Pop

Soul-Hypnotiseur mit Schlurffaktor

Lee Fields & The Expressions entzückten im Wiener Lokal Chaya Fuera mit Stecktüchern, Schlangenhautsakkos und warmherzigem Soul der alten Schule.

Herrlich! Die Musiker auf der Bühne schauten so zwider, wie es sonst nur eine All-Star-Band von Wiener Kaffeehauskellnern könnte. Ihre Schlangenhautsakkos hatten das gewisse Glanzerl, die synchronisierten Bewegungen wirkten trotz Jugend routiniert anlassig. Der Schlurffaktor stimmte also. An der Spielzeugorgel saß Toby Pazner, eines der Asse von Daptone Records, dem Brooklyner Retro-Soul-Label, das der Welt Sharon Jones und The Frightnrs schenkte. Pazner brachte dort kürzlich unter dem Namen The Olympians ein Soulalbum ohne Vokalisten heraus, das in puncto Sublimität nahtlos an die gewitzt arrangierten Isaac-Hayes-Instrumentals der Siebzigerjahre anschließt.

Während sich der Sänger des Abends, der große Lee Fields, in der Garderobe noch das rote Stecktuch richtete, eröffnete die selbstverständlich nur optisch der Griesgrämigkeit zuneigende Kombo mit weltumarmenden Klängen. „Mars“, eine dramatische Toby-Pazner-Komposition mit batzweichen Bläsersätzen und allerlei Harfengezirpe dehnte den Herzmuskel für das Kommende.

Lee Fields, der vielleicht letzte Soulsänger alter Schule, schaute sich in den späten Sechzigerjahren, als er im Vorprogramm von O. V. Wright durch die USA tourte, viel von diesem Großen ab. Die dramatischen Pausen etwa und die sparsamen, aber ungemein eleganten Tanzbewegungen.

Rüde, aber zärtlich

Im Opener „I'm Coming Home“ zelebrierte Fields wortreich die lang ersehnte Heimkehr zur Liebsten. Gemeinhin ist das Schöne ja licht und zart, im Soul aber kann es finster, rau und ungehobelt sein. Wie Fields rüder Gesang, der erwartungsgemäß nichts als Zärtlichkeit abstrahlte. Und zwar eine, die noch die existenziell zerzaustesten Hörer in stabile Seitenlage bringt. Das zart groovende „Just Can't Win“ war ideales Vehikel für Fields altruistische Absichten. Da groovte zudem die Hammondorgel Pazners haltlos, und der ernste Gitarrist verwöhnte mit schönsten Gegenmelodien.

Von besonderer Statur war „Faithful Man“, ein Lied, das die Ambivalenz der Liebe anklagte. „I always was a faithful man until you came along“, hieß es da. Das Amouröse wurde hier als Schmoren in der Vorhölle gezeichnet. Und doch war es keine Anklage. Fields interpretierte das Leid schlicht als bittersüßes Fatum. Er kennt aber auch die Erfüllung. In „Special Night“ schwärmte er von den Wonnen unverbrüchlicher Zweisamkeit. Wenn es um allgemeine Weltverbesserung ging, wurde es wilder. „Make the World“ etwa wurde als knochenharter Funk à la James Brown serviert. Zum Highlight des Abends wurde die Zugabe. Das sparsam, aber pointiert instrumentierte „Honey Dove“ brachte amouröses Bedauern schmerzvoll auf den Punkt. Gern hätte man Lee Fields da mit einer anderen Soulweisheit getröstet: „Memories don't leave like people do.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2017)

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