Die Stimme mit Strom trainieren

Mund einer Statue
Mund einer Statue(c) www.BilderBox.com (BilderBox.com)
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Medizin. Die Stimme verändert sich und wird im Alter oft brüchig und heiser. Grazer Forscher arbeiten daran, wie man diese Alterserscheinung mit Elektroimpulsen therapieren kann.

Manchmal hört man eine Stimme im Radio und weiß sofort, welcher Person sie gehört. Der Burgschauspieler Peter Matić wird beispielsweise als markanteste Synchronstimme Österreichs bezeichnet. Immerhin leiht er Oscarpreisträger Ben Kingsley in der deutschen Synchronisation seine Stimme. Unsere Stimme ist ein Unikat. Sie ist untrennbar mit ihrem Sprecher verbunden. Viele von uns würde es verstören, wenn eine Serienfigur in einer Staffel plötzlich mit einer anderen Stimme sprechen würde.

Die Stimme entwickelt und verändert sich im Laufe des Lebens. In der Pubertät bekommt sie die erwachsene Note. Im Alter wird sie bei Männern höher und kann sogar zu einer fast schrillen Piepsstimme werden. Bei Frauen wird sie in der Meno- und Postmenopause, also nach dem Wechsel, tiefer.

Menschen isolieren sich

„Ein Problem wird es, wenn es zu Stimmstörungen kommt“, sagt Markus Gugatschka von der Klinischen Abteilung für Phoniatrie der Med-Uni Graz. Die Stimme wird im Alter oft schwächer, rau, heiser, nahezu brüchig. Oft ziehen sich die Betroffenen sozial zurück und isolieren sich. „Das kann bei Menschen, die in einem Chor singen, zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Sie können die Töne nicht mehr halten, erreichen die Höhe, die sie bisher problemlos singen konnten, nicht mehr und ermüden schneller“, fasst der HNO-Spezialist Auswirkungen der Presbyphonie, der krankhaft veränderten Altersstimme, zusammen. Aber auch Menschen in Sprechberufen wie Lehrer, Callcenter-Mitarbeiter, Vertreter und Trainer, die täglich mehrere Stunden sprechen, sind von Stimmstörungen besonders betroffen. Was passiert dabei?

Einerseits trocknet die Schleimhaut auf den Stimmlippen mit zunehmendem Alter aus und wird dünner. Andererseits schwinden die Muskeln des Stimmapparates. Rund 60 verschiedene Muskeln sind daran beteiligt, wenn die eingeatmete Luft in den Kehlkopf strömt. Schließen sich die Stimmlippen nicht mehr vollständig, können sie nur noch sehr unregelmäßig schwingen. Die Folge ist eine heiser wirkende Stimme.

Mit Jänner haben Gugatschka und sein Team im Rahmen des Wissenschaftstransfer-Programms Bridge des Technologieministeriums ein Forschungsprojekt dazu gestartet. Ziel ist, die Stimme durch Elektroimpulse wieder „fit“ zu bekommen – die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang vom Bodybuilder-Ansatz. „So wie man im Fitnessstudio seinen Bizeps trainiert und aufbaut, wollen wir mit elektrischen Stromimpulsen das Muskelvolumen der Kehlkopfmuskeln wieder aufbauen“, so Gugatschka. So würde es auch gelingen, den Spalt zwischen den Stimmlippen wieder zu schließen.

Elektroden einsetzen

In vielen Bereichen wie bei der Stimulation des Gesichtsnervs werden Oberflächenelektroden eingesetzt. „Uns schwebt Ähnliches vor.“ Dazu kooperiert der Grazer Mediziner mit dem Innsbrucker Medizintechnikunternehmen Med-El, das in der Entwicklung von Hörimplantaten weltweit führend ist. Aktuell läuft bereits eine zweijährige Tierversuchsreihe im Labor. Eine Patientenstudie soll folgen.

„Derzeit interessiert uns, was durch die Elektrostimulation in den Zellen abläuft.“ Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die Muskelmasse mit einer gezielten Elektrostimulationstherapie erhöhen lässt. An Nagetieren im Labor könne das schon gezeigt werden. „Wir wollen ein System entwickeln, das Patienten nach einer kurzen Lernphase an der Klinik auch in Eigenregie zu Hause benutzen könnten“, so Gugatschka über die geplante weitere Forschung.

LEXIKON

Stimme. Die aus der Lunge in den Kehlkopf strömende Luft bringt die Stimmlippen zum Schwingen. Tiefe Töne entstehen durch wenig gespannte, hohe Töne durch stark gespannte Stimmlippen. Im Kehlkopf entsteht der sogenannte Kehlkopfklang oder Grundton. Damit dieser Ton Volumen bekommt und für uns hörbar wird, muss er in den Resonanzräumen des Kopfes, den Mund- und Nasenhöhlen sowie dem Rachenraum verstärkt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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