

6 Land am Strom
Europa unddie
E-Wirtschaft
Der österreichische
Strommarkt ist eng mit
der EU verwoben. Ein
Überblick.
Die Regeln
Binnenmarkt
Ein EU-weiter Strombinnenmarkt ist eines der wichtigsten Ziele
der europäischen Energiepolitik. Seit Beginn der 1990er-Jahre
geht die Stromindustrie in Europa deshalb durch einen
umfassenden Liberalisierungsprozess mit den Kernthemen
Deregulierung, Wettbewerb und Harmonisierung.
Marktzugang
Damit der Stromhandel fair abläuft, wurden umfangreiche
Transparenzvorschriften erlassen. Sie betreffen beispielsweise
den Kraftwerkseinsatz, den Stromhandel oder Kapazitätsreserven.
Unbundling
Als zentrales Element der Verwirklichung des Energiebinnen-
marktes galt und gilt nach wie vor das sogenannte Unbundling,
also die Trennung des Netzbetriebs von den übrigen Unter-
nehmensbereichen Erzeugung sowie Handel und Vertrieb der
vormals „integrierten“ Energieversorger. Weil das Unbundling
festlegt, dass Netzgesellschaften eigenständig zu betreiben
sind und allen Anbietern zu gleichen Bedingungen offenstehen
müssen, konnte der Strommarkt zu einemWettbewerbsmarkt
werden. Neue Lieferanten bekamen Zugang zumNetz und
erhielten damit die Möglichkeit, Energiekunden zu versorgen.
Seit 2014 wird das Vorhaben zur Vollendung des europäischen
Energiebinnenmarktes unter dem Titel Energieunion forciert. Die
bisher neuesten Vorschläge präsentierte die EU-Kommission im
November 2016.
Marktintegration
Damit Wettbewerb amStrommarkt funktioniert, war es
notwendig, liquide Großhandelsmärkte zu schaffen. Es entstanden
verpflichtende Stromhandelsplattformen und auch eine Vielzahl
von Strombörsen. Weil die Regionen Europas historisch noch nicht
ausreichendmit Leitungen zu einemBinnenmarkt verbunden sind,
wurden Teilmärkte definiert, die über den Bau neuer Hoch-
spannungsverbindungen nach und nach zusammenwachsen
sollen. Aktuell drohen jedoch neueMarktengpässe, beispielsweise
zwischen Deutschland undÖsterreich.
Förderungen
Wettbewerbsgleichheit ist imBinnenmarkt ein hohes Gut. Das
bedeutet, dass die EU-Kommission darauf achtet, dass der Markt
nicht durch Förderungen oder andere Maßnahmen verzerrt
wird. Förderungen sind genehmigungspflichtig und müssen
bestimmte Regeln beachten. So gibt es aktuell Richtlinien
für staatliche Energie- und Umweltbeihilfen, also auch für die
Ökostromförderung, an die sich ein neues österreichisches
Ökostromgesetz, das für Herbst 2017 geplant ist, halten muss.
Die Akteure
Die Europäische Kommission
Die Europäische Kommission vertritt und wahrt
die Interessen der gesamten EU. Die Kommission
erarbeitet Vorschläge für neue europäische Rechts-
vorschriften, die sie demParlament und demRat
vorlegt. Die laufenden Arbeiten der Kommission
werden von den Generaldirektionen (GDs) ausge-
führt, die jeweils einen bestimmten Politikbereich
abdecken. Besonders wichtig für die E-Wirtschaft,
die GD Energie und GD Klima, GD Umwelt sowie
die GDWettbewerb. Sie ist auch die Exekutive der
EU, d. h. sie ist für die Umsetzung der Beschlüsse
des Parlaments und des Rates verantwortlich. Dies
bedeutet, dass sie das Tagesgeschäft der Euro-
päischen Union führt: Umsetzung der politischen
Maßnahmen, Durchführung der Programme und
Verwaltung der Mittel.
ACER
Die Agentur für die Zusammenarbeit der Energie-
regulierungsbehörden (ACER) wurde gegründet,
um die Verwirklichung des Energiebinnenmarkts für
Elektrizität und Erdgas voranzutreiben. ACER spielt
eine zentrale Rolle bei der Entwicklung EU-weiter
Netz- und Marktregeln und koordiniert die regionalen
und überregionalen Initiativen, mit denen die Markt-
integration gefördert wird. Sie überwacht die Arbeit
des Europäischen Verbands der Übertragungsnetz-
betreiber (ENTSO) und insbesondere die EU-weiten
Netzentwicklungspläne. Schließlich überwacht die
ACER das Funktionieren des Elektrizitäts- und des
Erdgasbinnenmarkts imAllgemeinen sowie des
Energiegroßhandels imBesonderen.
EURELECTRIC
Die Vereinigung der europäischen Elektrizitätswirt-
schaft repräsentiert die Interessen der Branche
auf europäischer Ebene und auch auf anderen
Kontinenten. Aktuell gibt es 34 ordentliche Mitglieds-
organisationen, die die E-Wirtschaft in insgesamt
32 europäischen Ländern repräsentieren. Arbeits-
gruppen von EURELECTRIC gibt es zu einer Vielzahl
vonThemen der E-Wirtschaft, österreichischer
Vertreter imBoard ist Verbund-Vorstandsvorsit-
zender Wolfgang Anzengruber.
ENTSO-E
ImVerband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber
(kurz ENTSO-E, von englisch European Network of
Transmission SystemOperators for Electricity), haben
sich die europäischen Übertragungsnetzbetreiber
organisiert. Österreich ist durch die APG AG vertreten.
Die ENTSO-E formuliert die Regeln für den Betrieb
des Netzes (sogenannte Netzkodizes) neu. 2014
legte die ENTSO-E Pläne für einen insgesamt 50.000
neue Leitungskilometer umfassenden Netzausbau im
Höchstspannungsnetz bis 2030 in Europa vor.
EuGH
Der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg
ist das oberste rechtsprechende Organ der Euro-
päischen Union. Zu den Aufgaben des EuGH zählt
insbesondere, die einheitliche Auslegung des Rechts
der Europäischen Union sowie der Europäischen
Atomgemeinschaft zu gewährleisten. Beim EuGH
selbst sind direkte Klagen nur in bestimmten Fällen
möglich. Die Zuständigkeit ist abhängig vomRechts-
mittel und der jeweiligen Instanz des Gerichts.
Strombörsen
Strom- und Stromterminbörsen wurden eingerichtet,
um, wie andere Börsen auch, den Abschluss von
Verträgen zu marktgerechten Preisen zu ermöglichen
bzw. zu erleichtern. Strom aus Österreich, Frankreich
und Deutschland wird an der Strombörse EEX (Euro-
pean Energy Exchange) in Leipzig gehandelt, Strom
aus fünf skandinavischen Ländern an der Börse
Nord Pool. Spanien und Portugal, Tschechien, die
Slowakei haben eine Börse; ebenso Ungarn, Italien
und Slowenien. Großbritannien und Irland handeln
ihren Strom bisher rein national. In Österreich gibt
es auch die Energy Exchange Austria (EXAA) als
organisierten Marktplatz für Stromkontrakte.