Wien-Bratislava: Schnelles Comeback der Pressburger Bahn

Die elektrische Lokalbahn Wien Pressburg in Wien =
Die elektrische Lokalbahn Wien Pressburg in Wien =Ö. Volkshochschularchiv / Imagno / picturedesk.com
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1914 begann mit der Pressburger Bahn der Traum eines Großraums Wien-Bratislava – der aber spätestens mit dem Eisernen Vorhang wieder endete. Eine Hochgeschwindigkeitszugverbindung soll nun an frühere Zeiten anknüpfen.

Wien. Man nennt sie Zwillinge. Wien und Bratislava liegen nur 60 Kilometer voneinander entfernt, die beiden Städte haben eine gemeinsame Geschichte, eine gemeinsame Tourismuswerbung, gemeinsames Lobbying in Bildungs- und Kulturfragen. Der Gedanke, die Bewohner dieser Städte zu einer Familie zusammenwachsen zu lassen, den Großraum zu einem der stärksten Wirtschaftsräume Europas zu machen, den gab es schon in der Monarchie. Quasi als Lebensader nahm man 1914 die Pressburger Bahn in Betrieb, eine direkte Zugverbindung zwischen Wien und Bratislava. Doch der Traum hielt nicht lang – der Zerfall der Monarchie, Weltkriege und schließlich der Eiserne Vorhang rissen die beiden Geschwister wieder auseinander.

Auf gerader Linie ins Nachbarland

Immerhin, seit dem Start des Twin-City-Liners 2006 gibt es eine schnelle Verbindung zwischen den beiden Städten auf dem Wasserweg. Doch von der legendären Zeit, in der es eine schnelle Direktverbindung auf Schienen gab, ist man weit entfernt. Das soll sich nun ändern – die bestehende eingleisige, nicht elektrifizierte Bahnstrecke mit einer Länge von 37,5 Kilometern soll bis 2023 ausgebaut werden. Die geradeste Zugstrecke in ganz Österreich wurde in der Vergangenheit auch zum Testen von Hochgeschwindigkeitszügen genutzt. Und Geschwindigkeit soll auch künftig eine Rolle spielen: Von Wien-Hauptbahnhof bis Bratislava wird es dann nur mehr 40 Minuten dauern – 25 Minuten weniger als bisher. Weiters sollen die Züge eine dichtere Taktung bekommen.

Auf mehreren Ebenen erhofft man sich durch den Ausbau Vorteile für die Region: International gesehen liegt die Strecke Wien–Bratislava im Schnittpunkt dreier europäischer Kernnetzkorridore: des baltisch-adriatischen Korridors, des Rhein-Donau-Korridors, sowie des Orient-östliches-Mittelmeer-Kernnetzkorridors. „Durch die Belebung dieser Strecke gewinnt die Region für Europa an Bedeutung. Sie bringt aber auch Österreich etwas“, sagt Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) zur „Presse“.

Dieses „etwas“ ist vor allem eine Belebung für die recht verödete Gegend zwischen beiden Städten: „Wir wissen, wo es guten öffentlichen Verkehr gibt, siedeln sich auch Menschen und die Wirtschaft an“, sagt Niederösterreichs Verkehrslandesrat Karl Wilfing (ÖVP) beim Spatenstich am Mittwoch. Viele Gemeinden der Region haben in den vergangenen Jahren mit Abwanderung zu kämpfen. Rund 10.000 Menschen pendeln derzeit nach Wien, der Großteil mit dem Auto.

Bahnausbau in alle Himmelsrichtungen

Der Ausbau der neuen Verbindung kostet rund 500 Millionen Euro. 70 Millionen davon trägt die Stadt Wien. Auch das Land Niederösterreich wird sich finanziell beteiligen – Verhandlungen mit dem Bund laufen. Nachdem die öffentlichen Verkehrsmittel in Niederösterreich jahrzehntelang eher reduziert wurden – was mit massiver Bevölkerungsabwanderung einherging –, forciert das Land nun wieder den Ausbau: Derzeit wird etwa die Pottendorfer-Linie zwischen Wiener Neustadt und Wien Meidling bis 2025 ausgebaut. Auf der Westbahn werden die Intercity-Züge ab 11. Oktober durch Railjets ersetzt. Die halten künftig auch in Tullnerfeld und Amstetten. Neben mehr Komfort hat der Railjet vor allem mehr Sitzplätze: Seit vorigem Jahr hat Niederösterreich auf dieser Strecke einen Fahrgastzuwachs von zehn Prozent zu verzeichnen. Und schlussendlich soll im Waldviertel die Franz-Josefs-Bahn zwischen Wien und Gmünd wiederbelebt werden – damit das Streckennetz irgendwann wieder so dicht ist wie zu Kaisers Zeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

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