"Man muss richtig viel verkaufen"

Andrea Lunzer
Andrea LunzerDie Presse
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Das Konzept des verpackungsfreien Supermarkts sucht noch seinen Platz.

Die Ersten müssen bekanntlich am härtesten kämpfen, wenn sie mit einer neuen Idee den Markt abstecken, vorbereiten, ausprobieren. Georg Dominguez ist der Erste, der in Tirol ein verpackungsfreies Supermarkt-Konzept gestartet hat. Vor gut einem Jahr hat er Liebe & Lose eröffnet, ein besonders charmantes Eck der Innsbrucker Markthalle. Verkauft werden Überschussobst und -gemüse aus der Region, Mehl, Milch, Zahnpasta in Tablettenform, umweltfreundliche Kondome, Strohhalme. Und wer keine eigenen Gebinde mitbringt, kann sie vor Ort kaufen. Was an Frischwaren am Ende des Tages liegen bleibt, wird verkocht, gleich verkauft oder via Fahrrad an Kindergärten, Schulen und Gastronomie ausgeliefert.

Eine Idee, die im vergangenen Jahr mit der Hilfe von über 1000 Unterstützern auf Start-Next mittels Crowdfunding umgesetzt wurde. Schwarmfinanzierung ist ein gutes Mittel, um seine Kunden von Beginn an einzubeziehen. Bei Liebe & Lose ist dann aber etwas Ähnliches passiert wie in Linz. Dort ging der erste verpackungsfreie Supermarkt Oberösterreichs, Holis, elf Monate nach der Eröffnung pleite. Schuld daran war ein schwieriger Standort und zu hohe Kosten bei zu geringen Einnahmen. Auch Liebe & Lose kam im ersten Jahr finanziell ins Wanken. Das Interesse ist da, der Sinn überdeutlich, aber trotzdem steht das neue Supermarktkonzept noch in einer Nische. Vier Monate lang hat Dominguez, der nebenbei seine Cateringfirma weiterführte, das Konkursverfahren durchlaufen. Sein einziger Gedanke galt dem zweiten Anlauf. „Ich übernehme jetzt als Einzelperson alle Jobs, nur meine Freundin hält mir das operative Geschäft vom Leib. Das Konkursverfahren hat uns circa ein Jahr an Möglichkeiten gekostet.“ Jetzt macht er weiter, das oberste Ziel sind weitere Filialen.

Konkurrenten an jeder Ecke

Andrea Lunzer hat als Erste in Österreich ihre Maß-Greißlerei in der Nähe des Wiener Pratersterns aufgesperrt. Das Sortiment hat sich seit 2014 vergrößert, mittlerweile gibt es auf Wunsch der Kundschaft auch Shampoo und Duschgel zum Zapfen. Lunzer sieht, dass es eine wachsende Zahl an Konsumenten satt hat, mit jedem Einkauf Müll zu produzieren. Dass man es als alternativer Anbieter nicht ganz leicht hat, weiß sie aber auch. „Man kann sich als kleines Unternehmen kaum Angestellte leisten, da die Lohnnebenkosten so hoch sind. Und man muss richtig viel verkaufen, damit am Ende des Jahres noch etwas übrig bleibt.“ Nicht zu unterschätzen sei natürlich auch der klassische Lebensmitteleinzelhandel. „Es gibt an jeder Ecke Supermärkte, die ein Vielfaches der Produkte anbieten und weit höhere Margen erzielen können.“

Mittlerweile hat Lunzers festen Boden unter den Füßen: „Wir schreiben schwarze Zahlen. Es ist jedes Jahr noch besser geworden. Aber ich muss gestehen, dass ich mehr verdient habe, als ich noch angestellt war.“ An diesem Punkt geht sich für die Akteure der Bewegung eines vielleicht nicht mehr aus: Zero Waste bedeutet nicht nur, die Ressourcen der Umwelt zu schonen, sondern auch die eigenen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2016)

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