Ukraine: Eurovision Song Contest in Turbulenzen

„Celebrate Diversity“: So lautet der Slogan des diesjährigen Eurovision Song Contest in der Ukraine.
„Celebrate Diversity“: So lautet der Slogan des diesjährigen Eurovision Song Contest in der Ukraine.(c) APA/AFP/SERGEI SUPINSKY
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In wenigen Wochen soll in Kiew die größte Musikshow der Welt stattfinden. Doch personelle und finanzielle Probleme setzen den Veranstaltern zu.

Kiew/Wien. Schließlich schaltete sich sogar der Premierminister ein und gab seine persönliche Zusicherung: Der Eurovision Song Contest 2017 (ESC) werde wie geplant Mitte Mai in der ukrainischen Hauptstadt Kiew über die Bühne gehen. Die Vorbereitungen liefen „ordentlich“ und die Abhaltung der Großveranstaltung sei „durch nichts gefährdet“, versuchte der Regierungschef des Krisenlandes, Volodymyr Groysman, vergangene Woche die immer lauter werdende Kritik an der Organisation einzudämmen.

Tatsächlich laufen die Vorbereitungen für das Megaevent alles andere als rund. Zuletzt reichten 21 Verantwortliche in Top-Positionen ihren Rücktritt beim ukrainischen Fernsehen ein. Der Grund: Sie fühlten sich in ihrer Arbeit blockiert. Dem Vize-Chef des staatlichen Fernsehens warfen sie vor, wichtige Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben, Ausschreibungen zu verhindern und allgemein viel zu intransparent zu agieren.

Sie sahen sich in der Einhaltung ihres Zeitplans massiv behindert. Das staatliche Fernsehen ist seit dem Massenrücktritt unermüdlich mit Beteuerung befasst, dass die ESC-Ausstrahlung mit weit mehr 100 Millionen Zusehern in ganz Europa nicht gefährdet sei. Vor allem die Europäische Rundfunkunion – ESC ist eines ihrer größten Projekte – meldete Bedenken an. Die jüngsten Abgänge sind allerdings nicht die ersten personellen Veränderungen: Erst im Dezember hatte der Chef des TV-Senders seinen Posten geräumt, unter anderem deswegen, weil er Zweifel daran hatte, dass die Ukraine die Kosten für das Riesenevent stemmen könne.

In Summe werden die Aufwendungen für die Abhaltung eines ESC meist mit rund 25 Millionen Euro kalkuliert – ein Betrag, der für das krisen- und kriegsgeschüttelte Land eine Herausforderung bedeutet. Zudem hatte sich der TV-Chef mit der mächtigen Orthodoxen Kirche angelegt. Die Eröffnungsshow soll nämlich im Komplex der Sophienkathedrale stattfinden, was Kirchenvertretern nicht gefiel.

So vergrault man Fans

Als hätten die Organisatoren nicht ohnehin bereits genug Probleme, schafften sie es auch noch, eingefleischte ESC-Fans zu vergraulen. Sie reisen aus ganz Europa zum Bewerb an, sorgen für gut gefüllte Veranstaltungshallen und für ausgebuchte Hotels. Üblicherweise werden für sie spezielle Ticket-Packages angeboten, die Eintritte für mehrere ESC-Veranstaltungen beinhalten. Mit der Bekanntgabe, auf solche Packages zu verzichten, sorgte Kiew für einen Aufschrei innerhalb der Fangemeinde.

Kurz bevor der offizielle Ticketverkauf startete, legten die Organisatoren dann doch noch knapp 2000 Karten für die offiziellen Fanclubs zur Seite. In Online-Foren meldeten sich viele zu Wort, die zwar Eintrittskarten bestellt und bezahlt hatten, jedoch auch eine Woche danach noch immer keine Bestätigung oder die Onlinetickets erhalten hatten. Auch die Unterkünfte scheinen rar zu sein: Offenbar hoffen Hoteleigentümer oder Privatvermieter, höhere Preise erzielen zu können, wenn sie ihre Zimmer erst in letzter Minute anbieten.

Russland-kritisches Lied gewinnt

Aller Kritik zum Trotz: In der Ukraine scheint man sich auf das große Ereignis zu freuen, das nach 2005 bereits zum zweiten Mal in Kiew abgehalten wird. Die Freude war groß, als im Vorjahr die Sängerin Jamal mit dem dramatisch inszenierten Song „1944“ über die Deportation der Krimtartaren in Stockholm zur Siegerin gekürt wurde. Trotz oder gerade wegen der Kritik an Russland – das seit 2014 prorussische Separatisten im Kampf gegen Regierungstruppen im Osten des Landes unterstützt. (zoe)

Fakten

Eurovision Song Contest. Jedes Jahr im Mai findet der Eurovision Song Contest statt, die größte Musikshow der Welt. Veranstaltet wird der Wettbewerb seit dem Jahr 1956 von der Europäischen Rundfunkunion (EBU), rund 150 Millionen Menschen sehen zu. Die Großveranstaltung findet im Land des Vorjahressiegers statt, die Vorentscheidungen und einzelnen Bewerbe ziehen sich meist über eine Woche. Im Jahr 2015 war Wien der Austragungsort, nachdem Conchita Wurst 2014 gewonnen hatte. Heuer geht für Österreich der Sänger Nathan Trent ins Rennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2017)

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