Bald mehr Erhaltungspflichten für Vermieter?

(c) FABRY Clemens
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Künftig soll im gemeinnützigen Bereich der Vermieter die prinzipielle Erhaltungspflicht fürs Innere der Wohnung tragen - bis hin zum Erneuern kaputter Fliesen. Private Hauseigentümer fürchten, auf sie könnte Ähnliches zukommen.

Wien. Österreich soll 2016 nicht nur eine Wohnbau-Investitionsbank bekommen, auch beim Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) stehen Änderungen ins Haus. Unter anderem bei den Erhaltungspflichten: Bei Genossenschaftswohnungen soll die prinzipielle Erhaltungspflicht künftig beim Vermieter liegen – und zwar auch für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und inklusive Bodenbelag, Fliesen, Malerei und Tapeten. Sind sie unbrauchbar geworden, soll der Vermieter sie erneuern müssen. Nur um die Beleuchtungsmittel muss der Mieter sich selbst kümmern.

Die Neuregelung beseitigt Graubereiche, bringt aber auch neue Streitthemen. Etwa darüber, wann Fliesen oder Tapeten wirklich unbrauchbar sind und wann bloß nicht mehr schön (im zweiten Fall müsste der Mieter eine Erneuerung selbst zahlen). Der Verein Mieter informieren Mieter wirft sogar die Frage auf, wer denn künftig die Tapeten aussuchen oder beim Ausmalen die Farbe bestimmen darf. Und kommt zum Schluss, in diesem Punkt sei die geplante Regelung überschießend: Die Oberflächengestaltung von Wand und Decke solle lieber nicht dem Vermieter übertragen werden, heißt es in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf.

Noch einen Aspekt bringt der Verein ins Spiel: Bis jetzt sind die Erhaltungspflichten für die Vermieter im Mietrechtsgesetz (MRG) und im gemeinnützigen Bereich weitgehend gleichartig geregelt. Durch die Neuregelung wäre es damit vorbei. Der Erhaltungsbegriff im Wohnrecht würde künftig noch mehr zersplittert, gibt der Verein zu bedenken. Es sei denn, es käme auch im MRG zu einer ähnlichen Neuregelung.

Genau davor fürchten sich private Vermieter bereits – dass nämlich auch ihnen bald mehr Erhaltungspflichten zwingend aufgebürdet werden könnten. Für das MRG gibt es ja ebenfalls seit Langem Reformpläne. „Und viele Ideen, die herumschwirren, würden Vermieten nicht attraktiver machen, sondern das Gegenteil bewirken“, warnt Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbunds.

„Faktische Mietzinskürzungen“

Es gehe da nicht nur um die umstrittenen Mietzinsobergrenzen, sondern auch um steuerliche Themen, etwa Überlegungen, die Geltendmachung von Betriebsausgaben einzuschränken. Und eben auch um die Erhaltungskosten. „Mehrbelastungen für Vermieter ergeben faktisch Mietzinskürzungen bei bestehenden Verträgen“, sagt Prunbauer. Auch bei Neuverträgen sei, wenn Richtwerte gelten, der Spielraum für Anpassungen gering. Prunbauer plädiert, ganz im Gegenteil, für „mehr Markt“: Für Altmietverträge solle es Anpassungsmöglichkeiten geben („andere Länder haben das geschafft“), auch das generelle Verbot, in Wiener Gründerzeitvierteln einen Lagezuschlag auf den Richtwert einzuheben, solle fallen. Unbefristete Mietverträge sollten aus seiner Sicht für Vermieter leichter kündbar werden, heute seien sie de facto Zwangsdauerschuldverhältnisse (womöglich über Generationen, wenn es Eintrittsberechtigte gibt).

Auch die soziale Treffsicherheit so mancher Schutzbestimmung zweifelt Prunbauer an: So kann etwa, wenn „nicht privilegierte Eintrittsberechtigte“ (z. B. volljährige Kinder) in einen Mietvertrag eintreten, der Richtwertmietzins zwar angehoben werden, ist aber mit der Obergrenze der Kategorie A gedeckelt. Am meisten profitiert man davon bei teuren Wohnungen.

Einkommensschwache Mieter könne man im privaten Bereich besser durch Subjektförderungen unterstützen, meint Prunbauer. Im sozialen Wohnbau schwebt ihm ein Modell vor, bei dem die Miethöhe je nach Einkommen angepasst wird: Wer es sich leisten kann, zahlt Marktpreise, wer nicht, bekommt einen Nachlass. Auch bei bestehenden Verträgen könnte sich der Mietpreis dann immer wieder ändern: „Als Student, als Pensionist oder wenn man arbeitslos ist, zahlt man weniger, als gut verdienender Berufstätiger mehr.“

Betreffen würde das viele: Laut einer ÖVI-Studie beziehen 47 Prozent der Mieter von Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen ein Einkommen über 180 Prozent des Medianeinkommens. Dagegen gehören 51 Prozent der Mieter auf dem privaten Markt zu unteren Einkommensgruppen. [ iStock ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)


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