Kindergeld: Deutsche Hilfe für Kern und Kurz

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Österreich wollte Kürzungen für EU-Ausländer, deren Kinder im Heimatland leben, setzte sich aber in Brüssel nicht durch. Doch jetzt kommt Unterstützung aus Berlin.

Berlin. Auf die schlechte Nachricht aus Brüssel folgte eine gute aus Berlin – zumindest für die österreichischen Regierung: SPD-Chef Sigmar Gabriel ist der Meinung, dass das Kindergeld (die deutsche Familienbeihilfe) für EU-Ausländer in einigen Fällen gekürzt werden sollte. „Wenn ein Kind nicht bei uns lebt, sondern in seinem Heimatland, sollte auch das Kindergeld auf dem Niveau des Heimatlandes ausgezahlt werden“, sagte er am Wochenende der Funke-Mediengruppe.

Das Timing passte. Erst in der Vorwoche hatte die EU-Kommission den Antrag Österreichs, das Kindergeld an die Lebenserhaltungskosten im jeweiligen Land anzupassen, abgelehnt. Die Idee stammt ursprünglich von den Briten, wird Brexit-bedingt jetzt aber von Wien aus betrieben. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) war der Erste, der sich dafür eingesetzte. Seit Christian Kern Kanzler ist, möchte das auch die SPÖ.

Gabriels Worte werden Kern und Kurz also gern gehört haben. Es gebe in Europa ein Recht auf Zuwanderung in Arbeit, aber kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit, argumentierte der Vizekanzler. In manchen Großstädten Deutschlands existierten ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen Migranten nur aus einem Grund wohnten: „Weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen.“

Vorboten des Wahlkampfs?

Die Oppositionsparteien, also Linke und Grüne, waren empört. Man fragte sich außerdem, ob das bereits die ersten Vorboten der Bundestagswahl 2017 waren? Gabriel will im Jänner bekannt geben, ob er SPD-Spitzenkandidat wird. Und dieser Vorstoß klang eher nicht danach, als würde er Martin Schulz, dem scheidenden EU-Parlamentspräsidenten, den Vortritt lassen.

Innerhalb der deutschen Bundesregierung herrscht damit jedenfalls Einigkeit. Auch die Union möchte das Kindergeld auf Heimatlandniveau kürzen, hat aber noch keinen konkreten Vorschlag unterbreitet. Finanzminister Wolfgang Schäuble ließ Gabriel ausrichten, dass man die Entscheidung der EU-Kommission bedaure und überlege, „welche Möglichkeiten das Europarecht lässt, dennoch zu einer Änderung zu kommen“. EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte dem Anliegen eine Absage erteilt. „Nach geltender Gesetzgebung ist das nicht zulässig“, meinte sie vergangene Woche.

Von den 32 Milliarden Euro, die Deutschland laut „Bild“ heuer zwischen Jänner und Dezember an Kindergeld ausbezahlt hat, gingen 5,9 Milliarden ins EU-Ausland. Österreich überweist – nach Berechnungen von Familienministerin Sophie Karmasin – jährlich 250 Millionen Euro, am meisten nach Ungarn, in die Slowakei und nach Polen. Karmasin will die Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder auf Heimatlandniveau nun in einer „Koalition der Willigen“ innerhalb der EU weiter verfolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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