NSA-Affäre: Soll Edward Snowden in Deutschland aussagen?

Die Flagge der US-Botschaft weht vor dem deutschen Bundestag in Berlin.
Die Flagge der US-Botschaft weht vor dem deutschen Bundestag in Berlin.(c) REUTERS
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Deutschlands Parteien wollen die Abhöraffäre aufarbeiten, ein Untersuchungsauschuss ist möglich. Spanien setzt auf diplomatischen Druck.

Die Affäre um den US-Geheimdienst NSA und dessen Abhöraktivitäten gegen Kanzlerin Angela Merkel wird auch im Bundestag Thema. Die Fraktionschefs Volker Kauder (Union) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) verständigten sich am Montag auf den 18. November als Termin. Grüne und Linke hatten zuvor eine Sondersitzung gefordert. Auch ein U-Ausschuss des Parlaments rückt näher, nachdem nun auch die SPD ein solches Gremium verlangt. Die Linke forderte den Rücktritt von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU - letzterer hatte allerdings zuletzt sogar über eine mögliche Ausweisung von US-Diplomaten spekuliert.

Merkel soll bis vor wenigen Monaten vom US-Geheimdienst NSA abgehört worden sein - allerdings ohne Wissen von Präsident Barack Obama. Das berichtet das "Wall Street Journal" (Sonntag, Ortszeit) unter Berufung auf US-Regierungsvertreter. Die Abhöraktion sei nach einer von der Regierung in Washington im Sommer in Auftrag gegebenen internen Untersuchung gestoppt worden, heißt es in dem Bericht. Diese Prüfung habe ergeben, dass die NSA rund 35 internationale Spitzenpolitiker überwache.

Überflug über US-Botschaft?

Der deutsche Inlandsgeheimdienst hat einem Zeitungsbericht zufolge Prüfungen eingeleitet, ob die US-Botschaft in Berlin als Horchposten des US-Geheimdienstes NSA genutzt wird. Wie die in Essen erscheinende "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Dienstagsausgabe) berichtete, überflog ein Hubschrauber der deutschen Polizei am Montag das Botschaftsgelände am Pariser Platz. Eine Quelle nannte das Blatt für seine Informationen nicht.

Es habe "aktuell" keinen Überflug der Botschaft im Auftrag des BfV gegeben, sagte hingegen eine Sprecherin der Behörde am Abend. Es gebe solche Flüge aber "in unregelmäßigen Abständen", fügte sie hinzu.

Dem Bericht zufolge war der Hubschrauber mit Spezialkameras für die Suche nach Spionageeinrichtungen ausgerüstet. Ziel der Erkundungsmission sei es gewesen, herauszufinden, ob das Dach der US-Vertretung zu einer Überwachungszentrale ausgebaut wurde. Die US-Botschaft befindet sich mitten im Regierungsviertel, die Entfernung zum Kanzleramt beträgt nur rund 800 Meter.

Medienberichten aus Deutschland zufolge soll Merkel seit etwa 2002 ein NSA-Aufklärungsziel sein. Der US-Geheimdienst wies aber einen Bericht der "Bild am Sonntag" zurück, wonach NSA-Chef Keith Alexander 2010 Obama über das Vorgehen gegen Merkel informiert habe. In Berichten hatte es geheißen, Obama habe Merkel bei einem Telefonat versichert, nichts über Spionagepraktiken gegen sie gewusst zu haben.

SWIFT- und Freihandelsabkommen

Die deutsche Regierung sieht trotz der Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst keine Veranlassung, das Gespräch mit dem Informanten Edward Snowden zu suchen, der die Affäre mit seinen Veröffentlichungen ins Rollen gebracht hatte. "Die Frage stellt sich jetzt nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Wie angekündigt werde "in Kürze" eine hochrangige Delegation zu Gesprächen in die USA reisen, sagte Seibert weiter. Mit dabei seien Vertreter des Kanzleramts und die Präsidenten von Verfassungsschutz sowie Bundesnachrichtendienst (BND), Hans-Georg Maaßen und Gerhard Schindler. Innenminister Friedrich kündigte im Sender N24 eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Regierungsviertel an. Die scheidende deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine Aussetzung des SWIFT-Abkommens mit den USA gefordert.

Die Linke fordert personelle Konsequenzen aus der Handy-Affäre. Innenminister Friedrich und Kanzleramtschef Pofalla müssten "schnellstmöglich von ihren Aufgaben entbunden werden", sagte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn am Montag in Berlin. Sahra Wagenknecht, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, sagte: "Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA muss beerdigt werden." In der "Welt" forderte sie zudem Asyl für den Informanten Snowden. Auch Grünen-Chefin Simone Peter sagte, ein Untersuchungsausschuss müsse Snowden anhören.

Die SPD will einen gemeinsamen Antrag aller im Bundestag vertretenen Parteien für einen solchen Ausschuss erreichen. Das sagte Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin. "Wir unterstützten ausdrücklich die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses." Der "Bild"-Zeitung sagte sie weiter, Snowden könne ein "wertvoller Zeuge" sein. Der frühere NSA-Mitarbeiter hat in Russland Asyl erhalten.

Spanien bestellt Botschafter ein

Wirbel um die NSA-Aktivitäten gibt auch in anderen Ländern: Die spanische Regierung bestellte den amerikanischen Botschafter in Madrid ins Außenministerium ein. Die römische Polizei verstärkte die Kontrollen bei diplomatischen Vertretungen und vor allem nahe der Botschaft der USA. Spürhunde und Anti-Sabotage-Einheiten seien im Einsatz, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. In beiden Ländern sollen in den vergangenen Monaten Millionen Telefonanrufe von der NSA bzw. dem britischen Dienst GCHQ erfasst worden sein.

Auf EU-Ebene wurde am Montag eine neunköpfige Delegation von Europa-Parlamentariern aktiv und begann in Washington Gespräche mit Vertretern der amerikanischen Regierung und des Geheimdienstes über die jüngste NSA-Abhöraffäre. Es gehe darum, das Gespräch zu suchen und nicht, es abzubrechen, sagte der ÖVP-Europaabgeordnete Hubert Pirker, der Teil der Delegation ist.

Der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer hatte zuletzt erklärt, der Überwachungsskandal müsste aufgeklärt werden. Ernsthafte Bemühungen für ein Rahmenabkommen mit den USA zum Schutz der persönlichen Daten seien überfällig und dringend notwendig. Der FPÖ-Europamandatar Franz Obermayr warf den Amerikanern vor, Versprechungen über die Einhaltung strenger Vorgaben zum Datenschutz gebrochen zu haben.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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