Heiß oder kalt von der Zimmerdecke

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Raumklima. In Betondecken verlegte Rohre können Räume heizen oder kühlen. Beton kann die Wärme auch zeitversetzt wieder abgeben. Laut Bauphysikern schlägt das andere Heizsysteme.

Sie suchen ein System, das Ihr Zuhause im Winter wärmen und im Sommer kühlen kann? Eine Heizung und Kühlung in einem Modell? Das geht, und zwar mit Beton, kein neuartiger Werkstoff, sondern eine Substanz, die seit Jahrhunderten zum Bauen von Häusern verwendet wird.

Beton ist ein hervorragender Wärmespeicher. Das würde diesen Baustoff aus Zement und Gesteinen nicht allein auszeichnen. Auch Holz ist ein guter Wärmespeicher. Der Nachteil von Holz: Im Vergleich zu Beton leitet es Wärme nur schlecht. Beton hingegen leitet sie sehr gut. Daher ist er ein idealer Kandidat zum Heizen und Kühlen, wenn man in die Betondecken Rohre verlegt. Das darin strömende Wasser kann einerseits zum Zuführen von Wärme im Winter und andererseits zum Abführen von Wärme im Sommer verwendet werden. Diese Art der Temperaturregelung von Gebäuden heißt im Fachjargon Bauteilaktivierung.

„Die Bauteilaktivierung ist schon seit Jahrzehnten in Bürogebäuden zum Wegkühlen der von Geräten abgegebenen Wärme Standard“, erklärt Klaus Kreč, emeritierter Professor für Bauphysik an der TU Wien.

Über die Decke heizen

Ob das Kühlen und Heizen von Räumen nur mit der Betondecke auch im Wohnbereich möglich ist, wollte Kreč in einem Projekt der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, Mitglied der Austrian Cooperative Research (ACR), herausfinden. „Sehr oft kommt das Argument, dass die Wärme im Raum aufsteigt und ein Heizen mithilfe der Decke daher nicht sinnvoll sein kann“, sagt Kreč. Das Argument ist allerdings nur schlüssig, wenn mit erwärmter Luft geheizt wird. Schließlich sinkt kalte Luft aufgrund der Schwerkraft ab, warme Luft steigt auf. Die Bauteilaktivierung funktioniert jedoch nicht mittels Lufterwärmung wie bei Heizkörpern, sondern fast ausschließlich mittels Wärmestrahlung. Dafür ist die Schwerkraft egal. Die Decke strahlt überallhin Wärme ab, und das aufgrund ihrer großen Fläche gleichmäßig über den Raum verteilt. „Das Untersuchungsergebnis hat uns selbst verblüfft. Die Temperaturunterschiede zwischen Decke und Boden betragen weniger als ein Grad Celsius“, so Kreč.

Staub verteilt sich im Raum

Konvektorheizungen bringen den Nachteil, dass es immer zu einer Luftströmung kommt. Das hat eine unerwünschte Nebenwirkung: Staub und Schadstoffe werden im Raum verteilt. Außerdem trocknen Heizkörper die Raumluft im Winter stark aus.

„Ich habe früher in einer Altbauwohnung gewohnt, in der wir im Winter ohne Luftbefeuchter nicht auskamen. Die Luft war für ein angenehmes Raumklima viel zu trocken. Seit wir in einem Haus wohnen, das nur mit Flächenheizungen arbeitet, haben wir dieses Problem nicht mehr“, sagt Kreč aus der persönlichen Erfahrung. „Ein weiterer Unterschied zwischen Flächenheizungen und Radiator- oder Konvektorheizungen ist die Regelung.“ Bei allen gibt es zwar einen Thermostat, doch bei Flächenheizungen muss dieser in der Regel nur einmal zu Beginn auf die gewünschte Raumtemperatur eingestellt und dann lange Zeit nicht mehr verändert werden. Im Vergleich zu Heizkörpern ist ein Ein- und Ausschalten weder sinnvoll noch notwendig.

Aufgrund der hohen Wärmespeicherfähigkeit des Betons ist die Bauteilaktivierung selbstregulierend und gleicht Temperaturschwankungen gut aus. Ist die Raumtemperatur höher als die Deckentemperatur, nimmt der Beton Wärme auf. Ist die Raumtemperatur niedriger, gibt der Beton Wärme ab.

Das funktioniert bei der Fußbodenheizung nicht in diesem Ausmaß. Liegt etwa ein Teppich auf dem Boden, der die direkte Wärmeabgabe des Fußbodens behindert, wird die am Thermostat eingestellte Temperatur womöglich nicht erreicht. Das Gleiche passiert, wenn Möbel einen großen Teil der Fußbodenheizung abdecken.

Wenn die Deckenheizung richtig betrieben wird, hat die Decke bei einer Raumtemperatur von 20 Grad Celsius eine Oberflächentemperatur von 21 bis maximal 24 Grad Celsius.

„Schaut man sich den Energieverbrauch der einzelnen Heizsysteme an, dann bietet die Bauteilaktivierung einen weiteren Vorteil“, so Kreč. Flächenheizungen werden mit deutlich niedrigeren Temperaturen betrieben als Radiatoren. Meist reichen 30 Grad Celsius aus, während Radiatoren üblicherweise bei 50 bis 70 Grad Celsius betrieben werden. Durch die niedrigen Temperaturen des Heizwassers ist die Bauteilaktivierung für die Nutzung erneuerbarer Energien prädestiniert.

Wärme zwischenspeichern

Eine spannende Überlegung ist auch die Zwischenspeicherung von Wärme: In Beton lässt sich sehr viel Wärme hineinpumpen, ohne dass sich dessen Temperatur stark erhöht. Was das bringt? Man kann das Heizungswasser dann erwärmen, wenn der Strom billig ist, mit Nachtstrom beispielsweise, oder – und das wird eine immer größere Rolle spielen – zu Zeiten, in denen viel Strom anfällt. Mit erneuerbarer Energie wie der Windkraft und der Solarenergie wird nicht gleichmäßig über den Tag Strom erzeugt. Bei Beton, der die Wärme zwischenspeichern und dann zeitversetzt, wenn die Raumtemperatur fällt, wieder abgeben kann, ist das kein Problem.

Heizbetondecken können einen Raum auch kühlen. Eigene Kühlanlagen sind dann passé. „Diese Decken kühlen sogar etwas besser, als sie heizen“, so Kreč. Das Kühlwasser muss nicht auf tiefe Temperaturen gekühlt werden, was Strom verschwendet, sondern es reichen 18 bis 20 °C aus für ein angenehmes Raumklima im Sommer. Bei einer Fußbodenheizung nimmt der Boden zwar Wärme auf, darüber bildet sich aber ein Kaltluftsee. Das Ergebnis: Wir bekommen kalte Füße.

LEXIKON

Bei Konvektorheizungen wird die Raumluft durch Wärmeströmung erwärmt. Dabei strömt die kalte Luft ins Gerät, wo sie durch spezielle Heizelemente aufgeheizt wird. Die erwärmte Luft steigt auf, kalte Luft strömt nach.

Radiatorheizungen geben Wärme durch Wärmestrahlung ab. Im Inneren der Radiatoren, herkömmlich Heizkörper genannt, ist Wasser oder Öl, das durch Strom erhitzt wird und Wärme abgibt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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