Was man sagte, weiß man erst, wenn man es hört

Kleinkind haelt sich die Ohren zu
Kleinkind haelt sich die Ohren zu (c) www.BilderBox.com
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Beim Bewusstwerden von Gesagtem redet das Ohr mit.

„Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ Das liest man heuer auf T-Shirts, vielleicht ist es herbe Kritik an der neuen Geschwätzigkeit der Mobiltelefonie, vielleicht auch milde Selbstironie. Aber man selbst merkt bisweilen auch erst hinterher, was man gerade gesagt hat, etwa im Zorn. Für gewöhnlich ist es natürlich ganz anders, man plant mit Bedacht, was man sagen will, und dann sagt man es. Und dann weiß man, was man gesagt hat. Oder nicht?

Nicht immer: Psychologe Andreas Lind (Lund) hat Probanden zum Stroop-Test gebeten. In dem sieht man einen Text, schwarz auf weiß. Aber die Namen von Farben sind farbig gedruckt, manchmal passend (das Wort „rot“ in roter Farbe), manchmal nicht (das Wort „rot“ in grüner Farbe). Das verwirrt, man muss sich konzentrieren, und eben dazu wurde der Test ersonnen, er misst die Konzentration: Die Testpersonen sollen jeweils ansagen, welche Farbe sie gesehen haben, nicht: welches Wort.

Trug ins Ohr geträufelt

Lind hat ihn umfunktioniert: Er platzierte Probanden vor einem PC mit einem Stroop-Test, er setzte ihnen zugleich Kopfhörer auf, vorgeblich um sie von jedem Lärm abzuschirmen: Sie hörten nur ihre eigene Stimme mit dem Ansagen der Farbe. Diese Stimme nahm Lind auch auf Tonband auf – und manches Mal spielte er über die Kopfhörer die Antwort des Probanden aus einer vorherigen Runde ein. Er hörte also, was er aktuell nicht gesagt hatte, und Lind fragte sofort nach, was er aktuell gesagt hatte.

In 85 Prozent spielte ihnen das Ohr bzw. das Gehirn einen Streich: Sie erklärten, sie hätten das gesagt, was sie in Wahrheit nicht gesagt, sondern gehört hatten. Nur 15 Prozent schöpften den Verdacht, dass ihnen etwas in die Ohren geträufelt wurde, was nicht aktuell von ihnen stammte, und auch viele von denen entschieden für das Gehör als Kriterium (Psychological Science, 28.4.)

Lind selbst hat den Test auch gemacht, wohl wissend um den Trug. Auch für ihn klang das Gefälschte überzeugend: „Wenn man eine Sache sagt, aber sich eine andere sagen hört, dann ist das ein sehr starkes Gefühl.“ (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2014)

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