Fisch: Vom Katzenfutter zur Delikatesse

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Kleine Fische wie Laube, Barsch oder Rotauge galten früher als lästiger Beifang. Die beiden Köche Thomas Donleitner und Lukas Nagl vom Bootshaus am Traunsee haben die Katzenfische jetzt wiederentdeckt.

Thomas Donleitner spricht nicht gern von Katzenfischen. Immerhin ist die Vorstellung, dass jene Fische, die früher als minderwertig angesehen und deshalb der Hauskatze verfüttert wurden, jetzt in einem Haubenlokal serviert werden, nicht gerade verlockend. Wobei es schon stimmt, dass im Gourmetrestaurant Bootshaus im Hotel „Das Traunsee“ auch vergessene und kleinere Fische wie Laube, Barsch, Rotauge oder Riedling zubereitet werden. Es stimmt auch, dass diese Fische zum klassischen Beifang zählen, der auf der Suche nach Saibling, Karpfen und Co. lästigerweise mit ins Netz rutscht und dann – je nach Fischer – zurückgeworden oder eben den Haustieren verfüttert wird.

Aber minderwertig sind die Fische nicht, im Gegenteil. „Laube und Aalrutte haben einen besonders kräftigen Geschmack. Speziell die Laube ist schwieriger zu verarbeiten, weil sie eben so klein ist. Wenn man sie filetieren will, bleibt nicht viel übrig“, sagt Donleitner, der gemeinsam mit seinem Kollegen Lukas Nagl – der zuvor übrigens im Steirereck tätig war – die Küche im Bootshaus und im hauseigenen Hotelrestaurant leitet. Das Hotel selbst gibt es schon länger, genau genommen seit drei Generationen. Vor mehr als einem Jahr hat Hotelier Wolfgang Gröller aber etwas umgebaut und mit dem neuen Gourmetrestaurant Bootshaus auch das gastronomische Konzept adaptiert – inklusive des heute offenbar unverzichtbaren Leitsatzes: „Im Wandel der Werte“.


Gleiches Recht für Gemüse. Abgesehen davon, dass es eigentlich auch ohne solche Sprüche gehen sollte, dürften sich die zwei Küchenchefs wirklich darum bemühen, das Ganze etwas anders anzugehen, also Gemüse dem gleichen Stellenwert wie Fleisch und Fisch zu geben. Und bei Fisch eben darauf zu setzen, was der See hergibt – und nicht das, was der Gast, weil er es nicht anders kennt, verlangt. Auf Meeresfische wird hier komplett verzichtet.

Besonders stolz sind die beiden Köche auf den Riedling. „Den gibt es nämlich nur im Traunsee und im Baikalsee in Sibirien“, sagt Nagl. Hier kommen dem Riedling offenbar die Kälte und die Tiefe des Sees zugute. „Der Riedling gehört zu den Reinanken und ist etwas ganz Besonderes, auch wegen seiner kleinen Größe und der Bauchflosse, die eine gelbe Spitze statt einer schwarzen hat“, erklärt Donleitner. Und: Er ist jener Fisch, der in der Region traditionell als Stanglfisch zubereitet wird. „Bei uns heißt das Stanglfisch, nicht Steckerlfisch, er ist wirklich köstlich“, sagt Donleitner, der den Riedling trotz Tradition mittlerweile als „verkümmerte Sorte“ bezeichnet.


Weg vom Filet. Auch die Aalrutte, der einzige Dorsch im Süßwasser, die Laube oder die Reinanke, sozusagen der Brotfisch des Traunsees, werden im Bootshaus verarbeitet. Die Laube etwa ist ein typischer Katzenfisch, der früher nicht verarbeitet wurde, weil das zu aufwendig gewesen wäre. „Vor zehn, 15 Jahren wurden nur Portionsfische verlangt. Da wollte man nur Filets, weil die Köche damals das sonst nicht zubereiten konnten“, sagt Fischer Gerhard Friedl, der mittlerweile ebenfalls auf der Seeterrasse Platz genommen hat. Sein heutiger Fang: 20 Reinanken und rund 40 Riedlinge.

Der Fischer ist froh, dass ihm das Bootshaus den ganzen Fang und nicht nur spezielle Fische abnimmt. „Die zwei gehören zu den wenigen, die jeden Fang komplett verarbeiten, auch den Beifang wie Laube, Barsch oder Rotauge“, sagt er. Wie viel Beifang er denn pro Fang hat? „Je nach Tiefe und Wetter maximal zehn Prozent“, sagt er.

Aber zurück zur Laube, aus der sich eben kein Filet gewinnen lässt. „Das kann man vergessen, Laube und Barsch machen am meisten Arbeit, die haben die meisten Gräten und noch dazu Y-Gräten“, so Nagl. Deshalb werden die kleinen Fische einfach sauer eingelegt – durch die Säure werden die Gräten zerstört – und dann zum Beispiel mit Brombeer-Vinaigrette und Löwenzahn serviert.

Besonders kleine Fische werden hingegen zu Fischsoße verarbeitet, indem sie in Salz eingelegt werden. Etwa drei Monate haben sie dann Zeit, um im Glas zu fermentieren. „Das kennt man aus Thailand. Bei uns funktioniert das aber genauso. Die kleinen Fische fermentieren wie beim Sauerkraut durch Milchsäurebakterien“, so Nagl, der die so gewonnene Fischsoße gern als Salzersatz verwendet.


Die Leber der Aalrutte. Die Aalrutte wiederum ist größer. Meist so groß, dass es sich lohnt, die Innereien zu verarbeiten. „Schön langsam verwendet man auch wieder die einzelnen Teile. Die Leber hat man früher oft weggeworfen. Jene von der Aalrutte ist aber eine Spezialität. Wenn du die kostest, lässt du jede Gänseleber stehen“, sagt Friedl, der schon immer Hobbyfischer war und sich seit etwa zehn Jahren gemeinsam mit seiner Frau Christine komplett darauf konzentriert. Neben ihm greifen Nagl und Donleiter auch noch auf zwei weitere Traunseefischer zurück. Forellen und Saiblinge werden bei Bedarf auch von einem ortsansässigen Zuchtbetrieb geliefert.

Und auch im Mondsee und Attersee wird gefischt. Wobei jeder See so seine Spezialitäten haben dürfte. So kommt etwa der Karpfen häufig vom Mondsee. Der wird im Bootshaus gerne mit süßsaurem Kraut und Zitronenverbene, eingelegtem roten Paprika und Aperolsoße zubereitet. Zuletzt habe man gar einen zehn Kilogramm schweren Fang aus dem Mondsee bekommen. Nagl zückt sein Handy und zeigt stolz das Foto. „Das Fleisch war so dunkel wie beim Thunfisch und unglaublich gut.“

Saiblinge und Aale werden oft vom Attersee bezogen, Letzterer geräuchert und glaciert mit Wassermelone, Häuptelsalat und Mohn serviert. Bei der Reinanke schwören die Köche aber auf den Traunsee. „Der ist hier viel kräftiger und muskulöser als im Attersee. Ich darf das sagen, ich komm vom Attersee“, meint Nagl. Überhaupt dürften im Traunsee nicht nur die Kälte und Tiefe der Qualität der Fische zugutekommen. Auch die Vielfalt der Fischarten und somit der Kampf um das Überleben sorgt dafür. „Der Karpfen vom Traunsee ist ja berühmt. Der ist so gut, weil er von klein auf gejagt wird“, sagt Fischer Friedl, der kurz ins Schwärmen über den frischen Wildfang gerät, um dann aber auch das Jammern nicht zu vergessen.

„Die quälen uns, schreiben Sie das! Wir fischen immer zu wenig, so viel wie die haben wollen, können wir gar nicht fischen“, sagt er, trinkt kurz von seinem Eiskaffee und setzt wieder an: Überhaupt sei es jedes Jahr das Gleiche. Im Mai, wenn die ersten Urlauber kommen, wollen alle frische Fische aus dem See essen. „Da gibt es aber nicht viel, weil die Fische noch zu weit unten sind.“ Im September und Oktober sei hingegen Hochsaison, da sind die Netze meist richtig voll, die Urlauber wegen der fehlenden Badetemperatur aber wieder dahin.

Gefischt wird, bis auf die Schonzeiten von Ende Oktober bis Mitte Dezember, das ganze Jahr über. Wobei auch hier jeder Fischer seine Eigenheiten hat. Im Attersee etwa orientieren sich manche Fischer an den Mondphasen. „Wenn Vollmond ist, wird nicht gefischt, weil die Netze den Mond reflektieren und die Fische sie dann sehen. Jeder, wie er meint“, sagt Friedl. Er selbst wirft abends seine Netze aus, um sie in der Früh wieder einzuholen. Wie viel er im Schnitt fängt, will er nicht sagen. Nur so viel: „Zu wenig.“


Störe im Traunsee dank Hochwasser. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie etwa beim letzten Hochwasser, bei dem plötzlich besonders viele Karpfen, speziell im Mondsee, gefangen wurden. Und auch andere Exemplare. „Da waren sogar zwei Störe im Traunsee“, erinnert sich Donleitner. Wobei die Herkunft leicht erklärt ist: „Ein Kollege hat am Attersee eine Zucht mit circa 500 Stören, die sind ihm entwischt. Er hat sie aber wiederbekommen“, sagt Dornleitner, um dann noch ein bisschen über das Gemüse zu plaudern. Da sehe er nämlich noch den meisten Aufholbedarf. „Mit Gemüse sind wir im Salzkammergut leider nicht so gut aufgestellt. Das ist eine wirtschaftliche Nische.“

Auch darum wollen sich die beiden in nächster Zeit verstärkt kümmern. „Die Artischocke zum Beispiel ist ja die Königin des Gemüses. Sie servieren wir mit Orangenblüten und Haselnüssen. Und wir arbeiten auch viel mit alten Getreidesorten wie Emmer oder Nackthafer“, sagt Nagl, der auch ein komplett vegetarisches Menü auf die Karte genommen hat – inklusive Brunnenkressesuppe mit Wurzelgemüse, geschöpftem Rahm und Kren oder Brennnessel-Germknödel mit Buchenraslingen und Kirschen.

Der Fischer Friedl hört sich die Huldigung des Gemüses an. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er das nicht unbedingt haben muss. Er hält kurz inne, lächelt dann aber erleichtert. Immerhin muss er all das Gemüse nicht aus dem See fischen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2013)

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