkt man, wie schnell Krisenherde entstehen können. Trotzdem: In letzter Konsequenz bin ich Optimist. Ich glaube, dass viele Dinge möglich werden, einfach durch das Wollen, durch den Glauben an sich.

Sie drehen als Nächstes einen eigenen Film?

Markovics: Ja, er heißt „Atmen“, ein 19-Jähriger wird wegen Totschlags verurteilt.

War es für Sie durch den Oscar leichter, Geld für das Projekt aufzutreiben?

Markovics: Es hat einiges erleichtert, es ist ein österreichisches Projekt, der Film ist ausfinanziert, ein Erstling mit 1,8 Mio. Euro Budget. Ich glaube aber, das wäre mir nicht gelungen, wenn ich es nicht geschafft hätte, ein Drehbuch zu schreiben, das die Förderungskommission überzeugt. Mein Name allein hätte nicht genügt. Ich habe nicht gesagt, ich dreh jetzt mal einen Film. Ich wollte schon immer das, was mir im Kopf herumschwebt, in größerem Rahmen umsetzen, als es für einen Schauspieler möglich ist. In mir sind immer eigene Geschichten herumgegeistert. Ich habe immer schon geschrieben. Ich habe nicht diese Hemmschwelle, mir zu sagen, ich dringe jetzt in ein neues Metier ein, in dem ich keine Ausbildung habe. Ich habe auch die Schauspielerei nie professionell gelernt. So was war für mich nie ein Grund, auf etwas zu verzichten, was ich mir vorgenommen habe.

So viele sind bestens ausgebildet und finden keinen Job. Bei Ihnen ist es umgekehrt. Wie ist Ihnen das gelungen?

Markovics: Ich habe beim Serapionstheater begonnen. Die haben immer besondere Menschen mit einer bedingungslosen Leidenschaft gesucht. Ich habe nach einer Vorstellung einfach meine Adresse hinterlassen. Mir war egal, was ich mache, ich hätte auch hinter der Bühne gearbeitet. Das Serapionstheater hatte damals eine große Auftragsproduktion in der Frankfurter Alten Oper: „Heilige Hochzeit“, eine Paraphrase auf den „Ring des Nibelungen“. Da haben sie Leute gesucht. Wir waren circa ein Dutzend. Nach einem Monat waren drei oder vier Leute übrig, darunter ich.

Ein harter Selektionsprozess.

Markovics: Ich war nicht mal 19. Seit ich denken kann, wollte ich unbedingt zum Theater. Zwei Schauspielschulen hatten mich nicht genommen. Ich war verzweifelt, ich dachte, es ist alles nur Einbildung, was ich mir ein Leben lang vorgestellt habe. Ich habe als kleines Kind mit Kasperlpuppen angefangen und die Volksschulkameraden bei Kindergeburtstagen unterhalten.

Nach zwölf Jahren Theaterspielen kam dann der Hype mit der TV-Serie „Kommissar Rex“...

Markovics: Es war ein Zufall. Ich war auf einem Band, das bei einer Castingagentur gelandet ist. Die haben einen Assistenten für den Kommissar gesucht und mich angerufen. Ich war in einer sehr interessanten Festwochen-Produktion, die Agentur hat mir einen Text gefaxt. In der Mittagspause bin ich hingegangen. Ich wusste gar nicht, worum es in der TV-Serie geht. Erst als sie mir den Vertrag hingelegt haben und einen Stapel mit zwölf Drehbüchern, habe ich realisiert, hier geht es um eine durchgehende Rolle – und ich krieg ohne Verhandeln eine Summe, die derart astronomisch ist, wie ich sie mir nie im Leben erträumt hätte.

Sie haben Theater, Film, Oper gespielt, sehen Sie irgendwelche Veränderungen, Trends?

Markovics: Es gab die letzten Jahrzehnte die Tendenz, das Sentiment aus dem Theater zu vertreiben. Scharfer Intellekt war wichtig. Das war gut so, ist aber auch übertrieben worden. Ich glaube, wir nähern uns jetzt wieder kräftigeren Farben an: mehr Rot, Wärme, Hitze. Es geht wieder mehr ins Gefühl, ins Impulsive, Unreflektierte. Emotionen werden nicht ständig hinterfragt. Ein Wort wie Zufriedenheit konnte man gar nicht mehr aussprechen. Manchmal ist es aber so, dass man einfach nur zufrieden ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2010)

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