Franzosen vertrauen ihrem neuen Präsidenten nicht mehr

Franzosen vertrauen ihrem neuen
Franzosen vertrauen ihrem neuen(c) REUTERS (CHRISTIAN HARTMANN)
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Wegen Krise und Zukunftspessimismus sackt François Hollande in Umfragen ab. Wenig ist im heutigen Frankreich von „Hoffnung und Wandel“ zu spüren, Parolen, mit denen er im Wahlkampf gepunktet hat.

Paris. Noch nie ist ein französischer Präsident so kurz nach seiner Wahl so steil in der Wählergunst abgestürzt wie François Hollande. Nur noch etwa 40 Prozent der Menschen haben laut jüngsten Umfragen eine positive Meinung vom sozialistischen Staatschef, den sie gerade erst im Mai mit einer Mehrheit von knapp 52 Prozent gewählt haben.

Freilich kann man das in erster Linie auf die Krise zurückführen. Beliebt hat sich noch kein Politiker gemacht, der Sparmaßnahmen beschließt und Steuern erhöht, während die Arbeitslosigkeit (derzeit gibt es mehr als drei Millionen Stellensuchende) zunimmt. Damit wird vielen enttäuschten Wählern drastisch vor Augen geführt, wie wirkungslos bisher alle Maßnahmen der Regierung sind.

Von „désamour“ spricht man bereits in Frankreich. Ein Grund für dieses so plötzliche Ende der Liebe ist, dass die Franzosen bei der Wahl in erster Linie den damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy abgewählt haben, der noch unbeliebter als Hollande war. Hinzu kommt, dass die Krise Hollande wenig Spielraum für populäre Maßnahmen lässt. Die Wähler wünschen sich aber von einem linken Staatschef Sozialreformen und Umverteilung.

„Die Volksfront von 1936 führte bezahlte Ferien ein, Präsident Mitterrand ließ nach seiner Wahl 1981 das Pensionierungsalter auf 60 Jahre senken, Premier Jospin kündigte 1997 die 35-Stunden-Woche an. Heute gibt es nichts Vergleichbares“, erklärt der Meinungsforscher Jérôme Jaffré.

Wenig ist im heutigen Frankreich von „Hoffnung und Wandel“ zu spüren, Parolen, mit denen Hollande im Wahlkampf gepunktet hat: Laut Umfragen sehen nahezu zwei Drittel der Franzosen pessimistisch in die Zukunft, vor allem Senioren und Berufseinsteiger befürchten eine Verarmung. Gesunken ist auch das Vertrauen in die Staatsführung: Nach der Wahl von Sarkozy 2007 erhofften sich 56 Prozent von ihm eine erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit; Hollande trauen das heute nur noch 34 Prozent zu.

Euroskepsis wächst

Der französische Traum von Fortschritt durch den Sozialstaat hat der Trübsal Platz gemacht – und gibt den EU-Gegnern Aufwind. So glaubt laut einer Umfrage in „Le Monde“ inzwischen fast jeder zweite Franzose, der Euro sei ein Hindernis beim Versuch, die Krise zu bewältigen. Vor zwei Jahren waren nur 34 Prozent dieser Meinung.

Auch die Skepsis gegenüber Einwanderern wächst: Im Dezember 2011 hielt knapp mehr als die Hälfte die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer für sinnvoll, jetzt sind es nur noch 39 Prozent. Trotz allem: Sarkozy trauern die Franzosen nicht nach. „Er fehlt uns nicht“, sagen mehr als die Hälfte der Befragten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2012)

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