Frankreich: Halbzeitfluch des glücklosen Präsidenten

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François Hollande versuchte in TV-Auftritt die Wende. Der Präsident ist in ein Rekordtief gestürzt.

Paris. Das TV-Tribunal setzte sich diesmal nicht nur aus Journalisten zusammen, sondern aus handverlesenen Bürgern. Und François Hollande hatte bei seiner Halbzeitbilanz viel zu erklären, als der glücklose Präsident am Donnerstagabend der Nation zur besten Sendezeit Rede und Antwort stand. Die Wirtschaftsdaten sind weiterhin miserabel, und analog dazu ist die Zustimmungsrate auf ein Rekordtief von zwölf Prozent gefallen. 92 Prozent der Franzosen äußerten laut jüngster Umfrage ihre Unzufriedenheit über den Kurs Hollandes, der Chef der Bank Credit Agricole warf ihm einen Mangel an Vision und Kohärenz in der Wirtschaftspolitik vor.

Der Präsident fühlt sich indessen unverstanden. Die anhaltende Krise zwingt ihn zu einer unpopulären Sparpolitik, die mit seinem Wahlprogramm wenig gemein hat. Das aber sei kein Grund, die Zukunft noch düsterer zu sehen, als sie heute ist, verspricht er den notorisch pessimistischen Franzosen. Werden sie ihm glauben? Die Frage war eher, ob sie überhaupt noch zuhören.

Einige Parallelen mit Obama

Es ist ein Zufall des Kalenders, dass die Halbzeit von Hollandes Präsidentschaft beinahe mit den Halbzeitwahlen in den USA zusammenfällt. Gewisse Parallelen zwischen Barack Obama und seinem französischen Kollegen sind augenfällig. Hängt in Paris wie in Washington eine Art Halbzeitfluch über den Präsidenten? Da wie dort entspricht die Realpolitik nicht den übergroßen Erwartungen, die Desillusionierung speist sich aus den Wahlversprechen.
Spätestens bei der Hälfte der Amtszeit wird der Präsident davon eingeholt und auch noch gleich persönlich für alle anderen Übel mitverantwortlich gemacht. Er bezahlt dann die Zeche bei Nach- oder Zwischenwahlen. Hollande musste verheerende Niederlagen bei Gemeindewahlen einstecken und hat die Mehrheit im Senat verloren. Wie Obama ist auch Hollande mit einem schweren Imageverlust konfrontiert, der aus Sicht der enttäuschten Bürger nicht nur mit seiner Politik, sondern ebenso mit seinem Stil und Charakter zu tun hat.
Im Vergleich zu Hollande ist Obamas Lage aber noch geradezu glorios. Aus Pariser Sicht sind das amerikanische Wirtschaftswachstum und die sinkende Arbeitslosigkeit beneidenswert. In Frankreich blinken trotz schmerzlicher Anstrengungen zur Sanierung der öffentlichen Finanzen alle Warnlichter rot: Die Schulden steigen weiter, das Haushaltsdefizit bleibt hartnäckig über vier Prozent des BIPs, die Wirtschaft aber stagniert, und die Zahl der Arbeitslosen wächst unaufhaltsam. Und jede dieser Zahlen und Statistiken gibt ein vernichtendes Urteil ab. Denn in Frankreich erwarten die Bürger alles von ihrem Präsidenten, und daher machen sie ihn dann auch für alles verantwortlich.

Sarkozys Häme

„Misserfolg über Misserfolg“, bescheinigt ihm der schadenfrohe Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der selbst auch erfahren musste, wie rasch die Volksgunst kippt. Im Fall von Hollande aber hat dieser Vertrauensverlust in den Popularitätsumfragen schon seit Monaten dramatische Ausmaße angenommen. 87 Prozent der Franzosen wünschen nicht, dass er 2017 zur Wiederwahl antritt – falls er überhaupt noch daran denken sollte. Die Opposition verlangt seinen vorzeitigen Rücktritt und Neuwahlen, was angesichts der Stimmungslage einer Aufforderung zum politischen Harakiri gleichkommt.

Im Elysée-Palast gilt indessen die Durchhalteparole. Einer von Hollandes Mitarbeitern hat in seinem Büro die britische Kriegsdevise „Keep calm and carry on“ aufgehängt. Unbeirrt glaubt Hollande selbst, dass die von ihm eingeleiteten Reformen die erhofften Früchte tragen werden und dass es nur darum gehe, dies den ungläubigen und undankbaren Landsleuten zu erklären.

Sein politischer und finanzieller Handlungsspielraum aber sind äußerst gering: Für einen institutionellen Umbau der Republik, der Verfassungsänderungen erfordert, hat er keine ausreichende Mehrheit, für soziale Reformen (wie sie sein frustriertes linkes Lager fordert) mangelt es an Geld. Noch mehr aber fehlt in der Bevölkerung das Vertrauen, und zwar so sehr, dass Hollande bei seinem riskanten Fernsehauftritt nichts zu verlieren hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2014)

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