Russland geht langsam das Öl aus

Reuters
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Die Produktion stagniert trotz hoher Weltmarktpreise. Der Staat baut seine Rolle im Ölsektor aus und belastet die Erdölindustrie durch hohe Exportabgaben.

Moskau. Die russische Erdölindustrie verliert trotz hoher Weltmarktpreise in diesem Jahr weiter an Wachstumstempo. Moskauer Analysten rechnen für 2008 mit einem Zuwachs bei der Erdölproduktion von gerade einmal 1,5 bis zwei Prozent auf knapp 500 Mio. t Erdöl (2007: 492 Mio. t), weshalb in der Branche bereits von „Stagnation“ die Rede ist.

2004 hatte der Zuwachs bei der Ölproduktion in Russland noch elf Prozent betragen, 2005 immerhin noch 7,9 Prozent. 2006, das Jahr, als der Staat seinen Einfluss auf die Erdölbranche ausweitete, lag die Produktionssteigerung nur noch bei 2,2 Prozent. Für 2007 – die Zahlen liegen noch nicht abschließend vor – rechnet das Energieministerium mit einem Plus von 2,4 Prozent, Ölanalyst Valeri Nesterow hält 2,1 Prozent für realistisch.

Die schwachen Zuwächse im Erdölsektor sind insofern bedeutend, da er die Schlüsselindustrie für Russlands rohstoffgetriebene Wirtschaft bleibt. Während Produzenten wie TNK-BP, Surgutneftegas und Gazprom Neft gar mit Produktionsrückgängen zu kämpfen haben, dominiert unangefochten der staatlich kontrollierte Rosneft-Konzern. Er steigerte im vergangenen Jahr seine Fördermenge von 80,8 auf 101,6 Mio. Tonnen Erdöl (siehe Grafik) und peilt für heuer 111,9 Mio. Tonnen an.

2008 will Rosneft auch als erstes russisches Ölunternehmen ein Feld in Ostsibirien, Vankor, in Betrieb nehmen. Nachdem die Reserven in Westsibirien zur Neige gehen, sehen Experten die Zukunft der russischen Ölwirtschaft in dem weitgehend unerschlossenen Ostsibirien sowie in den Offshore-Feldern der arktischen Schelfs. Die Erschließung dieser Förderstätten ist jedoch enorm kostenaufwendig.

Rosneft verdankt Yukos viel

Rosneft, an der Börse 100 Mrd. Dollar wert, wies bei der Produktion immerhin ein organisches Wachstum von 6,3 Prozent auf. Das hat vor allem damit zu tun, dass der kremlnahe Konzern über relativ junge, noch nicht erschöpfte Ölfelder verfügt. Die übrigen Punkte beim Wachstum sind dem Zukauf von Aktiva des einst größten russischen Ölförderers Yukos zu verdanken. Auf den Zwangsauktionen konnte Rosneft sich nicht nur mit beträchtlichem Rabatt Yukos-Aktiva wie Samaraneftegaz sichern, sondern auch Raffinerien. Dafür ist Rosneft nun mit 27 Mrd. Dollar verschuldet.

Lukoil mit Problemen

Die Nummer zwei in Russland, Lukoil, wollte eigentlich 2007 die Fördermenge um vier bis fünf Prozent steigern, musste aber einen Produktionsrückgang von drei Prozent hinnehmen. Die Gründe: Lukoil verkaufte einen 50-prozentigen Anteil an dem kasachischen Förderer Nelson Resources und schaffte es nicht, ein bedeutendes Feld in Sibirien in Betrieb zu nehmen.

Zum Problem für alle russischen Ölförderer wird zunehmend die Steuerlast. Zum 1. Februar erhöhen sich die Exportabgaben von gegenwärtig 275 auf 333 Dollar je Tonne, eine nie da gewesene Steigerung. Die Höhe der Exportabgabe ist von der Entwicklung der Ölpreise in den Vormonaten abhängig. Analysten beklagen, dass der Staat über die Exportabgabe und andere Steuern die Erdölindustrie allzu sehr belastet, so dass Kapital für dringend nötige Investitionen in die Förderung fehlt.

2008 – Jahr der Umverteilungen

Während 2007 ein Jahr der Verstaatlichung im russischen Ölsektor war, sind auch für dieses Jahr Umverteilungen zu erwarten. So ist bislang unklar, wer den achtgrößten russischen Ölkonzern Russneft übernimmt. Eigner Michail Gutserijew, dem Steuerhinterziehung vorgeworfen wird, ist nach London geflüchtet. Auch sind noch Kämpfe um die gesamte Ölwirtschaft der Uralrepublik Baschkortostan zu erwarten.

Unklar ist auch die Zukunft des britisch-russischen Gemeinschaftsunternehmens TNK-BP. Die russischen Eigner, die Multimilliardäre Michail Friedman, Leonid Blavatnik und Viktor Vekselberg, haben seit Jahresanfang das Recht, ihr Aktienpaket zu veräußern. Zwar dementieren sie Verkaufsabsichten. Dennoch wird ein Konzern wie Gazprom als möglicher Käufer gehandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2008)

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