Ein Verfassungsrichter kann zurücktreten. Sollte er sich "der Achtung und des Vertrauens, die sein Amt erfordert, unwürdig gezeigt" haben, könnte aber auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden.
Der Fall um den Verfassungsrichter Johannes Schnizer, dem, wie die "Presse" erfahren hat, einige seiner Kollegen den Rücktritt nahelegen, wirft Fragen nach möglichen Abgängen aus diesem hohen Amt auf. Grundsätzlich gilt: Verfassungsrichter können sowohl zurücktreten als auch abberufen werden - letzteres kann aber nur der Gerichtshof selbst mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Möglich wäre ein solches Disziplinarverfahren, wenn sich ein Mitglied "unwürdig gezeigt hat". Vorgekommen ist die Abberufung noch nie, Verfahren gab es aber bereits.
Geregelt ist die Abberufung von Verfassungsrichtern im § 10 des Verfassungsgerichtshofgesetzes. Neben anderen Gründen (Annahme eines Regierungs- oder Parlamentsmandats, unentschuldigtes Fehlen bei drei aufeinanderfolgenden Verhandlungen sowie Amtsuntauglichkeit wegen eines schweren körperlichen oder geistigen Gebrechens) wird dort auch unwürdiges Verhalten als möglicher Anlass für ein Amtsenthebungsverfahren genannt. Demnach wäre ein Mitglied des Gerichtshofes vom Amt zu entheben, wenn es sich "durch sein Verhalten im Amt oder außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die sein Amt erfordert, unwürdig gezeigt oder die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit gröblich verletzt hat".
Initiative muss vom Präsidenten ausgehen
Ein formales Antragsrecht für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gibt es laut dem früheren Präsidenten Ludwig Adamovich nicht. Die Initiative dazu müsste vom Präsidenten ausgehen, wie er am Donnerstag sagte. Für die Einleitung des Verfahrens ist dann eine einfache Mehrheit, für die Amtsenthebung selbst eine Zweidrittelmehrheit der Richter nötig. Anzuhören sind das betreffende Mitglied des Gerichts sowie der Generalprokurator, also der Chef der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof.
Beschlossen wurde eine Amtsenthebung noch nie, Disziplinarverfahren gab es aber bereits. So hat Adamovich 2001 ein Verfahren gegen sich selbst beantragt, nachdem der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) im Zusammenhang mit einem Ortstafel-Urteil (unwahre) Vorwürfe gegen ihn gerichtet hatte. Der Generalprokurator wertete Haiders Vorwürfe als Versuch der unsachlichen Einflussnahme gegen ein nicht genehmes Urteil und sah keinen Anlass für ein Amtsenthebungsverfahren. Der Gerichtshof schloss sich dem an und leitete kein Verfahren gegen Adamovich ein.
Ob im aktuellen Konflikt zwischen Verfassungsrichter Johannes Schnizer und der FPÖ Gründe für ein Disziplinarverfahren vorliegen würden, will Adamovich nicht beurteilen.
(APA)