Wien: Kindergärtner fordern höhere Gehälter

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Kinder(c) REUTERS (AJAY VERMA)
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Die Pädagogen in Wiens Kindergärten fordern mehr pädagogisches Personal sowie ein neues, besseres Gehaltsschema. Die Sozialarbeiter in den Jugendämtern warnen vor einem "Kollaps" und planen Protestaktionen.

Wien. Sie sind, sagen sie, am Ende ihrer Kräfte und am Ende ihrer Geduld: Die Kindergartenpädagoginnen der städtischen Wiener Kindergärten (MA10) schlagen Alarm. Das Personenkomitee „Wiener Kindergärten“ hat Unterschriften innerhalb der MA 10 gesammelt. Die Forderungen: mehr pädagogisches Personal sowie ein neues, besseres Gehaltsschema.

Am Montag werden die Unterschriften an den zuständigen Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP) übergeben. Mehr als 3000 Mitarbeiter haben unterzeichnet – bei etwa 3100 beschäftigten Kindergartenpädagogen eine enorme Beteiligung. „Da müssten bei der Stadt eigentlich die Alarmglocken klingeln“, so Martina Petzl-Bastecky, MA-10-Personalvertreterin und Initiatorin des Personenkomitees.

Der Unterschriftenaktion müssen nun „unbedingt Taten vonseiten der Stadt folgen“, sagt Petzl-Bastecky. Viele Kolleginnen (der Großteil sind Frauen) würden nahe dem Burn-out arbeiten oder seien im Langzeitkrankenstand. So manche habe über den Sommer den Dienst quittiert. Zwar hat die Stadt kürzlich die Einstellung von 323 neuen Pädagogen verkündet. Allerdings sei der Großteil noch gar nicht im Dienst – die übrigen haben hauptsächlich Stellen aufgefüllt, die durch Krankenstand oder Kündigung unbesetzt waren.

Nun, im Herbst, habe sich die Situation wegen der Einführung des Gratiskindergartenjahres weiter verschärft. 2200 Kinder sind zusätzlich zu betreuen. „Hinzu kommt“, sagt Petzl-Bastecky, „dass viele Eltern aufgrund des Gratisangebots von Halb- auf Ganztagsbetreuung umgestiegen sind“. Prinzipiell „sind wir absolut für den Gratiskindergarten“, sagt sie, „er wurde aber zu schnell umgesetzt. Die MA 10 hatte zu wenig Zeit, um sich ausreichend Gedanken darüber zu machen.“

Abgesehen von räumlichen Problemen sei auch die Belastung für die „pädagogischen Assistentinnen“ gestiegen, die früher „Helferinnen“ hießen und eigentlich für Tätigkeiten wie Kochen zuständig sind. Wegen des Personalmangels sind diese Assistentinnen immer öfter für die Kinder mitverantwortlich, „zu bestimmten Zeiten betreuen sie die Kinder in manchen Einrichtungen sogar allein“ – und das ohne pädagogische Qualifikation. „Für sie fordern wir dringend eine begleitende pädagogische Ausbildung.“ Und eine bessere Entlohnung als die derzeit 1239 Euro brutto. Auch das Gehaltsschema der Kindergärtnerinnen müsse reformiert werden. „Die letzte Reform liegt 20 Jahre zurück, inzwischen haben sich die Anforderungen gewandelt.“ Die Kinder seien heute länger in Betreuung, die Pädagogen hätten deutlich mehr Aufgaben, wie die sprachliche Frühförderung. „Mit den jetzigen personellen Ressourcen ist das nicht mehr machbar“. Als erstes Good-Will-Zeichen fordern die Personalvertreter die gleichen Zulagen (270 €/Monat) wie die Sozialarbeiter.

Und der Protest geht weiter: Für den 17. Oktober ist eine Kundgebung anberaumt. Pädagogen der MA 10 und privater Kindergärten werden vom MQ über den Ring bis zum Rathaus marschieren.

„Jugendämter vor dem Kollaps“

Auch die Sozialarbeiter in den Jugendämtern protestieren – österreichweit. Unter sozialarbeit.at sammelt der Berufsverband der Sozialarbeiter (OBDS) Unterschriften, die Resolution soll an Kanzler, Vizekanzler und Sozialminister übergeben werden. Den Sozialarbeitern geht es als ersten Schritt um mehr Personal: Mindestens 500 zusätzliche Sozialarbeiter seien notwendig, sagt OBDS-Geschäftsführer Herbert Paulischin, denn „die Jugendwohlfahrt steht vor dem Kollaps“. Die Zahl der Abklärungsverfahren – hier gehen Sozialarbeiter Meldungen nach, etwa bei Verdacht auf Gewalt in der Familie oder sexuellen Missbrauch – hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht, der Personalstand sei aber fast gleich geblieben. In Wien waren es 2005 genau 8715 Fälle, 2008 bereits 11.312. „Für präventive Arbeit und intensive Betreuung der Familien bleibt da keine Zeit mehr“, sagt Thomas Kerschbaum, Personalvertreter im Wiener Jugendamt.

Eine weitere Forderung: ein bundesweit einheitliches Jugendwohlfahrtsgesetz. Das existiert zwar – allerdings bisher nur auf dem Papier. Darin ist unter anderem vorgesehen, zusätzliche Sozialarbeiter als Schnittstelle zwischen Jugendämtern und anderen Einrichtungen (Kindergärten, Spitäler) einzusetzen, um den Informationsaustausch zu verbessern. „Das wäre ein großer Schritt vorwärts“, sagt Paulischin. Auch die Kommunikation zwischen den Jugendämtern funktioniere oft von Bundesland zu Bundesland schlecht oder dauere zu lange – was auch im Fall des zu Tode misshandelten Babys Luca der Fall war.

Auch die Sozialarbeiter planen weitere Protestaktionen. „Wir werden“, sagt Paulischin, „sicher nicht lockerlassen.“ Denn geht es so weiter wie bisher, sei der nächste Fall Luca nur eine Frage der Zeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2009)

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