Video aus Cockpit: Eurofighter "Typhoon" im Tiefflug

Zwei Eurofighter
Zwei Eurofighter "Typhoon" im Tiefflug über Wales(c) Screenshot
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Drei Regionen Großbritanniens, darunter Wales, sind deklarierte Übungsgebiete für extremen Tiefflug in Höhen von weniger als etwa 80 Meter und daher für Luftfahrtfans und Fotografen wahre Heiligtümer.

Man stelle sich vor, ein Eurofighter "Typhoon" des Bundesheeres jage im Tiefflug entlang des Donautals, übers Weinviertel oder die Südsteiermark, und das in weniger als 80 Meter Höhe (Vergleich: Der "Ringturm" an der Wiener Ringstraße beim Donaukanal misst bis zur Spitze 93 Meter, der Stephansdom rund 136 Meter): Schon das würde in diversen heimischen Medien schon mal für - sagen wir - Unruhe sorgen. Und nun nehmen wir an, der Pilot filme die Aktion auch noch vom Flugzeug aus und stelle das Video ins Internet: Da gäbe es vermutlich Rücktrittsaufforderungen an den Verteidigungsminister.

Nun ja, dieses Szenario ist natürlich theoretisch - aber dazu mehr am Ende dieser Geschichte. Denn wie dem auch sei: Die kühlen Briten nehmen solche Sachen cooler - auch, weil dort große Teile des Staatsgebiets (abgesehen von Ballungsgebieten, Zonen um Flughäfen und AKW, etc,) als Tiefflugzonen gelten: Dort dürfen Militärflugzeuge in der Regel bis auf 250 Fuß (75 Meter) herunterkommen. Ein niedrig vorbeijagender Kampfjet sorgt bei den Briten seit jeher nur begrenzt für Aufsehen.

Ein Hit auf YouTube

Also macht dort und anderswo derzeit ein Film auf der Online-Plattform "YouTube" positive Furore, der aus dem Cockpit einer Typhoon der Royal Air Force gedreht wurde und zeigt, wie sie in teils unter 250 Fuß (75 Meter) Höhe über Wales und das englisch-schottische Grenzgebiet fliegt - mit 800 bis 900 Stundenkilometern.

Der sechs Minuten lange Film namens "Typhoon - a ride with the best" wurde von der RAF ursprünglich für das "Science Museum" in London gedreht und am 19. Jänner auf YouTube gestellt; seither wurde er mehr als 190.000 Mal (Stand Mittwoch Abend) angeklickt, der Link dazu befindet sich am Ende des Textes.

Bei der Aktion flogen zwei Typhoons der 29. Staffel der RAF - einer der Piloten war Flight Lieutenant Jamie Norris (33), ein "Display Pilot" (quasi ein Show-Pilot bzw. Aushängeschild) der RAF, der den Film auch moderiert. Basis der 29. Staffel ("No. 29 Squadron RAF") ist Coningsby in der Grafschaft Lincolnshire nahe Lincoln in Nordostengland (siehe Karte). Von dort aus ging's bei Königinnenwetter (Kaiserwetter kann man diesfalls nicht sagen) Richtung Westen in die Bergwelt von Zentral- und Nordwales, weiter nach Norden in den Lake District in der Grafschaft Cumbria an der Westküste des schottisch-englischen Grenzgebiets südlich von Carlisle und zurück Richtung Südosten zum Fliegerhorst.

Die Route dürfte etwa 700 bis 800 Kilometer lang gewesen sein und wurde großteils in mittleren Höhen zurückgelegt. "Richtig tief", um die 250 Fuß und weniger, wurde weitgehend nur über Wales und den Lake District geflogen, über grüne Täler und Gebirgsrippen, blaue Seen und graue Asphaltbänder von Landstraßen, über die vereinzelt Autos rollten.

Heiliger Boden für Luftfahrt-Fans

Die betreffenden Gebiete in Wales, der englisch-schottische Grenzraum sowie der Norden Schottlands sind überdies Zonen, wo die anderswo im UK zulässige Mindestflughöhe unterschritten werden kann: In diesen sogenannten "Tactical Training Areas" dürfen Jets wie die Typhoons oder Tornados der RAF sogar bis auf 100 Fuß (ca. 30 Meter) herunterkommen, für größere Flugzeuge wie die "Hercules"-Transporter gilt ein 150-Fuß-Limit. Die Karte zeigt die Tactical Training Area 7T in Wales:

Tactical Training Area 7T (rot)
Tactical Training Area 7T (rot)RAF

Daher verwundert es nicht, dass diese relativ dünn besiedelten Tactical Training Areas quasi zu Heiligen Orten für Luftfahrtfans geworden sind, insbesondere für Plane Spotter und Fotografen. Vor allem in den landschaftlich reizvollen Berggegenden von Wales und dem Lake District mit ihren schmalen Tälern sind die Manöver der RAF, aber auch von Fliegern anderer Nato-Verbündeter wie der Amerikaner und Franzosen nämlich extrem spektakulär, wie die entsprechenden Links am Ende des Textes beweisen.

Gewaltige Aufnahmen

Und was den Fotografen, die an den Hängen und Berggipfeln lauern, dabei für Bilder gelingen, ist ebenfalls erstaunlich: Mitunter sieht man den Piloten direkt in die Augen (siehe Link zu Fotos weiter unten).

Britischer Tornado:

Nicht gestellt! Blick ins Cockpit eines vorbeifliegenden Tornado F.3
Nicht gestellt! Blick ins Cockpit eines vorbeifliegenden Tornado F.3 Target Aviation Photography

Amerikanische F-15:

Amerikanische F-15
Amerikanische F-15 "Eagle"Target Aviation Photography

Altbewährter Hawk-Trainer:

"Hawk"-TrainerTarget Aviation Photography

Welch Rarität: ein "Vulcan"-Bomber aus dem Museum!

"Vulcan"-BomberTarget Aviation Photography

Auch schon ausgemustert: "Jaguar"-Erdkampfflieger

"Jaguar"Target Aviation Photography

Im Wissen um das große Publikumsinteresse betreibt die RAF sogar spezielle Informationsseiten im Internet sowie telefonische Hotlines, über die man von geplanten Flugmanövern in den Ultra-Tiefflugzonen lange im Voraus erfahren kann (siehe erneut Links am Ende des Textes).

RAF veröffentlicht Flugpläne im Voraus

Die Angaben sind zwar nicht auf den Kilometer genau oder können jede einzelne Geländefalte angeben, durch die geflogen werden wird (das kommt im Detail auf das Wetter, auf den Piloten und sonstige Umstände an). Allerdings gibt es in den Tactical Training Areas einige bekanntermaßen gern genützte "Flugzeug-Autobahnen": Etwa den "Mach-Loop" bzw. "Machynlleth Loop", eine kreisförmige Abfolge von Tälern in Zentralwales in der erwähnten Area 7T zwischen den Orten Dolgellau im Norden und Machynlleth im Süden (beim "Mach" in letzterem Ortsnamen klingt natürlich die Einheit für die Geschwindigkeit in der Luftfahrt an). Leider erkennt man den Ort selbst auf dem Ausschnitt der folgenden Karte, die die besten Aussichtsorte am Loop angibt, nicht, er lässt sich via Googlemaps aber finden:

Der
Der "Machloop"flickr

Die zu Beginn erwähnte No. 29 Squadron RAF ist übrigens eine der ältesten Kampfflugzeugstaffeln der Welt. Sie wurde im November 1915 als Einheit des Royal Flying Corps, des Vorläufers der RAF, gegründet.

Geschichte einer Fliegerstaffel

Ihre ersten Flugzeuge waren die "B.E.2.c" der Royal Aircraft Factory, das waren damals schon nicht mehr so recht konkurrenzfähige Doppeldecker, die gerade mal 120 bis 130 km/h schnell flogen und ein bis zwei MG sowie 100 Kilogramm Bomben tragen konnten; sie wurden noch im Lauf des Ersten Weltkriegs weitgehend ausgemustert. In diesem erzielte die Staffel (großteils mit neueren Flugzeugen wie der "Nieuport 17") 385 Luftsiege, laut RAF dienten mindestens 26 richtige "Fliegerasse" in der Staffel.

Eine
Eine "B.E.2.c" von No. 29 RAFRAF

No. 29 RAF flog seither unter anderem in der Schlacht um England 1940/41, später nach der Invasion über Frankreich und Deutschland und 1990/91 im Golfkrieg mit dem Irak. Ihre Ausstattung umfasste über die Zeiten unter anderem die Bristol "Beaufighter" (1940-43), Gloster "Meteor" (1951-58, Englands erstes Düsenflugzeug), Gloster "Javelin" (1957-67), die "Lightning" von English Electric (1967-74), die "Phantom" von McDonnell Douglas (1974-87) und den "Tornado" von Panavia (1987-98).

Ab 2003/05 wurde die Typhoon eingeführt, 115 von voraussichtlich 150 bis 160 Modellen wurden bisher ausgeliefert. 

Einige Maschinen von No. 29 RAF:

Bristol "Beaufighter"

Bristol Beaufighter
Bristol BeaufighterRAF

English Electric "Lightning"

English Electric
English Electric "Lightning"RAF

Mc Donnell Douglas "Phantom"

McDonnell Douglas
McDonnell Douglas "Phantom", 1975flickriver/DesertBlooms

Wie war das nochmal mit Österreich?

Übrigens: Wie war das nochmal mit Tiefflügen in Österreich? Laut Verteidigungsministerium wird die Tiefflug-Untergrenze hierzulande schon bei 150 Meter angesetzt - Düsenflugzeuge, konkret der Typhoon, dürfen diese also schon einmal gar nicht unterschreiten, weshalb das eingangs geschilderte Szenario ohne Notwendigkeit schon eine illegale Eigenmächtigkeit des Piloten wäre.

In der Regel kommen die Eurofighter des Bundesheers dieser Flughöhe (oder eher Flugtiefe?) außer bei Start und Landung nicht einmal nahe, denn das "typische Einsatzprofil" der Jets sehe das Abfangen von Flugobjekten in mittleren und großen Höhen vor, heißt es.

Zudem haben Österreichs Eurofighter auch praktisch keine Luft-Boden-Kampffähigkeit: Die heimischen Beschaffer bzw. Parteien und ein nachfolgend zufällig zuständiger Sportminister wollten damals keine "Eurobomber". Daraus folgt: "Tiefflüge mit den Eurofightern werden bei uns nicht einmal trainiert", heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Zusatz: "Auch wenn natürlich Laien einen Überflug in 200, 300 Metern Höhe gern schon für einen Tiefflug halten." 

>>> Plane-Spotter-Video 1 (puristisch)

>>> Plane-Spotter Video 2 (bombastisch)

>>> Schöne Fotosammlung

>>> Informationsseite der RAF in Wales

>>> Informationsseite der britischen Regierung

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