Österreichs Exportartikel: Besondere „Feuerwehr“ für die Jugend

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Lehre in Betrieb und Berufsschule und ein breites, aber teures Auffangnetz: In Europa dient Österreich als Vorbild, damit junge Menschen nicht arbeitslos auf der Straße landen.

Wien. Das Interesse von Politikern und Experten aus anderen EU-Ländern ist groß. In den vergangenen zwölf Monaten haben sie sich in heimischen Ministerien, aber auch beim Arbeitsmarktservice (AMS) beinahe die Türklinke in die Hand gegeben. Der Grund ihrer Neugier ist das scheinbare Rätsel: Wie gelingt es Österreich, die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen (im August 41.000 unter 25 Jahren) mit 9,2 Prozent nach Deutschland auf dem niedrigsten Niveau innerhalb der EU zu halten (siehe Grafik)?

Im Durchschnitt der EU-Staaten steht hingegen fast jeder vierte Jugendliche ohne Arbeit da, in Spanien sogar mehr als die Hälfte – insgesamt mehr als 5,5 Millionen unter 25 Jahren. Österreich lässt sich allerdings ein großflächiges Auffangnetz, damit Jugendliche zumindest nicht ohne Ausbildung bleiben, auch einiges kosten. Für diverse Spezialprogramme, damit der Einstieg ins Berufsleben quasi über die Hintertür gelingt, werden allein heuer laut Sozialministerium 640 Millionen Euro bereitgestellt. Österreich habe ein „hoch entwickeltes System“, um Jugendliche in den Arbeitsmarkt einzugliedern: Johannes Kopf, einer der beiden Vorstandschefs des Arbeitsmarktservices (AMS), nennt es im Gespräch mit der „Presse“ eine „hervorragende Feuerwehr“.

Coaches für Lehrlinge und Jugendliche

Diese „Feuerwehr“ ist unter anderem in Form überbetrieblicher Lehrwerkstätten, mittels sogenannter Produktionsschulen, in denen junge Menschen sogar wieder an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt werden, und in Gestalt eigener Lehrlingscoaches und Jugendcoaches im Einsatz. Letztere kommen unter anderem in Schulen, wenn ein Schulabbruch droht. Oder sie fungieren als Berater, wenn Junge nach der Schulpflicht orientierungslos sind.

Als ein wesentlicher Grund und Basis für die günstigere Situation in Deutschland wie in Österreich gilt – neben der gesamtwirtschaftlich besseren Entwicklung in beiden Ländern – das duale Lehrwesen, die kombinierte Ausbildung in Betrieben und in Berufsschulen. Und das, obwohl nicht nur Fachleute Verbesserungsbedarf bei der Lehre sehen, sondern auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. Und obwohl Unternehmen im Vergleich zu früher über fehlende Kenntnisse in Deutsch und Rechnen von Lehrlingen klagen. Und selbst wenn die Lehrlingszahl auf rund 125.000 gesunken ist.

„Muss immer up to date sein“

AMS-Chef Kopf sieht zwei Hauptgründe, warum sich die duale Lehrausbildung als Ausgangsbasis im Vergleich zu anderen Ländern bewährt. Die Wirtschaft ändere sich immer schneller, diese raschen Änderungen führten dazu, dass „die schulische Ausbildung hintennach sein muss“. In den Betrieben sei es hingegen so, dass auch ein Lehrling beispielsweise sofort in die Produktion mit einer neuen Maschine eingewiesen werde: „Die duale Ausbildung ist so betriebsnah, dass sie immer up to date sein muss.“ Der AMS-Chef führt zum Vergleich Schweden an, das für Österreich beispielsweise bei der Beschäftigung älterer Menschen stets als Vorbild angeführt wird. Trotz insgesamt niedriger Arbeitslosenrate liege dort die Zahl der beschäftigungslosen Jugendlichen bei immerhin 23 Prozent.

Der zweite Vorteil der innerbetrieblich-berufsschulischen Ausbildung: Jemand, der eine Lehre abgeschlossen hat, muss vielfach anders als im Ausland nicht mehr auf Jobsuche gehen. Denn ein großer Teil bleibt dann im Ausbildungsbetrieb. Die spätere „Integration“ auf dem Arbeitsmarkt sei damit nicht mehr Thema. Aber trotz allem bestehenden Interesse an dem „Erfolgsmodell“ (Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl) im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit: Bis dieses System tatsächlich greifen kann, braucht es seine Zeit. Das sei zwar „sehr, sehr spannend, aber keine schnelle Lösung“ für andere Länder, analysiert Kopf: Selbst wenn alle Anstrengungen unternommen werden, würde eine Umsetzung „mindestens zehn Jahre dauern“.

„Jungarbeitslose sonst immer gefährdet“

Auf noch mehr Aufmerksamkeit vor allem bei Politikern in anderen EU-Staaten stößt allerdings das zweite Netz, über das Österreich Burschen und Mädchen über einen Umweg doch in den Arbeitsmarkt einzugliedern versucht. So werden rund 12.000 Junge, die keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben, in überbetrieblichen Lehrwerkstätten unterrichtet. Allein für diese Maßnahme werden rund 130 Millionen Euro aufgewendet. „Das ist teuer“, räumt AMS-Vorstand Kopf ein. Allerdings steht er dazu: Wer schon als Jugendlicher arbeitslos werde, „ist immer wieder gefährdet, Probleme im Leben“ zu haben: „Arbeitslosigkeit in jungen Jahren wirkt offenbar besonders negativ.“

Mit diesen überbetrieblichen Lehrwerkstätten wird die Einhaltung der bereits 2008 von der Bundesregierung abgegebenen „Ausbildungsgarantie“ gewährleistet, wonach Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren jedenfalls einen Ausbildungsplatz bekommen. Die „Ausbildungsgarantie“ steht auch Pate für die mittlerweile von der Europäischen Union fixierte EU-„Jugendgarantie“. Für diese werden sechs Milliarden Euro für entsprechende Überbrückungsmaßnahmen bereitgestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)

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