"Jetzt ist Rushhour bei der Safranernte"

Safran
Safran(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Safran gilt als exotisch und teuer. Er hat aber auch hierzulande Tradition und wird seit ein paar Jahren wieder angebaut – etwa im Waldviertel.

"Nein, der Zaun ist nicht da, um Diebe abzuhalten“, sagt Horst Moser. Immerhin verbirgt sich auf dem unscheinbaren Feld jene Pflanze, aus der das teuerste Gewürz der Welt gemacht wird: Safran. Aber der Aufwand, der bei der Gewinnung des Gewürzes entsteht, ist derart groß, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, Blüten zu stehlen. „Der wäre auch blöd, das würde sich nicht auszahlen. Der größte Feind des Safrans ist die Wühlmaus. Auch die Rehe sind gefährlich,“ sagt Moser, während er die Blüten begutachtet. Diese Tiere fressen gern die Knollen oder das Safrangras, das vor der Blüte zu sehen ist. Moser, der seit 2011 im Waldviertel Safran anbaut, hat sich vielmehr gegen bestimmte natürliche Feinde des Crocus sativus gewappnet.

Gegen einen anderen Feind, das Wetter – speziell Regen bei der Ernte –, ist er machtlos. Bis jetzt sieht es aber gut aus. Vor einer Woche hat er – genau genommen seine Erntehelfer – mit der Ernte begonnen. Wann genau dieser Zeitpunkt jeweils im Herbst ist, lässt sich erst knapp davor sagen. Dann nämlich, wenn sich die violette Blüte öffnet und die drei roten Fäden zum Vorschein kommen, die – getrocknet oder geröstet – als Gewürz verwendet werden. Ab Anfang Oktober ist Horst Moser auf der Lauer und begutachtet die Pflanzen auf den insgesamt 2,5Hektar, die er gemeinsam mit seiner Frau Liselotte bewirtschaftet. Weitere zwei Hektar hat er bereits zugekauft, sie sollen in den nächsten Jahren bewirtschaftet werden. Jeden Morgen macht er einen Rundgang. Wenn sich die Blüten geöffnet haben, kontaktiert er seine Arbeiter, die dann mit der Ernte beginnen, meist am späten Vormittag, wenn die Fäden nicht mehr feucht sind. „Dieses Feld zum Beispiel, das haben wir erst vorgestern abgeerntet, heute kommt es wieder dran. Jetzt ist Rushhour auf dem Feld“, sagt Horst Moser, während sich sein Mitarbeiter Roland Schröder an die Arbeit macht. Schröder ist der einzige Angestellte der beiden. Die restlichen Arbeiter werden über den Maschinenring bezogen, eine Vereinigung, die landwirtschaftliche Geräte und Personal vermietet.


Eineinhalb Stunden für ein Gramm. Die Safranfelder sind unterschiedlich alt. Das älteste, das 2011 gesetzt wurde, hat schon wesentlich mehr Blüten als die neuen Felder. Im ersten Jahr hat eine Knolle nur eine Blüte, im zweiten sind es schon zwei oder drei. Begonnen hat das Ehepaar Moser mit 4000 Knollen, heute sind es – auch nach einer Vergrößerung – insgesamt 300.000 Pflanzen. Gepflückt wird jeweils die violette Blüte per Hand. „Ich zwicke sie immer mit den Fingernägeln ab, dann geht es ganz leicht, und man muss nicht zu fest ziehen, damit die Knolle nicht beschädigt wird. Die Plastikhandschuhe tragen wir, damit alles sauber bleibt“, sagt Schröder, der die Pflanze mit größter Sorgfalt behandelt. Bläst der Wind auch nur eine Blüte aus dem Korb, wird sie sofort wieder eingesammelt. Etwa eineinhalb Stunden braucht man für einen Gramm Safran – wohl auch ein Grund, warum keine Safrandiebe kommen.

Danach werden in einer kleinen Gartenhütte ebenfalls per Hand die drei roten Fäden aus der Blüte gelöst. Wichtig ist dabei, den gelben Griffel, der die Fäden in der Blüte zusammenhält, zu entfernen. Er ist geschmacklich wertlos, hätte also lediglich Einfluss auf das Gewicht. Nur die roten Fäden sind der echte Safran, der in Österreich auch eine lange Tradition hat (siehe Artikel unten). Noch sind die roten Safranfäden aber geruchlos – es riecht nur nach den Blüten. „Das duftet immer herrlich in dem Raum, als hätte man lauter Veilchen“, sagt Liselotte Moser, die für die anschließende Trocknung zuständig ist. Erst durch das Trocknen erhält der Safran seinen charakteristischen herben, erdigen Duft, der manche an Brot erinnert.

Getrocknet werden die Fäden in einem Trockenofen bei 50 Grad, etwa zweieinhalb Stunden lang. „Den hab ich bei uns im Keller stehen. Ich muss ja alle zweieinhalb Stunden nachlegen“, so Liselotte Moser. Im Iran, dem Hauptanbaugebiet, werden die Fäden geröstet, was schneller geht, aber zu einem bitteren Geschmack führt. Für das Ehepaar Moser kommt deshalb nur die Trocknung infrage.

Das sieht auch Johannes Pinterits, der im Burgenland Safran anbaut, so. „Wenn man ihn trocknet, wird er viel milder und vielschichtiger. Ich vergleiche das gern mit Rauchfleisch und luftgetrocknetem Fleisch. Bei Luftgetrocknetem schmeckt man das Fleisch, beim Rauchfleisch den Rauch“, sagt Pinterits, der 1,5 Hektar bewirtschaftet.

Danach wird der Safran in größeren Behältern gelagert. Bei der Familie Moser vier bis sechs Wochen lang. „Das ist wichtig, da kann er sein Aroma entfalten. In der Industrie wird oft gleich abgepackt, das wollen wir nicht“, meint Liselotte Moser. Auch sie hat einen Vergleich parat: Wein lagert ja auch zuerst in Holzfässern, um sich zu entfalten, und wird erst nach einer bestimmten Zeit in Flaschen abgefüllt.

Von Flaschen kann aber beim Safran keine Rede sein. Vielmehr werden die roten Fäden in kleinen Gläsern zu je ein oder fünf Gramm abgepackt. Familie Moser verlangt für ein Gramm 22Euro, der Pannonische Safran ist mit 30 Euro weit teurer. „In der Schweiz oder Frankreich wird aber noch viel mehr dafür verlangt“, sagt Pinterits.


Die Ernte als Betriebsgeheimnis. Fragt man bei den heimischen Safranbauern nach, wie viel sie pro Jahr ernten, stößt man auf Schweigen. Über Zahlen spricht man in der Safranbranche nicht gern. Generell hat man schnell den Eindruck, dass die drei Safranbauern, die es hierzulande gibt – der dritte ist Bernhard Kaar in der Wachau – jeweils lieber ihr eigenes Süppchen kochen. Liselotte Moser verrät immerhin so viel: „Für ein Kilo Safran brauchen Sie 130.000 bis 150.000 Blüten.“ Sie selbst bewirtschaftet 300.000 Pflanzen.

Pinterits verrät zumindest seine schlechteste Ernte aus dem Vorjahr: 70Gramm – auf 1,5 Hektar. „Es kommt immer darauf an, wie groß die Fläche ist. Bei mir ist das wirklich wenig. Wenn man aber nur 500 Quadratmeter hat, kriegt man bei so einer Menge einen Herzinfarkt vor Freude“, sagt der burgenländische Safranbauer, der ebenso wie die Familie Moser Quereinsteiger ist. Pinterits war zuvor beim ORF und als Devisenhändler tätig. Moser betreibt nach wie vor in Wien eine Media-Agentur und eine Immobilienplattform.

„Ich hatte schon immer eine Affinität zur Landwirtschaft. Durch meine Frau bin ich ins Waldviertel gekommen. Das Land neben unserem Haus hab ich gekauft, bevor es ein anderer macht.“ Zuerst wollte er eine alte Rebsorte anbauen. Freunde machten ihn aber auf die vergessene Safrantradition aufmerksam. Nach einem gelungenen Feldversuch ist er dabeigeblieben. „Wir haben dann auch viel recherchiert, auch in der Stiftsbibliothek Melk“, sagt seine Frau, die dabei entdeckt hat, dass der letzte Safranbauer 1911 im Nachbarort Maissau seinen Betrieb eingestellt hat. „Genau 100 Jahre danach haben wir damit begonnen, das ist doch ein gutes Omen“, sagt sie.


Fälschungssicher. Moser beliefert vor allem die Gastronomie, ein Onlineshop ist geplant. Sie selbst sei eine „stinknormale Hausfrau“ und verwende Safran bei Reis- oder Fischgerichten. Ein Pulver kommt ihr nichts ins Haus, zu hoch ist die Gefahr, dass es gestreckt wurde, zum Beispiel mit Kardamom. Aber auch Safranfäden werden nach wie vor gefälscht. Um die Echtheit zu überprüfen, reicht ein einfacher Test: Legt man die Fäden in Wasser, muss sich dieses gelb verfärben. Rotes Wasser deutet auf eine Fälschung hin.

Für den Einsatz in der Küche werden die Fäden entweder 15 bis 30 Minuten in einer Flüssigkeit – je nach Gericht Wasser, Weißwein oder Milch – eingelegt, oder man zerstößt sie in einem Mörser und gießt das Ganze kurz auf. Spätestens bei der Menge relativiert sich auch der Preis. Ein Gramm besteht aus rund 500 Fäden, für ein Gericht für vier Personen reichen – je nach geschmacklicher Vorliebe – fünf bis 20 Fäden. „Zu viel kann sogar tödlich sein“, sagt Liselotte Moser. Um dann aber gleich zu relativieren: So viel könne aber niemand essen. Und sich wohl auch kaum jemand leisten.

Safran

Safran ist eine Krokusart, Crocus sativus, die antizyklisch blüht. Im August wird die Knolle gepflanzt, die Blüten werden im Herbst, wenn sie sich öffnen, mehrere Wochen lang geerntet. Danach werden die drei roten Fäden herausgezupft, die anschließend getrocknet oder geröstet werden. In der Küche werden die Fäden im Mörser zerrieben oder in Flüssigkeit eingeweicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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