Vernunft statt konservative Geisterbeschwörung

Karikatur: Peter Kufner
Karikatur: Peter Kufnerwww.peterkufner.com
  • Drucken

Was die Volkspartei zu einer erfolgversprechenden Reformpartnerschaft für Österreich alles beitragen könnte.

Seit geraumer Zeit wird der österreichischen Politik ein Mangel an Reformbereitschaft vorgeworfen. Zuletzt kulminierte diese Kritik im Vorfeld der Nationalratswahlen und während der Koalitionsverhandlungen. Auch der Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP wurde von vielen Kommentatoren – den Autor dieser Zeilen eingeschlossen – nicht zuletzt deswegen kritisiert, weil darin zu wenig Aussicht auf Reformen zum Ausdruck kam.

Von unterschiedlichsten Seiten werden der Politik – insbesondere aber den einstmals großen Parteien SPÖ und ÖVP – Mutlosigkeit, Reformunwilligkeit, Lustlosigkeit und mangelndes politisches Format vorgeworfen. Die Kritiker eint der Ruf nach Reformen, die Botschaften, wie diese auszusehen hätten, gehen aber der Einfachheit halber weit auseinander.

Es stellt sich also die Frage, wie eine erfolgversprechende Reformpolitik gestaltet werden könnte. Wenn man die Kritik der letzten Jahre zusammenfasst, kann man recht rasch zu einer Reformagenda kommen. Es geht vor allem darum, die Staatsfinanzen zu ordnen.

Dies hängt unmittelbar mit einer langfristig verlässlichen Reform des Pensionssystems und einer qualitätsvollen Antwort auf die Frage der Finanzierung der Pflege zusammen. Weiters sollte die zermürbende und unerquickliche Bildungsdiskussion in einem zukunftsfähigen Bildungsmodell münden.

Das Beispiel Steiermark

Ergänzend ließe sich noch das unendliche Thema einer Verwaltungsreform bzw. einer Neuorganisation des Staatswesens hinzufügen. Beherzte Politiker könnten sofort anpacken und entlang dieser Agenda den Versuch unternehmen, tatsächlich Politik zu betreiben. Warum geschieht es nicht?

Der Antwort darauf nähert man sich am besten, wenn man überlegt, was die Voraussetzungen für Reformen in der Politik sind: demokratische Mehrheit und Entschlossenheit an der politischen Spitze! Das klingt einfacher, als es ist. Mehrheiten sind regelmäßig nur noch durch Koalitionen zu erreichen. Koalitionen bedeuten Kompromiss und der wird oft zu schnell gefunden, als dass noch Rudimente entschlossenen politischen Handelns bleiben.

Dennoch kann es funktionieren – wie uns gerade das Beispiel der steirischen Landespolitik zeigt. Die Herausforderungen auf bundespolitischer Ebene mögen ungleich komplexer sein, aber es ist dennoch bemerkenswert, was Franz Voves und Hermann Schützenhöfer in der Steiermark zustande gebracht haben.

Bei einem Budgetvolumen von jährlich rund fünf Milliarden Euro hat man bis dato circa 700 Millionen Euro konsolidiert. Es wurde eine Verwaltungsreform mit einer Halbierung der Organisationseinheiten erledigt, eine Gemeindestrukturreform im Landtag beschlossen, die größte Verfassungsreform seit 1945 mit einer Abschaffung des Proporzsystems sowie einer Verkleinerung von Landtag und Landesregierung umgesetzt und vieles mehr.

Dies war nur durch einen Schulterschluss von SPÖ und ÖVP und eine zunehmend vertrauensbasierte Zusammenarbeit möglich. Freilich, man stand am Anfang der Legislaturperiode mit dem Rücken zur Wand – aber man hat etwas daraus gemacht!

Wenn man sich nun die Frage stellt, warum dies auf Bundesebene nicht funktioniert, sollte man sich aus Sicht der ÖVP davor hüten, alle Schuld beim Partner zu suchen. Es wäre zu kurz gegriffen, der SPÖ und ihrem derzeitigen Parteivorsitzenden allein die Schuld zu geben.

Werner Faymann gerät zwar nicht in Verdacht, ein charismatischer Staatsmann oder gar ein Reformpolitiker mit Ambition und Format zu sein. Aber die ÖVP macht es ihm auch zu leicht, den gewohnten Weg des Mittelmaßes weiterzugehen.

ÖVP fehlt der große Entwurf

Gerade die ÖVP hat nämlich ein Problem, sich als politische Speerspitze für Reformen aufzustellen. Sie ist auf Bundesebene zunehmend nur noch als loses Zweckbündnis von Fachorganisationen für Klientelpolitik wahrnehmbar. Der große Entwurf, eine einigende Erzählung über ihr politisches Wollen, ist ihr abhandengekommen. Wie kann eine moderne bürgerliche Politik aussehen, die auch für Erfolge an Wahltagen sorgen könnte? Die Volkspartei vermag keine Antwort darauf zu geben.

Die Situation wird nicht gerade leichter, wenn man die Suche nach möglichen Partnern auf den Rest des politischen Spektrums ausdehnt. Leider muss man die FPÖ auf Sicht aus allen Partnerschaftsgedanken ausschließen, da sie sich in ihrem ungeschlachten Doppelpassspiel zwischen Modernitätsverweigerung und Radikalpopulismus selbst aus dem Spiel nimmt. Die Grünen wiederum bringen das Kunststück zustande, in ihrem Staatsvertrauen die Sozialdemokratie zu überflügeln und eine beinahe unerträgliche Tugendhaftigkeits- und Allwissenheitsattitüde zu kultivieren. Auch der esoterisch angehauchte Wohlfühl(neos)liberalismus kann als Basis einer zukunftsgewandten Partnerschaft noch nicht überzeugen.

Neuerfindung als Reformer

Eine weitere Parlamentsfraktion lässt sich mangels erkennbaren politischen Substrats und einer gewissen Unübersichtlichkeit bezüglich des jeweils aktuellen personellen Status nicht wirklich fassen. Mithin bleibt die politische Verantwortung für einen Weg in die Zukunft an SPÖ und ÖVP haften.

Was kann nun die ÖVP dazu beitragen, die Weichen in Richtung Reformen zu stellen? Sie muss sich zuallererst selbst als verlässlicher Reformpartner definieren und möglicherweise neu erfinden. Sie muss rasch darangehen, die Grundzüge einer modernen bürgerlichen Politik zu formulieren und den Kern einer unabdingbaren Reformagenda definieren.

Moderne bürgerliche Politik mit Erfolgsaussichten auch in urbanen Räumen könnte sein: gesellschaftspolitisch liberal, ein wenig links der Mitte; wirtschaftspolitisch, wiederum liberal, ein wenig rechts der Mitte! Um diesen kurz und knapp formulierten politischen Kern ließen sich vernünftige Positionen zu allen anstehenden Herausforderungen entwickeln.

Näher zu den Menschen

Es muss kein unmögliches Unterfangen sein, mit der Sozialdemokratie eine solche Reformagenda zu verhandeln. Strategisch gäbe es Vorteile für beide Seiten. Eine graduelle gesellschaftspolitische Wanderung eines neuen Paktums nach links könnte näher bei den Lebensrealitäten vieler Menschen zu liegen kommen und müsste der SPÖ auch ganz gut zu Gesicht stehen.

Eine wirtschaftspolitische Wanderung in die entgegengesetzte Richtung würde dem Land guttun und jenen Protagonisten in der Sozialdemokratie, deren ökonomische Expertise nicht ausschließlich aus der Mottenkammer der Prinz-Eugen-Straße stammt, insgeheim wohl bekommen.

Andererseits würden auch in der ÖVP viele aufatmen, denen eher der Sinn nach marktwirtschaftlicher Vernunft als nach konservativer Geisterbeschwörung steht. Den Versuch gilt es zu unternehmen, wie viele Widerstände auch immer aufkeimen mögen!

Der Autor

E-Mails an: obfuscationcom" target="_self" rel="">debatte@diepresse.com



Christopher Drexler
(geboren 1971) studierte Rechtswissenschaften. Er war Landesobmann der Jungen Volkspartei (1991–1993), Landessekretär des Steirischen ÖAAB (1992–1996). Seit 2000 Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag, seit 2003 Klubobmann der ÖVP-Landtagsfraktion, seit 2006 ÖAAB-Landesobmann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.