Istanbul: 1,5 Mio. Neubauwohnungen finden keine Abnehmer

A lone house is seen at a construction site of an urban transformation project in Fikirtepe
A lone house is seen at a construction site of an urban transformation project in Fikirtepe(c) REUTERS (� Murad Sezer / Reuters)
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Experten warnen vor einer Immobilienblase. Für Wohnkredite sind 14 Prozent Zinsen zu bezahlen.

In der türkischen Metropole Istanbul schießen Bauprojekte wie Pilze aus dem Boden. Die Stadt beherbergt fast 20 Prozent der türkischen Bevölkerung - bisher ein gefundenes Fressen für den Wohnbausektor. In der Türkei leben 74 Millionen Menschen. Aber der Boom scheint nun an seine Grenzen zu stoßen.

Eineinhalb Millionen neue Wohnungen hätten bisher in Istanbul keine Käufer gefunden, berichtet der Immobilienexperte Hakan Eren, ehemaliger CEO der Immobilienfirma GYO gegenüber der "New York Times". Ein Jahr zuvor sei diese Zahl beinahe bei Null gewesen.

Verkäufe von Neuwohnungen eingebrochen

Nach Angaben des größten türkischen Immobilieninvestors Emlak Konuk sind die Verkäufe von Neuwohnungen im ersten Quartal um rund 60 Prozent zurückgegangen. Kein gutes Zeichen für den Istanbuler Immobilienmarkt. In den vergangenen Jahren sind vor allem Satellitenstädte und Luxuswohnungen am Stadtrand im Eiltempo hochgezogen worden.

Der Traum vom Eigenheim hat seinen Preis. An die 5.000 Lira (1.731,90 Euro) pro Quadratmeter kosten Wohnungen in den Stadtteilen Beylerbeyi oder Ümraniyeauf der asiatischen Seite der Stadt. Im neu aus dem Boden gestampften "Brooklyn Park" in Fikirtepe werden selbst kleine Wohneinheiten zu einem "Sonderpreis" von rund 380.000 Lira ( 131.000 Euro) verscherbelt.

Hohe Kreditzinsen

Die Wohnbauprojekte sind auf die neue türkische Mittelschicht zugeschnitten. Diese lebt aber über ihre Verhältnisse und ist teils hoch verschuldet. Für den Großteil der 15 Millionen zählenden Istanbuler Bevölkerung mit Einkommen knapp über der 1.000 Lira-Grenze sind diese Bauten sowieso unbezahlbar.

Nach Angaben des türkischen Statistikamts TUIK wurden im ersten Quartal dieses Jahres in Istanbul rund 17.700 Wohnungen verkauft, aber nur knapp die Hälfte davon waren Neuwohnungen. Beinahe 25 Prozent der Wohnungskäufe wurden auf Pump finanziert. Mit der Zinserhöhung der Zentralbank Anfang des Jahres sind die Zinsen für jährliche Wohnkredite auf 14 Prozent geklettert. In den Statistiken ist der Einbruch bei Wohnungskäufen ab Februar deutlich abzulesen. Zudem hat sich das Wirtschaftswachstum im Land verlangsamt, ebenso ist das Verbrauchervertrauen zurückgegangen.

Blase droht

Die türkischen Immobilienriesen setzen auf ausländische Interessenten, um Lücken bei der Inlandsnachfrage zu stopfen. Obwohl die Ausländeer nur sehr zagahft zugreifen, florieren die Grunddstücksspekulationen in der Metropole weiter und die Preise explodieren. Erst vorige Woche wurde bekannt, dass im Nobelviertel Istinye auf der europäischen Seite des Bosporus für knapp 148.000 Quadratmeter Grund über eine Milliarde Lira auf den Tisch gelegt wurde. Verkäufer ist die türkische Republik. Gebaut werden sollen unter anderem wieder einmal Luxusunterkünfte.

Heute berichtete die Zeitung "Sabah", dass der Plan für das "verrückte" Projekt von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, der Kanal Istanbul, feststeht. Der 44 Kilometer lange und 200 Meter breite Kanal wird eine Schneise zwischen Bosporus und Marmarameer graben. Die Baugründe entlang des Kanals sind nach Angaben der Zeitung in Besitz des Finanzministeriums.

"Verrücktes Projekt" treibt weiter an

Im Zuge des Bauprojekts, das im Juni der Öffentlichkeit präsentiert werden soll, sollen Luxushäfen und Luxuswohnungen entstehen. Bereits vor Bekanntwerden der Pläne seien die Bewohner der umliegenden Dörfer zu Immobilienmaklern mutiert, berichtete die Zeitung "Radikal". Jeder glaubt, für sich ein Stück vom Kuchen abschneiden zu können. Zumal auch die nächsten Großprojekte, die dritte Istanbuler Brücke über den Bosporus und der geplante dritte Flughafen im selben Einzugsgebiet gebaut werden.

Mit den deutlich eingetrübten Aussichten für die türkische Wirtschaft könnten sich die Spekulationsgeschäfte als trügerische Hoffnung erweisen. Zumindest für die nächsten Jahre. Schließlich wurden selbst auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms im Vorjahr in der gesamten Türkei nur 1,15 Millionen Wohnungen verkauft. (Von Andrea Sieder/APA)

(APA)

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