Michael Häupl soll Museumsdirektor werden!

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Interview. Antal Festetics über seine Rolle als Königsmacher, Bernd Lötsch und das ehrwürdige „Naturhistorische“.

Wachablösein den Bundesmuseen. Das Kunsthistorische, das Naturhistorische Museum, das Museum moderner Kunst und das Museum für angewandte Kunst werden bald neu besetzt. Beim Naturhistorischen Museum (NHM) tritt Bernd Lötsch in den Ruhestand. Der 66-jährige Biologe, einer der Wegbereiter der österreichischen Ökologie-Bewegung, führt das Haus seit 1994.Quasi als Insider von außen analysiert sein Kollege Antal Festetics die Lage des NHM.

Die Presse: Wie attraktiv ist international das Wiener Naturhistorische Museum? Große Geschichte, schwierige Zukunft. Mit schmalem Staatsbudget und ausgestopften Tieren.

Antal Festetics: Im Naturhistorischen Museum war früher immer der Rangälteste neben seinem Job als Abteilungsleiter für Krabbelviecher oder sonst was in Personalunion der Erste Direktor des gesamten Hauses. Dafür hat er aber nur eine kleine Entschädigung von ein paar hundert Schillingen bekommen. Diese Direktoren haben sich dann alle knapp vor oder nach ihrem Tod von Porträt-Malern verewigen lassen.

Sie hätten das sicher auch getan, wenn Sie Direktor des NHM geworden wären.

Festetics: Nein, denn was hätten die Mitarbeiter davon? Ich würde aus Speise-Eis eine Büste von mir anfertigen lassen und alle Mitarbeiter dürften diese abschlecken.

Erste Direktoren gibt es längst keine mehr.

Festetics: Als Erhard Busek Wissenschaftsminister war, hat er für das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum eigene Posten für Generaldirektoren geschaffen. Busek hat mich gefragt, ob ich das Naturhistorische Museum übernehmen könnte. Und der verstorbene Wirtschaftsminister Robert Graf fragte mich, ob ich Interesse hätte, den Zoo Schönbrunn zu leiten. Mir sind aber Tiere in freier Wildbahn am liebsten. Also habe ich für das Naturhistorische Museum Bernd Lötsch und für den Tiergarten Helmut Pechlaner vorgeschlagen. Beide sind Marketing-Profis. Pechlaner treibt sogar einen Mäzen für eine Küchenschabe auf.

Ist Lötsch ein guter Museumsdirektor?

Festetics: Lötsch kam ins Naturhistorische Museum wie ein Wirbelwind. Die Museen wurden aus den Ministerien ausgegliedert, das heißt auf eigene Beine gestellt. Das bedeutet, sie mussten zum Beispiel Marketing lernen – das war für die Museen nicht leicht. In einer Zeit, in der die Leute so verwöhnt sind mit Natur-Filmen, können Präparate mit Glasaugen allerdings schwer mithalten.

Trotzdem ist es ein ehrwürdiges Institut. Die Besucherzahlen sind zuletzt gestiegen, von 225.000 auf 370.000, sagt das Museum.

Festetics: Das sind vor allem die Schulklassen. Der historische Wert des ausgestopften See-Adlers liegt darin, dass ihn seinerzeit Kronprinz Rudolf abgeknallt hat. Wichtiger ist, aber weniger bekannt, was sich hinter den Kulissen abspielt. Dort arbeiten rund 60 hochkarätige Wissenschaftler mit modernen Forschungsmethoden über ein breites Spektrum von Themen, etwa die phylogenetische Taxonomie, Biogeografie und Ökologie von Pflanzen und Tieren.

Lötsch hat Aquarien, Terrarien aufgestellt, um Lebendigkeit ins Museum zu bringen.

Festetics: Wenn im Museum lebende Tiere in Terrarien ausgestellt werden, werten diese doch die Präparate noch mehr ab. Aquarien und Terrarien gehören meiner Ansicht nach nicht in ein Museum.

Lötsch tritt 2009 in den Ruhestand. Wer könnte, wer sollte das NHM übernehmen?

Festetics: Mein Zoologen-Kollege und Freund Michael Häupl. Er hatte seinerzeit eine Stelle im Naturhistorischen Museum und dort gibt es noch immer ein Tür-Schild mit der Aufschrift: „Dr. M. Häupl, Kustos für Lurche und Kriechtiere, beurlaubt.“ Bürgermeister Helmut Zilk, immer schon genial in der Lösung schwieriger Fragen, hat damals Häupl angerufen und zu ihm gesagt: „Lass Deine depperten Frösch, komm in die Politik!“ So wurde Michael Häupl zuerst Stadtrat für Bürgerservice und Umweltschutz und dann ein hervorragender Bürgermeister. Häupl ist rüstig und wollte immer schon in der Wissenschaft weiter arbeiten. Er wäre sicher auch ein hervorragender Generaldirektor für das Naturhistorische Museum.

Sie glauben jetzt nicht allen Ernstes, dass Michael Häupl nach seiner Zeit als Bürgermeister das Naturhistorische Museum übernimmt.

Festetics: Warum nicht? Bei den meisten Politikern weiß man nicht, welchen Beruf sie und ob sie überhaupt einen haben, weil sie immer schon Politiker waren. Sie fangen damit an, dass sie ihrem Partei-Boss die Aktentasche hinterher schleppen, bis sie selbst Minister werden. Michael Häupl ist eine Ausnahme. Er hat einen schweren Beruf studiert, promoviert und ist ein guter Wissenschaftler, den wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge in die Politik entlassen haben. Aber ich habe immer gesagt: Lieber Michael, wenn du die Nase von den Menschen voll hast, kehre zu den Viechern zurück. Du kannst jederzeit deinen erlernten Beruf wieder aufnehmen.

Kommentar zur Situation der Museen Seite 31

ZUR PERSON: Antal Festetics

Der Zoologe, Verhaltensforscher, Wildbiologe und Naturschützer wurde 1937 in Budapest geboren. Die Kommunisten inhaftierten den Spross einer alten österreichisch-ungarischen Adelsfamilie drei Mal, bevor ihm 1956 die Flucht nach Wien gelang. Festetics ist bekannt aus vielen TV-Filmen („Wildtiere und wir“). Seit 1972 hat er eine Professur an der Universität Göttingen. [APA/ORF/Friess]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2007)

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