Finanzkrise: Wall Street versinkt im Chaos

(c) Reuters (Lucas Jackson)
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Die Großsparkasse Washington Mutual wurde notverkauft und geht als größte Bankenpleite in die US-Geschichte ein. Die holländische Großbank Fortis gerät in Schieflage. Notenbanken machen Milliarden locker.

Wien/New york (ju/ag). Ein paar Tage lang hatte es nach einer leichten Beruhigung der Weltfinanzkrise ausgesehen, aber zum Wochenschluss kam es knüppeldick: Die USA erlebten mit dem Zusammenbruch der Großsparkasse Washington Mutual (WaMu) die größte Bankenpleite ihrer Finanzgeschichte, die Verhandlungen über ein 700-Mrd.-Dollar-Rettungspaket gerieten in den US-Wahlkampf und damit ins Stocken, und zu allem Überfluss kam mit Fortis auch noch eine europäische Großbank in die Krisengerüchteküche. Die Folge: Weltweit knickten die Aktienkurse ein.

Der Reihe nach: Donnerstag nach Börsenschluss in New York machten die Behörden dem langen Liquiditätsleiden der seit einiger Zeit bedenklich schlingernden Washington Mutual ein rasches Ende. Die Großsparkasse wurde geschlossen und an JP Morgan Chase um 1,9 Mrd. Dollar zwangsverkauft. Der Trick mit dem Zwangsverkauf verhindert, dass die Sparer des Instituts zu Schaden kommen. Hätte die Einlagensicherung FDIC nicht schnell einen Käufer gefunden, hätte sie für den bisher größten Bankenzusammmenbruch der US-Geschichte rund 20 Mrd. Dollar aufwenden müssen.

Der rasche Notverkauf war wegen großer Liquiditätsabflüsse in den vergangenen Wochen notwendig geworden. Sparer hatten das Institut gestürmt und so viel Geld abgezogen, dass der Totalkollaps drohte. Käufer ist übrigens jene JP Morgan Chase, die im Frühjahr schon die zusammenbrechende Investmentbank Bear Stearns aufgefangen hatte.

Aktionäre gehen leer aus

Vom Notverkauf ausgeschlossen sind übrigens das Grundkapital und die Schulden der WaMu, im Gegensatz zu den Sparern erleiden also die Aktionäre und Gläubiger einen Totalverlust. Washington Mutual hatte eine Bilanzsumme von 3000 Mrd. Dollar und beschäftigte zuletzt 43.000 Mitarbeiter in 15 US-Staaten.

Ein paar Stunden vor dem Notverkauf der WaMu war bereits der 700-Mrd.-Euro-Rettungsplan der US-Regierung für die Banken vorerst gescheitert: Nachdem sich die Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain direkt in die Verhandlungen eingeschaltet hatten, war der vorher schon zum Greifen nahe Kompromiss wieder Geschichte. Vor allem tiefe Gegensätze innerhalb des republikanischen Lagers führten dazu, dass die Gespräche ergebnislos abgebrochen wurden.

Die Finanzhilfe für die Banken hätte auch die allgemeine Konjunktur stabilisieren sollen. Nach deren Scheitern rutschte der Ölpreis kräftig ab.

Fortis-Gruppe in Problemen

Zu allem Überfluss greifen die massiven Bankenprobleme nun auch noch auf Kontinentaleuropa über: Dem belgisch-niederländischen Finanzkonzern Fortis werden Liquiditätsprobleme nachgesagt, was den schon seit Tagen unter Druck stehenden Börsenkurs am Freitag abstürzen ließ. Fortis dementierte „Spekulationen über einen Finanzengpass“, der belgische Finanzminister Didier Reynders stimmte sich aber vorsichtshalber mit der Zentralbank und der Bankenaufsicht des Landes über ein Krisenszenario ab.

Dass unter diesen Umständen die Börsen weltweit in die Knie gingen, war wenig verwunderlich: In Europa stiegen die Kursverluste im Tagesverlauf an, auch die US-Börsen eröffneten tief im Minus.

Da half auch wenig, dass die wichtigsten Zentralbanken erneut den Geldhahn aufdrehten und sich Donnerstagabend auf eine weitere Liquiditätsspritze von 235 Mrd. Dollar verständigten.

Siehe auch Berichte auf Seite 26

AUF EINEN BLICK

Washington Mutual, die größte Sparkasse der USA, ist am Freitag zusammengebrochen und um 1,9 Mrd. Dollar notverkauft worden. Gleichzeitig scheiterte der Versuch, einen Kompromiss über den 700Mrd.-Dollar-Bankenrettungsplan der Regierung auf die Beine zu bringen. Die Börsen gerieten schwer unter Druck, zumal auch noch Gerüchte über Liquiditätsprobleme der belgisch-niederländischen Fortis-Finanzgruppe aufkamen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2008)


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