Nach dem Abrutschen der Zinssätze ins Negative wollen Banken eine Mindestverzinsung durchsetzen. Konsumentenschützer wettern dagegen – sie meinen, die Kreditnehmer müssten jetzt von der Bank Zinsen bekommen.
Wien. Ab April stellt sich für viele Franken-Kreditnehmer die Frage, ob sie für ihren Kredit überhaupt noch Zinsen zahlen müssen – oder nicht sogar von der Bank Zinsen verlangen können („Die Presse“ berichtete). Denn der Referenzzinssatz CHF-Libor, an den die Zinsen meist gekoppelt sind, ist deutlich unter null gerutscht. Trotz der üblicherweise vereinbarten Aufschläge von 0,4 bis 0,7 Prozentpunkten auf den Libor ergeben sich dadurch in Summe negative Kreditzinsen.
Einige Geldhäuser haben mit – rechtlich umstrittenen – Vertragsänderungen reagiert. Demnach soll der Referenzzinssatz nicht unter null sinken können – die Aufschläge wären dann trotzdem zu zahlen. Aber was ist nun wirklich rechtens? Das sei unklar, sagt Klaus Pateter, Finanzierungsexperte bei HBA Rechtsanwälte und Lektor an der Uni Graz. Einseitige Vertragsänderungen seien wohl schwer zu rechtfertigen, aber auch eine Zahlungspflicht der Banken sei zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Ein anderer Denkansatz sei vielversprechender: „Dass keine Zinsen mehr verrechnet werden.“
Recht auf Gleichbehandlung
Dass die Vertragsänderungen wohl nur sehr selten halten werden, ergibt sich aus dem Verbraucherschutz. Kreditverträge enthalten meist entweder Zinsgleitklauseln, die den Sollzinssatz an einen Referenzzinssatz binden, oder Zinsanpassungsklauseln, die der Bank in bestimmten Fällen die Möglichkeit zur einseitigen Zinsanpassung geben – zum Beispiel, wenn sich die Refinanzierungsmöglichkeiten geändert haben. Laut OGH-Judikatur dürfen solche Klauseln bei Verbraucherkrediten den Kreditnehmer jedoch nicht benachteiligen. Bank und Kreditnehmer müssen im Großen und Ganzen gleich behandelt werden. Dazu gehört auch, dass sich Änderungen der Referenzzinssätze oder Refinanzierungsmöglichkeiten nicht nur zugunsten der Bank, sondern auch zugunsten des Kreditnehmers auswirken können.
Oft werden nachträgliche Entgeltanpassungen auch daran scheitern, dass die Bedingungen dafür im Vertrag nicht detailliert genug geregelt sind. Denn laut Konsumentenschutzgesetz müssen die „maßgebenden Umstände“ für eine Entgeltänderung genau umschrieben sein. Die Rechtsprechung sei hier streng, sagt Pateter. Generalklauselartige Hinweise auf „betriebswirtschaftliche Erfordernisse“, eine Verschlechterung der Marktlage oder Konjunktur reichen laut OGH nicht aus.
Was spricht dann aber gegen eine Zahlungsverpflichtung der Bank? Man könnte dagegen einwenden, dass die Vertragsparteien beim Vertragsabschluss einen solchen Fall gar nicht mitbedacht hätten. Ob eine Bank das bei einem Franken-Kredit wirklich behaupten kann, bezweifelt Pateter allerdings: Gerade bei dieser Währung seien Negativzinsen „ein alter Hut“ – bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren habe es das schon gegeben.
Ein anderes Argument könnte sein, dass der Kreditvertrag vom Gesetz grundsätzlich als entgeltlicher Vertrag angelegt ist. Daraus könnte man schließen, dass der Bank zumindest ein geringes Entgelt zusteht. „Auf der anderen Seite fragt sich aber der Bankkunde, warum die Bank, die möglicherweise selbst vom Negativzins profitiert, nicht verpflichtet sein soll, diesen Vorteil an den Kreditnehmer weiterzugeben“, sagt Pateter. Zu bedenken sei auch, dass der Kunde einen „Zinscap“ erwerben muss, um eine Zinsbeschränkung nach oben zu erreichen – sonst trägt er das Risiko von Zinserhöhungen. Warum sollte er dann aber nicht genauso von einer fehlenden Zinsbeschränkung nach unten profitieren?
Trotz alledem bedeute ein negativer Zinssatz laut Zinsgleitklausel nicht unbedingt, dass dem Kreditnehmer eine Auszahlung gebührt, meint der Jurist. „Hierfür fehlt aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich der gemeinsame Parteiwille.“ Denkbar sei aber eine Verrechnung mit später entstehenden Zinsansprüchen der Bank. „Oder schlichtweg die einstweilen zinsenlose Kreditgewährung.“ (cka)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)