Vergaberecht: Papierstreit geht in nächste Runde

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Im Rechtsstreit um eine Hygienepapierausschreibung wehrt sich die Bundesbeschaffung GmbH gegen eine Geldbuße, räumt aber ein: „Wir würden heute anders handeln.“

Wien. Ein kurioser Vergaberechtsstreit wegen Hygienepapier – „Die Presse“ hat berichtet – findet nun vor dem Verfassungsgerichtshof seine Fortsetzung. Die Streitparteien: Auf der einen Seite die Bundesbeschaffung GmbH (BBG), die zentrale Beschaffungsstelle für die öffentliche Hand. Auf der anderen ein Marktteilnehmer, der sich durch die Ausschreibung diskriminiert gefühlt hat. Und jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Dieses hatte entschieden, die BBG habe das Vergabeverfahren für den Lieferauftrag in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt. Und deshalb 367.000 Euro Geldbuße verhängt. Dagegen wehrte die BBG sich und brachte die Sache vor das Höchstgericht. Vom VfGH erging inzwischen eine Aufforderung zur Aktenvorlage – er hat die Sache also in Behandlung genommen.

Aber wie kam es überhaupt dazu? Anlass war eine Ausschreibung im Juli 2010. Die BBG hatte damals für das zu liefernde Papier – Küchenrollen, Papierhandtücher, WC-Papier – eine Reihe von Spezifikationen festgelegt. Diese seien so gestaltet, dass sich faktisch nur Vertragshändler eines bestimmten Herstellers – des schwedischen Konzerns SCA – um den Auftrag bewerben konnten, monierte ein Unternehmen und brachte einen Nachprüfungsantrag ein. Unter anderem, weil in der Ausschreibung vorgesehen war, dass die neuen Papierhandtücher in die bereits vorhandenen Spender passen sollten. Das Bundesvergabeamt, das damals noch für solche Verfahren zuständig war, gab dem Einschreiter teilweise recht und hob einen Teil der Spezifikationen auf – darunter auch diese.

Ausschreibung lief weiter

Für nichtig erklärte die Behörde die Ausschreibung jedoch nicht, was die BBG als Teilerfolg für sich verbuchte: Sie schrieb den Auftrag nicht neu aus, sondern setzte das bereits laufende Verfahren fort. Zwar unter den geänderten Bedingungen, aber – weil die Ausschreibungsfrist inzwischen abgelaufen war – nur mit jenen fünf Bietern, die sich ursprünglich beworben hatten. Einer davon erhielt letztlich den Zuschlag und eine Rahmenvereinbarung bis Ende 2013.

Der Einschreiter gab jedoch nicht klein bei, sondern führte den Rechtsstreit weiter. Und bekam, nach vielem Hin und Her, im Endeffekt recht: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) entschied, dass der Auftrag nach Änderung der Spezifikationen hätte neu ausgeschrieben werden müssen (2013/04/0104). Denn der Behörde hätte klar sein müssen, dass sich dadurch der Bieterkreis änderte. In weiterer Folge verhängte das BVwG die Geldbuße. Das wiederum bekämpft die BBG vor dem Verfassungsgerichtshof. Ihre Argumentation: Sie habe aus damaliger Sicht nichts Unrechtes getan, sondern sich bloß an den Bescheid des Bundesvergabeamtes gehalten, der keine neue Ausschreibung verlangte. Dafür werde sie nun quasi bestraft.

Die Gegenseite spricht indes von Rechtsschutzdefiziten. So hätten Bußgeldzahlungen, die „im Kreis laufen“ – weil eine öffentliche Einrichtung an die andere zahlt –, nicht die gebotene abschreckende Wirkung, und die von einer Rechtsverletzung Betroffenen würden dadurch nicht entschädigt. Die strittige Ausschreibung sei von Beginn an diskriminierend gewesen, was sich auch darin zeige, dass 18 Interessenten die Teilnahmeunterlagen heruntergeladen, aber nur fünf Vertragshändler ein und desselben Herstellers mitgeboten hätten. Durch den eingeschränkten Wettbewerb seien dem Steuerzahler Einsparungen in Millionenhöhe entgangen. Und selbst nach der mit Anfang März 2013 datierten VwGH-Entscheidung, die klarstellte, dass neu auszuschreiben gewesen wäre, habe die BBG noch fast ein Jahr lang auf Basis der alten Rahmenvereinbarung Papier bestellt. Letzteres bestätigt BBG-Chefjurist Wolfgang Pointner auf „Presse“-Anfrage: „Sonst hätten die Dienststellen im Laden ums Eck einkaufen müssen. Das wäre die teuerste Variante gewesen.“ Man habe jedoch nach Bekanntwerden des Urteils „gleich mit der Neuausschreibung begonnen“.

„Es war Systementscheidung“

Auch für die ursprünglichen Spezifikationen hat Pointner eine Erklärung: Das sei eine Systemwahl gewesen, die man getroffen habe, „weil die Auftraggeber das so wollten. Das ist so ähnlich, wie wenn Autos bestellt werden sollen und jemand Dieselfahrzeuge und keine Benziner will. Auch das ist eine Systementscheidung. Aber natürlich kann man das auch als diskriminierend sehen.“

Das Festhalten an einem bestehenden System sei laut einem früheren Judikat an sich zulässig, sagt Pointner (auch wenn der VwGH es in Sachen Hygienepapier anders sah). „Dass ein Umstieg auf ein anderes System möglicherweise wirklich billiger ist, ist nicht auszuschließen“, räumt er ein. Sein Fazit: „Auch wir erkennen an, dass das nicht glücklich gelaufen ist. Aus heutiger Sicht würden wir anders handeln.“ Inzwischen habe man Maßnahmen ergriffen, um nicht nochmals in eine solche Situation zu geraten. „Wir prüfen jetzt jedes Urteil, auch ein für uns positives, eingehend auf seine Auswirkungen und allenfalls erforderliche Schritte.“ Was aus seiner Sicht aber nichts daran ändere, dass die BBG sich damals im Rahmen eines gültigen Bescheids – also keinesfalls wissentlich rechtswidrig – verhalten habe.

Die Folgeausschreibung im Jahr 2013 ging übrigens ebenfalls nicht auf Anhieb glatt: Es gab erneut ein Nachprüfungsverfahren, wieder bekam der Einschreiter teilweise recht. Diesmal führte das jedoch zu einer Nichtigerklärung der Teilnahmeunterlagen, das Verfahren ging zurück an den Start.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)

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