"Barbier von Sevilla": Ein Spaß bis ins kleinste Detail

(c) AP (Stephan Trierenberg)
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Volksoper. Mit einem neuen „Barbier von Sevilla“ ergänzt man das Wiener Repertoire um die dringend nötige Möglichkeit, ein Meisterwerk auf Deutsch kennenzulernen.

Rossini, deutsch? Unbedingt! Die Premiere des „Barbier von Sevilla“ an der Volksoper bewies wieder einmal schlagend, dass die weltweite Tendenz, prinzipiell nur noch in Originalsprache singen zu wollen, künstlich hochgespielt ist. Wie bei den Da-Ponte-Opern Mozarts, die für Einsteiger unbedingt in der Landessprache verfügbar sein müssen, ist auch bei Rossinis Meisterstück nicht nur die Erstbegegnung in dieser Form empfehlenswert – und amüsant.

Man hat Günther Rennerts Übersetzung, die seinerzeit unter Karl Böhms Leistung auch in der Staatsoper Verwendung fand, behutsam modernisiert. Auch Regisseur Josef Ernst Köpplinger versucht eine Zeitreise: Der „Barbier“ spielt in der Ära der faschistischen Diktatur. Man erkennt es an manchen Versatzstücken und an den Kostümen. Auch spielt das Bild des Generalissimus Franco eine Rolle im hektischen Treiben. Doch die Charaktere, die sich aus dem ungebremsten Bewegungsspiel der Inszenierung abheben, sind die altvertrauten, ewig liebenswerten. Köpplinger verzichtet – anders als die zeitliche Transposition vermuten ließe – auf jegliche Holzhammer-Politisierung, setzt lediglich auf Holzhammer-Posse, erfindet Personen und Running Gags in Fülle, so dass es nicht immer leicht ist, in dem Ballett der Regieeinfälle die Handlungsfäden der Rossini-Oper auszumachen.

Charmanter Figaro – durch Zufall!

Doch sind nicht nur die Komparsen, sondern auch die Hauptdarsteller kräftig bewegt, bringen Menschen aus Fleisch und Blut auf die Bühne und machen die Archetypen unserer Leidenschaften, Sehnsüchte und Schwächen lebendig. In Wahrheit gelang da ein mit hunderten Zutaten garniertes Remake der handwerklich perfekten alten Rennert-Inszenierung – selbst die Wendeltreppe des Bühnenbilds hat man übernommen, wenn auch für die von optischer Reizüberflutung betäubte Generation des Videozeitalters zitathaft vervielfacht.

Wie einst die junge Edita Gruberova wirbelt nun unsere Zukunftshoffnung Daniela Fally tirilierend durch Türen, Gänge und Stiegenhäuser, glänzend in Stimme und Spiel, frech, kokett und in manchen Passagen sogar schon selbstironisch, was die Kollegenschaft fordert und anspornt. Daniel Schmutzhard vor allem, der als Figaro einsprang und mit Charme und unbändigem Bühnentemperament das Publikum im Sturm für sich einnahm. Ein paar nervositätsbedingt schwächelnde Höhen abgezogen, punktet er mit Verve und schönem Baritonklang. Arbeitet er noch an geschmeidiger Linienführung, wird er demnächst ein unfehlbarer Interpret sein. Mit 24 gelang ihm jedenfalls ein herzhafter Einstand.

Ferdinand von Bothmers Graf setzt dem Barbier die nötige Noblesse – und imposante Spitzentöne entgegen, Lars Woldts Bartolo bewältigt mit kraftvoller Stimme sogar die auf Deutsch wirklich zungenbrecherischen Parlando-Passagen mit Witz.

Fanatische Detailarbeit

Sorin Coliban als Basilio und Sulie Girardi als Berta (inklusive Arie!) fügen sich willig in die komödiantischen Bewegungsabläufe, in denen der Ambrosio Robert Hollmanns von Gnaden der pointenversessenen Regie fast umkommt: Keine Tür, die er nicht auf die Nase bekäme, keine Treppe, über die er nicht fiele, kein Sprengsatz, der nicht über seinem Kopf explodierte.

Und das, während Karel Mark Chichon am Pult des engagiert aufspielenden Orchesters aus Pianissimotupfern heraus das Crescendo von Rossinis Gewittermusik wachsen lässt. Musikalisch ist diese Produktion liebevoll und bis ins Detail modelliert. Man hört das bereits an den Rubati, die sich Chichon in der Ouvertüre leistet. Sie würden bei weniger genauer Vorbereitung ins Chaos führen, demonstrieren hier aber, dass die Volksopern-Musiker endlich wieder einmal zu jenem Grenzgängertum geführt wurden, das der Oper, der Komödie gar, überhaupt erst ihren Erlebniswert sichert. Siehe auch S. 18

VOLKSOPER: „Der Barbier“

Dirigent: Karel Mark Chichon

Regie: Josef Ernst Köpplinger

Besetzung: F. v. Bothmer (Almaviva), Daniela Fally (Rosina)Daniel Schmutzhad (Figaro), Sorin Colbran (Basilio), Lars Woldt (Bartolo), Sulie Girard (Berta)

Aufführungen: 2., 9. Mai, 12., 15., 23 Juni

Gesungen wird in deutscher Sprache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2008)

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