Atomstreit: Israel und der Iran spielen mit dem nuklearen Feuer

(c) EPA (Christophe Simon)
  • Drucken

Teheran warnt die Israelis vor massiven Gegenschlägen, falls sie Atomanlagen angreifen sollten.

JERUSALEM. Wenn es um Atomwaffen geht, um eigene oder iranische, hat Israel eine Meisterschaft darin entwickelt, vage zu bleiben. So wissen zwar alle, dass Israel die Atombombe hat, offen reden darf indes keiner darüber. Und nun drohen die Israelis dem Iran mit einem Angriff auf dessen Nuklearanlagen, andererseits vernebeln sie ihre Absichten.

Noch am Freitag, als die „New York Times“ über ein Manöver der israelischen Armee berichtete, mit dem offenbar der Angriff auf die iranischen Atomanlagen geprobt werden sollte, traf Premier Ehud Olmert einem Bericht des liberalen „Maariw“ zufolge mit Aviam Sela zusammen. Der Generaloberst (d. Res.) war der Planer der „Operation Oper“ 1981, als Israel die irakische Atomforschungsanlage in Osirak zerstörte.

Dem Bericht in der „New York Times“ zufolge nahmen über 100 Kampfjets an der Militärübung teil, bei der das Auftanken in der Luft trainiert worden sein soll, was bei einem Angriff auf die rund 1500 km von Israel entfernt liegenden iranisches Ziele nötig wäre. Eine Mitteilung des Militärs hielt lediglich fest, dass die Armee „regelmäßige Übungen für diverse Missionen durchführe, um sich den „Herausforderungen der Bedrohungen gegen Israel stellen zu können“. Damit leugnet der Sprecher die Nachricht so wenig, wie er sie bestätigt.

Irans Parlamentspräsident Ali Larijani warnte vor einem Militärschlag. Damit würde sich Israel großen Schaden zuziehen, drohte er. Ein iranischer Regierungssprecher sagte, Israel gefährde den Weltfrieden. Der Chef der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, erklärte düster, eine israelische Attacke könnte den Nahen Osten in einen Feuerball verwandeln.

Auch der Kommentator Amir Rapaport von „Yediot Achronot“ hält das gezielte Durchsickern von Informationen über einen bevorstehenden Angriff für ein Spiel mit dem Feuer: „Die Botschaft, die der Welt damit gegeben wird, ist, dass es Israels Problem ist, den Iran auf dem Weg zur Nuklearmacht zu stoppen.“ Dabei liege es gerade im Interesse Jerusalems, dass die USA den Kampf anführten und wenn möglich, „die internationale Unterstützung dafür rekrutiert“.

Irans Ersatzteillager in Syrien?

Ganz anders war die israelische Regierung bei dem Angriff im letzten September auf die syrischen Atomanlagen verfahren, der nicht nur für die Syrer sondern auch für die Internationale Atomenergie-Behörde IAEA völlig überraschend kam. In den Monaten der Vorbereitungen vor dem Angriff herrschte in Jerusalem absolutes Stillschweigen über den Plan. Die IAEA schickte erst gestern, Sonntag, eine erste Delegation nach Al Kibar, um dort die fragliche Anlage zu untersuchen. Der „Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe unter Bezug auf „Insider“ darüber, dass die Anlage dem Iran als „Ersatzlager“ diente, „und von dort Bombenmaterial nach Teheran“ geschaffen werden sollte.

Der Journalist und Experte für Geheimdienste Jossi Melman von der liberalen „Haaretz“ hält eine Operation im Iran nicht für ausgeschlossen, glaubt jedoch, dass sie keineswegs unmittelbar bevorsteht. „Die israelische Regierung ist nicht auf Abenteuer aus.“ Im Vergleich zum israelischen Angriff auf die irakischen Atomanlagen in Osirak 1981, der „ein Spaziergang im Park“ gewesen sei, handelte es sich bei einem Angriff auf die iranischen Anlagen um „die Besteigung des Mount Everest“. Als problematisch betrachtet Melmal die Flugroute, die große Entfernung und die iranische Luftabwehr, die als erstes überwunden werden müsste. „Anschließend müssen die Flughäfen zerstört werden, um Vergeltungsangriffe zu verhindern.“ Glosse Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.