Zwischen Renzi und Hollande: Wie geht es den EU-Genossen?

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Sozialdemokratie. Italien und Frankreich geben den Ton an. Werner Faymanns größte Stärke: seine Erfahrung.

Mittlerweile ist Werner Faymann – seit 2008 im Amt – einer der längstdienenden sozialdemokratischen Regierungs- und Parteichefs in Europa. Matteo Renzi, diese Woche zu Gast bei Faymann in Wien, ist erst seit 2013 Parteichef des Partito Democratico und seit 2014 italienischer Ministerpräsident. Der schwedische Premier Stefan Löfven, heute Stargast auf dem SPÖ-Parteitag, ist dies auch erst seit heuer. François Hollande ist als Premier ebenfalls kürzer im Amt als Faymann und der britische Oppositionsführer, Ed Miliband, wurde 2010 zum Labour-Chef gewählt.
Matteo Renzi ist der neue Taktgeber der europäischen Sozialdemokratie. François Hollande hat dieses Attribut gleich nach Amtsantritt wieder eingebüßt. Renzi zeigt Reformwillen, ist durchaus unternehmerfreundlich, sucht aber doch auch den Dialog mit den Gewerkschaften. Werner Faymanns größte – und einzige – Stärke im Konzert der roten Granden: seine Erfahrung. Wirklichen Einfluss hat er nicht. Große Initiativen gingen von ihm nicht aus.
Es sind vor allem die Sozialdemokraten aus Italien und Frankreich, die sich – auch unter dem Druck der hohen Arbeitslosigkeit in ihren Ländern – gegen die Austeritätspolitik in der EU lautstark bemerkbar machen. Sie wollten sogar den Fiskalpakt ignorieren –, doch das ist vorerst einmal ad acta gelegt. Faymann, der sich sehr an Deutschland orientiert, ist hier zurückhaltender. Wie auch die deutschen Genossen. Relativ eng ist Faymann mit dem deutschen EU-Parlamentspräsidenten, Martin Schulz. Wie schon beim SPÖ-Parteitag vor zwei Jahren ist dieser auch heute wieder zu Gast. (oli)

Der falsche Miliband – die Labour-Krise

Ein halbes Jahr vor der Wahl strauchelt die Labour-Party.

2010 hatten sie die Wahl: zwischen David Miliband, dem früheren Außenminister, und seinem Bruder Ed Miliband, als Linker Favorit der Gewerkschaften. Sie entschieden sich für Ed. Viele Labour-Leute bereuen das heute schon. Miliband ist zu wenig volksnah, zu hölzern, in seiner Parteitagsrede vergaß er die beiden großen Themen, die die Briten bewegen, anzusprechen: das Budgetdefizit und die Zuwanderung. Schon fordern Labour-Abgeordnete Ed Milibands Abgang. Mit ihm, so die Sorge, sei bei den Unterhauswahlen in einem halben Jahr nichts zu gewinnen. Noch im Hintergrund hält sich der neue Labour-Hoffnungsträger: Chuka Umunna, ein Anwalt nigerianisch-irischer Abstammung. (oli)

Politischer Normalzustand in Stockholm

Ministerpräsident Löfven führt das Palme-Erbe fort.

Seit dem Frühherbst, seit dem Wahlsieg des Ex-Gewerkschaftsbosses Stefan Löfvens über die Konservativen unter Premier Fredrik Reinfeldt, herrscht in Stockholm wieder der politische Normalzustand. Seit den 1930er-Jahren dominierten die Sozialdemokraten – mit drei Unterbrechungen – die Politik. Per Albin Hansson, Tage Erlander und Olof Palme prägten die Ideologie des „Volksheims“, des Wohlfahrtsstaats mit Modellcharakter auch für Österreich. Zumal Langzeit-Kanzler Bruno Kreisky, der sich in der Nazi-Ära ins schwedische Exil gerettet hatte, enge Verbindungen zu Palme pflegte. Die Anerkennung des Palästinenserstaats, die erste symbolhafte Entscheidung Löfvens, folgt dem Erbe Palmes. (vier)

Die SPD tritt hyperaktiv auf der Stelle

„Sozis“ dominieren Große Koalition – ohne zuzulegen.

Es ist wie verhext: Die deutschen Sozialdemokraten haben im Koalitionspoker Merkels Union fast über den Tisch gezogen. Dann hat die SPD ihre Trophäen – Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse – ebenso schnell wie professionell in Gesetzesform gegossen. Jetzt versucht Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sogar mit einigem Elan, als „Genosse der Bosse“ in die Fußstapfen von Gerhard Schröder zu treten. Allein, die Deutschen danken es ihm nicht: Die SPD verharrt wie einbetoniert bei den 26 Prozent, die sie auch bei der Bundestagswahl bekommen hat. Und Kanzlerin Merkel punktet weiter. Dazu genügt, dass sie Putin Paroli bietet und die „schwarze Null“ im Budget verteidigt. (gau)

Unglücksraben Hollande laufen Wähler davon

Der Präsident stürzt auch seine Partei in den Abgrund.

Die Halbzeitbilanz, zweieinhalb Jahre nach der Wahl von Präsident François Hollande, ist nicht nur für den Staatschef selbst verheerend. Er ist in den Popularitätsumfragen auf zwölf Prozent gepurzelt, hat aber auch seine Partei, den Parti Socialiste (PS), mit in die Vertrauenskrise gerissen. Der PS hat bei Kommunal- und EU-Wahlen schwere Schlappen eingesteckt. Ihm laufen aber nicht nur die Wähler davon, sondern auch die frustrierten Mitglieder. Die Perspektiven sind alles andere als rosig. Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2017 wird die Linke nicht nur voraussichtlich die Regierungsmacht verlieren, sie muss auch damit rechnen, vom Front National aus dem Finale der Präsidentenkür geworfen zu werden. (rb)

Renzi, ein zu starker Mann für die Linken

Italiens Sozialdemokratie ist vor allem sehr eigenwillig.

In Italien hat die Sozialdemokratie keine Tradition. Sie ist eine durch vielfaches Schütteln entstandene Mischung aus Im-Herzen-immer-noch-Kommunisten und Linksflüglern der einstigen Democrazia Cristiana. Dementsprechend hat die Partei von Matteo Renzi keine Seele. Den einen ist alles zu weit links, den anderen alles zu weit rechts. Der pragmatische Renzi, der sich sozialpolitisch aber links sieht, hat die alten italienischen Lagergrenzen gesprengt, indem er ebenso bewusst wie erfolgreich auf Wähler aus dem zerfallenden Berlusconi-Lager setzte. Und so meint die linke Nomenklatura ihren erfolgreichen Parteichef – 40,8 Prozent bei der EU-Wahl – mit allen Mitteln einbremsen zu müssen. (pk)

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Kommentare

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