"Bauchdecke geöffnet": Ärzte twittern live aus dem OP

Live aus dem OP
Live aus dem OP(c) AP (Russell Contreras)
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In den USA informieren Ärzte live im Internet über den Fortschritt bei Operationen. Noch bevor der Trend nach Europa gelangt, kommt heftige Kritik aus Deutschland. Twittern stört die Konzentration, wird befürchtet.

"Jetzt trennt der Artzt Gefäße und Bänder, die die Eierstöcke mit dem Uterus verbinden". Diese und 299 andere Nachrichten hat das St. Luke's Hospital im US-Bundesstaat Iowa während der Gebärmutteroperation der 70-jährigen Monna Cleary in Echtzeit ins Internet gestellt. 700 Neugierige - darunter Monnas Angehörige - folgten den Meldungen auf dem Bloggng-Portal Twitter. Die Familie hat den Versuch als "gute Sache" bezeichnet und zuvor wurde auch das Einverständnis der Patientin eingeholt. Deutsche Ärzteverbände fürchten nun, dass der Trend nach Europa gelangen könnte und warnen eindringlich davor.

"Beim Autofahren ist das Telefonieren mit dem Handy ja schließlich auch nicht erlaubt", kritisiert Andreas Botzlar, Vorsitzender des Marburger Ärztebundes. Das "ständige Twittern" störe die Konzentration des gesamten OP-Teams. Im St. Lukes Hospital kümmerte sich die Pressesprecherin des Krankenhauses um das "Gezwitschere" - sie saß dabei an einem Computer und hatte Blick auf das Operationsgeschehen.

Verunsicherung der Angehörigen

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Zumutbarkeit der Informationen für die Angehörigen. "Jetzt wird das Peritoneum geöffnet", twitterte Klinik-Sprecherin Sarah Corizzo aus dem OP und erklärte auf Nachfrage, dass es sich dabei um die Bauchfelldecke handle. „Ich zweifele daran, dass die Angehörigen in Echtzeit über das Öffnen der Bauchdecke des Patienten informiert werden wollen. Das geht an den wirklichen Informationsbedürfnissen der Angehörigen völlig vorbei", meint Botzlar.

Auch der deutsche Berufsverband Niedergelassener Chirurgen (BNC) äußert Bedenken. Angehörige würden am Ablauf einer Operation ohnehin nichts ändern können - Komplikationen könnten aber zur unnötigen Verunsicherung führen, meint BNC-Präsident Dieter Haack. Im St. Luke's erklärte man der Patientin, das Twittern bei Komplikationen sofort einzustellen. Ganz von der Hand zu weisen, ist die Kritik aus Deutschland aber offenbar doch nicht. Vor der Twitter-Aktion experimentierte das Spital mit einem Webcast - einer Videoübertragung - aus dem OP-Saal. Das sei für viele Interessaenten "zu intensiv" gewesen, meint eine Sprecherin.

(sg)

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