Peking hält die Welt in Atem

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Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass China ein größeres Problem hat als bisher angenommen. Neue Daten aus dem Reich der Mitte belasten Börsen und Konjunktur weltweit.

Wien. Die Stimmung an den Aktienmärkten in Ostasien hellte sich auch am gestrigen Dienstag nicht auf. Im Gegenteil: Wegen schwacher Konjunkturdaten legten die Börsen in China erneut den Rückwärtsgang ein. Am Ende schloss der Composite Index in Shanghai mit einem Minus von 1,2 Prozent. Die Aktienmärkte in China sind somit seit Mitte Juni trotz unerwarteter Maßnahmen der Regierung um fast 40 Prozent abgerutscht. Und auch gestern befanden sich die Börsen in Fernost und Europa abermals auf Talfahrt.

In erster Linie schuld für die gestrige Abwärtsbewegung war, dass der Einkaufsmanagerindex für die chinesische Industrie um 0,5 auf 47,3 Zähler und damit auf das niedrigste Niveau seit März 2009 fiel, wie das Markit-Institut am Dienstag in Bezug auf seine Umfrage unter vorwiegend kleineren Unternehmen mitteilte. Erst ein Wert von über 50 Punkten signalisiert Wachstum. Das Barometer verharrte bereits den sechsten Monat in Folge darunter. Auch der vom Statistikamt erhobene und auf größere Staatsunternehmen fokussierte Einkaufsmanagerindex fiel – und zwar um 0,3 auf 49,7 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit drei Jahren.

Viele Firmen haben mit Überkapazitäten zu kämpfen und müssen die Preise senken, was wiederum ihre Gewinne schmälert. Die Dienstleister wachsen dagegen weiter, allerdings so langsam wie seit Juli 2014 nicht mehr.

IWF vertraut auf Peking

Immer mehr Analysten erwarten nun, dass China das von der Regierung angepeilte Wachstum von sieben Prozent verfehlen wird – es wäre ohnehin das geringste seit einem Vierteljahrhundert. „Angesichts der schleppenden Aktivität im Sommer könnte das BIP-Wachstum im dritten Quartal unter 6,5 Prozent fallen“, schrieben Experten der ANZ-Bankengruppe zu China. Um ihr Ziel heuer zu erreichen, müsse die Regierung auch ihre Geldpolitik lockern. 2014 betrug das Wachstum 7,4 Prozent.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, traut der chinesischen Führung zu, die Lage zu stabilisieren. „Der Übergang zu einer marktbasierten Wirtschaft und der Abbau der in den vergangenen Jahren angestauten Risken [...] könnte ein wenig holprig verlaufen“, sagte sie: „Die Behörden haben aber die politischen Werkzeuge und auch die finanziellen Puffer, um diesen Übergang zu bewerkstelligen.“

Die Zentralbank etwa hat seit November bereits vier Mal ihren Leitzins gesenkt. Parallel dazu hat sie die Landeswährung Yuan am 11. August erstmals seit 20 Jahren abgewertet. In den vergangenen Tagen wertete der Yuan aber wieder etwas auf, was auch auf Dollarverkäufe der Zentralbank, die auf 3,6 Bio. Dollar an Devisenreserven sitzt, zurückgeführt wird. Einem Medienbericht zufolge will die Notenbank nun gegen Spekulationen auf die Währung vorgehen. Geplant sei, Finanzwetten auf eine Abwertung des Yuan zu verteuern, so die Agentur Bloomberg.

Globales Wachstum schwächelt

China lässt die Welt nicht kalt. Das Land, das rund zwölf Prozent der globalen Wirtschaftskraft deckt, hat die Welt während der Finanzkrise 2008 mit zweistelligen Wachstumsraten vor dem Schlimmsten bewahrt. Heute hingegen dürfte es dafür mitverantwortlich sein, dass die globale Konjunktur in diesem Jahr schwächelt. Beim IWF, der im Juli ein globales Plus von 3,3 Prozent vorausgesagt hatte, ist der Optimismus jedenfalls verflogen: „Wir gehen davon aus, dass das globale Wachstum moderat bleibt und voraussichtlich geringer ausfällt als im Juli prognostiziert, sagte Lagarde gestern. Für Europa wird die China-Schwäche der EU-Kommission zufolge aber wohl keine größeren Folgen haben. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2015)

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