Von Kühen und Politikern

Woher das Essen kommt, das man in Berlin in 22 Hallen verkosten kann, sieht man beispielsweise in der Halle 3. Auch ein Pferdestall wurde nachgebaut.
Woher das Essen kommt, das man in Berlin in 22 Hallen verkosten kann, sieht man beispielsweise in der Halle 3. Auch ein Pferdestall wurde nachgebaut.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL (JOHN MACDOUGALL)
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Die Grüne Woche in Berlin ist die größte Agrarmesse der Welt, auf der 66 Nationen um Essende kämpfen. Selbst Innenminister Sobotka wirbt hier für seine heimliche Leidenschaft.

Berlin. Es ist zweifellos der seltsamste Auftritt auf dieser an seltsamen Auftritten nicht gerade armen Grünen Woche in Berlin. Eine Messe, wohlgemerkt, für Agrarprodukte. Und dann hat an diesem Freitag mitten in der Halle zwei, in der Blumenhalle, Österreichs Innenminister, Wolfgang Sobotka, einen Auftritt.

Was fordert der gestrenge ÖVP-Politiker? Thujenhecken an den Grenzen gegen illegale Einwanderer? Eine Obergrenze für Gartenzwerge in Kleingartenanlagen? Nein, Sobotka ist hier als Begründer der Initiative „Natur im Garten“ aus seiner Zeit als Landesrat in Niederösterreich.

39 Firmen aus Österreich

Nicht viele wissen, dass Sobotka ein leidenschaftlicher Hobbygärtner ist. 1200 Quadratmeter betreut er rund um sein Haus direkt an der Ybbs, besonders stolz ist er auf die Rosen. „Manchmal gartle ich aus Zeitmangel in der Nacht“, erklärt er im Gespräch mit der „Presse“.

In Berlin ist Sobotka, um gemeinsam mit deutschen Experten den Kongress „Garten und Medizin“ anzukündigen, der Ende Mai in Berlin stattfindet. Das sei ihm ein wichtiges Anliegen, und die Kollegen der deutschen Gartenbaugesellschaft hätten ihn gebeten, den Kongress zu unterstützen. „Und das mache ich gern.“

Eigentlich hat der Innenminister ja nicht viel weniger Berechtigung, auf der Grünen Woche zu sein als die 60 Landwirtschaftsminister, die sich für die kommenden zehn Tage angesagt haben. Denn in den 25 Hallen findet man kaum jene Produkte, die man sich von der laut Werbung „weltweit größten Agrarmesse“ erwartet. Nur in einer Halle stehen einige Traktoren, in zwei anderen werden Tiere gezeigt – Pferde, Kühe, Schweine, Schafe –, in den restlichen 22 Hallen geht es nur um eines: um essen und trinken.

Wahrscheinlich ist sie deshalb eine der erfolgreichsten Messen Berlins. Etwa 400.000 Menschen kosten sich durch die 1650 Stände, an denen Lebensmittel in mundgerechten Happen aus 66 Ländern angeboten werden.

Österreich ist mit 39 Unternehmen vertreten, und es ist eine ideale Möglichkeit, um sich als oft propagierter „Feinkostladen Europas“ zu präsentieren. Die Agrarmarkt Austria informiert an einem Stand über österreichische Produkte, an einem anderen kann man sich um 3,50 Euro ein Speckbrot mit einem Glas Wein bestellen, und auf einer großen nachgebauten Alm bietet man den begeisterten Deutschen um 13,50 Euro einen Bauernschmaus.

Zwischen viel Speck, Wurst und Käse findet man freilich auch weniger Kulinarisches, etwa einen Stand, der eine Creme gegen Hornhaut und hartnäckige Nagelhaut anbietet, oder einen mit speziellen Seifen aus Kärnten. Dass sich auch hier Interessierte erkundigen und einkaufen, sagt einiges über das Alter der Besucher aus.

Für die Politiker ist die Grüne Woche nicht nur ein Schaulaufen, sondern auch eine gute Möglichkeit, um informell mit Kollegen zusammenzutreffen – der mächtige und an Förderungen reiche EU-Agrarkommissar, Phil Hogan, ist beispielsweise ein begehrter Gesprächspartner. Gerade jetzt, da der Austritt Großbritanniens aus der EU mögliche budgetäre Einschnitte nach sich zieht (siehe eigenen Bericht). Man kann die heimische Landwirtschaft im Ausland auch etwas besser darstellen, als sie tatsächlich ist, und ehrgeizige Ziele vorgeben.

Schwarzes Essen

Andrä Rupprechter etwa, der als Landwirtschaftsminister gemeinsam mit Bauernbundpräsident Jakob Auer und Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, für die heimische Landwirtschaft wirbt. Rupprechter will mithilfe des EU-Handelsabkommens Ceta mit Kanada die heimischen Agrarexporte deutlich steigern. „Realistisches Ziel ist es, die Marke von 100 Millionen Euro in absehbarer Zeit zu knacken.“ Derzeit betragen die Exporte nach Kanada gerade einmal zehn Millionen Euro.

Wer gern kulinarische Tipps aus Berlin hätte: In Halle zwölf bekommt man Verbranntes serviert, angeblich ein ganz neuer Trend. Wobei verbrannt nicht ganz stimmt, es sieht nur so aus: Schwarze Pommes, Black Metal Hacksteak und Chili sin Carne werden mit medizinischer Pflanzenkohle und Sepia-Tinte schwarz eingefärbt. Der Trend kommt aus Japan, das Essen ist angeblich sehr gesund.

Compliance-Hinweis:
Der Autor war auf Einladung der Landwirtschaftskammer in Berlin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2017)

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