Eva-Maria Höhle

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Austria'07. Eva-Maria Höhle,die Hüterin wertvollster Kunst- und Kulturschätze.

Auf den Wiener Stephansdom lässt sich leicht stolz sein. Und auch der Wiederaufbau der Redoutensäle ist schnell eingefordert. Träfen die Erhaltungskosten aber einen einzelnen Privatier, er würde wohl gewaltig schnaufen. Und die Liebe zum Objekt? Die schwände rasch dahin. Niemand weiß das besser als Eva-Maria Höhle. „Links und rechts, vorne und hinten hat man gerne Denkmäler. Aber das eigene Haus, das soll's lieber nicht sein“, so die Generalkonservatorin des Bundesdenkmalamtes.

Für die oberste Denkmalschützerin des Landes gehört Kommunikation deshalb zum wichtigsten Arbeitswerkzeug. Sie wendet es mit Charme und, wenn der nicht mehr hilft, äußerst bestimmt an. „Denkmäler haben schließlich keine Fürsprecher – außer uns. Wir müssen den Eigentümern klarmachen, was sie daran haben“, fasst Höhle ihre Aufgabe zusammen. Sie erntet dafür unterschiedliche Anerkennung und wechselnde öffentliche Aufmerksamkeit. Wenn sie zum Beispiel dem Albertina-Direktor die Ausfuhr von Albrecht Dürers großem Rasenstück zu einer Großausstellung in Übersee verbietet, dann schäumt nicht nur Klaus A. Schröder. Dann steht auch die internationale Presse eine Woche lang vor ihrer Tür. „Da muss man jedes Wort auf die Waagschale legen. Aber was es wiegt, das hat's“, findet Höhle. Da bleibt sie ungerührt.

Keine Chance für die Aida-Zentrale

Diffiziler und von wechselndem Erfolg sind die vermeintlich kleinen Dinge. Die erste Aida-Zentrale in der Wiener Porzellangasse ist so ein Beispiel. Das traditionelle Wiener Café stammte aus den frühen 30er-Jahren und war bis ins Detail original erhalten, ein Juwel. Der Aida-Chef war nicht dieser Ansicht und ganz und gar nicht begeistert. Höhle und der damalige Wiener Landeskonservator kamen am Dienstag. Eine Unterschutzstellung hätte mit Hilfe des Eigentümers Monate, gegen seinen Willen Jahre gedauert. Es dauerte nur bis zum nächsten Freitag nach Dienstschluss – und das einzigartige Interieur war zerstört.

Andere Ecken in Wien bergen für Höhle fröhlichere Erinnerungen. Das Haus Annagasse4 zum Beispiel. Die Fassade aus dem 18.Jahrhundert sollte renoviert werden. Doch irgendetwas kam Höhle nicht stimmig vor. Sie schaute unter die Hülle und fand ein bestens erhaltenes Prachtstück aus der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts. Plötzlich passten Fensterachsen und Fenstergrößen zusammen. Bloß: Die Fenster waren schwarz, der Hausanstrich olivgrün, anthrazit und gelblich weiß. Die Besitzer waren schockiert. Wer kann's ihnen verübeln, bei einem Haus aus dem barocken Wien. Doch Höhle leistete Überzeugungsarbeit. Der Hinweis, dass es sich doch nur um eine Kopie der Materialien des Florentiner Doms handelte, brachte den Durchbruch. Der Hartnäckigkeit und vielleicht auch der einen oder anderen Finte Höhles verdankt so manches Baudenkmal in Wien seine blühende Existenz. Wer ist schon gern der schwarze Peter, wenn es um den Erhalt der eigenen Vergangenheit geht? Höhles Paradestücke, wenn man so sagen kann, sind diesbezüglich die drei großen barocken Kuppeln Wiens: die der Karlskirche, der Peterskirche und der Salesianerkirche. Sie brachte alle zum Mitzahlen: die Erzdiözese, die Stadt und den Bund.

Dabei kann Wien froh sein, dass es Höhle als Landeskonservatorin (1990 bis 2002) und in der Folge als Generalkonservatorin überhaupt gibt. Denn so zielsicher war ihr Weg nicht. Ihre Passion verdankt sie zwar familiärer Vorbelastung – ihr Vater marschierte mit ihr zwei Tage durch die erste documenta – aber auch einigen Zufällen. Höhle schwankte nämlich zwischen Medizin- und Kunstgeschichtestudium. Außerdem war ihr die Musik vorerst näher. Sie spielte Querflöte, aus gesundheitlichen Gründen später Blockflöte. Hans Ulrich Staeps, Musikinteressierten ein Begriff, erweiterte dennoch für sie sein damaliges Trio zum Quartett. Aus praktischen Gründen verschlug es Höhle dann doch zur darstellenden Kunst. So konnte sie besser nebenbei arbeiten und sich das Studium finanzieren.

Weihrauch-Disco statt leerer Großkirche

Ihre Freude an moderner Kunst verlor Höhle auch am Wiener Kunstgeschichte-Institut nicht. Trotzdem wuchs dort zwangsläufig (wegen der vorgegebenen Unterrichtsmaterie) und vorerst einmal theoretisch das Interesse am Alten. Höhle dissertierte über die Salzburger Tafelmalerei der Spätgotik und trat am 2.Jänner1977 in den Dienst des Bundesdenkmalamts. Sie lernte Baupläne zu lesen, historische Fensterkonstruktionen kennen und alte Aufzugstechniken verstehen. Als Generalkonservatorin obliegt der 59-Jährigen nun die Oberaufsicht im Denkmalamt. Sie unterfertigt alle Bescheide, sie steht im Notfall parat. Und sie erfasst die internationalen Trends im Denkmalschutz. Da warten heikle Materien, zum Beispiel die Schließung von großen Kirchen, die dann, wie in New York, als „Weihrauch-Discos“ enden, oder die Entvölkerung ganzer Stadtzentren dank unbekümmerten Ausbaus der so beliebten Einkaufszentren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2007)


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