Forint gibt nach: "Schutznetz über Ungarn weggezogen"

A clerk counts money at OTP bank, Hungarys largest, in Budapests largest, in Budapest
A clerk counts money at OTP bank, Hungarys largest, in Budapests largest, in Budapest(c) Reuters (Karoly Arvai)
  • Drucken

EU und IWF haben Verhandlungen mit Ungarn abgebrochen. Es gab massive Meinungsunterschiede zum Sparkurs des Landes. Finanzexperten rechnen nun mit weiteren Erschütterungen auf dem Devisen- und Aktienmarkt.

Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU ist bereits am Samstag noch vor dem geplanten Verhandlungsende aus Budapest abgereist. Massive Meinungsunterschiede zum Sparkurs Ungarns und die geplante Einführung der Bankensteuer hatten dazu geführt. Im September sollen die Gespräche fortgesetzt werden.

In direkter Folge hat die ungarische Landeswährung Forint weiter geschwächelt. Der Forint büßte zum Dollar 2,7 Prozent an Wert ein. Der ungarische Aktienmarkt rutschte zur Eröffnung um 4,3 Prozent ab. Der lokale Bankenindex fiel um mehr als 8 Prozent. Ungarische Staatsanleihen wurden abgestoßen, so dass die Zinsen darauf zwischen 20 und 25 Basispunkte nach oben schnellten.

Kosten für Kreditderivate stark gestiegen

Am Markt für Kreditderivate (Credit Default Swaps, CDS) kam es laut "Financial Times Deutschland" ebenfalls zu heftigen Bewegungen. Ungarische CDS-Papiere verteuerten sich laut dem Finanzdatendienst Markit um 43 auf 365 Basispunkte. Um ungarische Staatsanleihen im Wert von einer Million Euro zu versichern, wird also eine jährliche Versicherungsprämie von 36.500 Euro fällig.

Wegen der unterbrochenen Gespräche kann Ungarn die verbliebenen Tranchen eines vor zwei Jahren vereinbarten Hilfspakets über 25,1 Milliarden Dollar zunächst nicht abrufen. "Offensichtlich ist der IWF mit der Politik von Ministerpräsident Viktor Orban unzufrieden", hieß es in einer Analyse der Commerzbank.

(c) APA
(c) APA

"Schutznetz über Ungarns Wirtschaft weggezogen"

Indes kommentieren Finanzexperten das "ungewöhnliche Verhalten" des IWF und der EU: Mit der Unterbrechung der Verhandlungen sei "mehr oder weniger das internationale Schutznetz über der auf wackeligen Beinen stehenden ungarischen Wirtschaft weggezogen worden". Dies würde weitere "Erschütterungen auf dem Devisen- und Aktienmarkt in sich bergen".

Mit dem Abbruch der Gespräche kann Ungarn die verbliebenen Tranchen eines vor zwei Jahren vereinbarten Hilfspakets über knapp 20 Milliarden Euro zunächst nicht abrufen. Die Abreise der Verhandlungsdelegation sei eine "Warnung" an alle EU-Länder, dass der IWF und die EU "eine Abweichung vom vereinbarten Ziel der Defizitsenkung nicht tolerieren".

IWF mit Bankensteuer nicht zufrieden

Die Bankensteuer sei der größte Streitpunkt zwischen Ungarn einerseits und dem IWF sowie der EU andererseits, erklärte Ungarns Wirtschaftsminister György Matolcsy am Montag. Ungarn brauche die Steuereinnahmen bereits heuer, um das mit dem IWF vereinbarte Budgetdefizit von 3,8 Prozent für heuer zu erreichen, das im EU-Vergleich zu den niedrigsten Defiziten zählen werde. Danach wolle man auch Strukturreformen angehen, so Matolcsy bei seinem ersten Besuch als Wirtschaftsminister bei seinem Amtskollegen Reinhold Mitterlehner (V) in Wien.

Nach Berechnungen müsste die Erste-Group-Tochter in Ungarn heuer 44 Millionen Euro oder drei Viertel ihres Vorjahresgewinns abführen. Die Raiffeisen-International-Tochter, die im Vorjahr einen Verlust von 17 Millionen Euro erlitten hatte, wäre mit rund 35 Millionen Euro belastet, berichtete das "Ö1-Morgenjournal" am Montag.

"Substanz der Bank wird besteuert"

Wirtschaftsminister Mitterlehner meinte, dass es bei der österreichischen Kritik an der ungarischen Bankensteuer im Wesentlichen um die gleiche Debatte wie in Österreich gehe: "Es wird Substanz der Bank und nicht der Gewinn oder die Spekulation besteuert." Der IWF verlange mehr Strukturmaßnahmen, um das Budgetdefizit abzubauen und nicht nur neue Einnahmen. "Die österreichischen Banken sind in Ungarn stark vertreten und werden mit der Bankenabgabe Probleme haben", meinte Mitterlehner in einer Aussendung. Solche Maßnahmen würden deren Kapitalbasis reduzieren und auf die Kreditversorgung der Wirtschaft durchschlagen.

Kritik erhielt die rechtskonservative Regierung von Viktor Orban auch wegen der geplanten Kürzung des Monatsgehalts des Präsidenten der ungarischen Nationalbank (MNB), Andras Simor, von acht auf zwei Millionen Forint. Auch zeigte die Verhandlungsdelegation kein Einverständnis mit dem Plan der Regierung, Kreditnehmern zu helfen, die ihre in Schweizer Franken aufgenommenen und inzwischen stark verteuerten Kredite nicht tilgen können.

EU ist strenger als IWF

Laut Medien erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel, die ungarische Regierung müsse Anstrengungen unternehmen, um das Defizit wie geplant 2011 wieder unter die Drei-Prozent-Grenze des BIP zu drücken.

Weiters könnten die Vorbehalte der Verhandlungsdelegation die Märkte verunsichern und Finanzierungsbedingungen für Ungarn verschlechtern, behaupten Analysten. Die ungarische Regierung plant laut Minister Matolcsy getrennte Verhandlungen mit dem IWF und der EU. "Die EU ist deswegen strenger, härter, da sie anhand eines guten ungarischen Beispiels zeigen will, wie wirksam doch mit den Empfehlungen der EU das Defizit massiv gesenkt werden kann."

"Die erste Reaktion wird Panik sein"

Die im Mai angetretene Regierung von Premier Viktor Orban hatte gehofft, seitens des IWF und der EU im kommenden Jahr einen größeren Spielraum hinsichtlich der Einhaltung des geplanten Defizits zu erhalten. Der IWF jedoch machte Budapest klar, dass er auf der Einhaltung der 3,0 Prozent und die Durchführung von dauerhaften Reformen bestünde.

Zum Abbruch der Kreditgespräche sagte Gabor Orban, Fondsmanager bei Aegon Fund Management der "FTD" zufolge: "Das sind sehr schlechte Nachrichten. Es wird keine Verkaufswelle geben, bei denen vorausschauende Investoren wieder einsteigen. Die erste Reaktion wird Panik sein. Dann erst wird sich die Situation etwas beruhigen."

(c) APA
(c) APA

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.