"Die Presse"-exklusiv: Innenkommissar Avramopoulos besucht Österreich am 7. September und will dabei auch die Zustände in Traiskirchen unter die Lupe nehmen. Brüssel ist zu Hilfe in der Flüchtlingskrise bereit.
Wien/Brüssel. Die EU-Kommission ist von der dramatischen Flüchtlingssituation in Österreich alarmiert. Am 7. September wird der zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos anreisen, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Das Land, so heißt es in Brüssel, sei nun von den Flüchtlingsströmen hauptbetroffen. Die Visite wurde von einer Sprecherin der Kommission bestätigt. Die Details stünden aber noch nicht fest.
Besuch wegen Problemen im Lager?
Laut „Presse“-Recherchen wurde allerdings bereits eine Anfrage an das Innenministerium für einen Besuch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gerichtet. Die humanitäre Situation im Lager hatte nach der Veröffentlichung eines Amnesty-International-Berichts Ende Juli für internationale Schlagzeilen gesorgt. Offiziell wollte in der EU-Kommission niemand bestätigen, dass der Besuch im Zusammenhang mit den darin aufgelisteten Problemen steht. Der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos möchte sich lediglich über die Belastung Österreichs informieren. Er dürfte neben Traiskirchen auch weitere Flüchtlingseinrichtungen besuchen. In der Programmplanung ist beispielsweise ein Ausflug in das burgenländische Neudörfl vorgesehen. Dort werden derzeit unbegleitete Minderjährige, die aus den Krisenregionen des Nahen Ostens und Nordafrikas geflohen sind, betreut. Das von der Caritas geleitete Zentrum gilt als Vorzeigeprojekt.
Situation in Traiskirchen kaum besser
Im Innenministerium dürfte es wenig Interesse an einem EU-Lokalaugenschein in Traiskirchen geben. Denn die Situation im Lager hat sich bisher kaum verbessert. Laut Amnesty-International-Generalsekretär Heinz Patzelt ist die Zahl der dort unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebrachten Asylwerber immerhin etwas zurückgegangen. „Und offenbar sind keine unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen mehr dort“, so Patzelt im Gespräch mit der „Presse“. Nach wie vor dürfte es aber zu wenig Schlafplätze geben. Die Versorgung und sanitäre Situation entspricht nicht den von allen EU-Staaten vereinbarten Mindeststandards. Die entsprechende Richtlinie sieht nämlich humane materielle Aufnahmebedingungen etwa bei Unterkünften oder bei der ärztlichen Versorgung vor.
Die Delegation aus Brüssel will aber dem Vernehmen nach in erster Linie nicht kontrollieren, sondern Hilfe anbieten. Ähnliche Besuche finden und fanden in den ebenfalls überlasteten südeuropäischen Mitgliedstaaten Griechenland und Italien statt.
Finanzielle Unterstützung für Österreich
Im Vorfeld wurde angekündigt, dass Österreich zur Bewältigung der Flüchtlingsflut auch mit finanzieller Hilfe aus dem EU-Haushalt rechnen kann. Wie der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Johann Sollgruber, diese Woche in einer Aussendung bestätigte, hält Brüssel Unterstützung bereit. Sie soll möglichst rasch und unbürokratisch jenen Ländern zur Verfügung gestellt werden, die von der Flüchtlingswelle am stärksten betroffen sind. Erste Anträge aus Frankreich, Ungarn und Österreich seien bereits im Eilverfahren behandelt worden. Die EU-Kommission hat insgesamt 90 Millionen Euro für Österreich reserviert, die zur Bewältigung der Krise genutzt werden könnten. Erst vor zwei Wochen hat Brüssel Hilfe aus dem Fonds für Innere Sicherheit in der Höhe von 26,6 Millionen Euro freigegeben. Mit dem Programm sollen einerseits der Grenzschutz verbessert und andererseits polizeiliche Maßnahmen gestärkt werden.
Noch ist offen, ob Avramopoulos auch vom Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, nach Österreich begleitet wird. Die beiden Kommissare begutachten wenige Tage zuvor die Lage in Calais, von wo Flüchtlinge derzeit in Massen versuchen, nach Großbritannien zu gelangen. Eine Woche nach der Österreich-Visite wird in Brüssel ein Verteilungs- und Umsiedlungsforum zur Entlastung der hauptbetroffenen Länder stattfinden. Zudem sollen rasch Hotspots in Griechenland und Italien aufgebaut werden, bei denen Asylanträge von den EU-Staaten gemeinsam geprüft werden und von wo aus Flüchtlinge verteilt werden sollen. Die Idee wird von UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres unterstützt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2015)