Polka

(c) Marie Jecel
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Austria'07. „Polka“: Die Möbel- und Produktdesignerinnen Marie Rahm und Monica Singer.

Es gibt ein Geheimnis in Österreich, das ist so geheim, dass nur zwei Menschen darüber Bescheid wissen. Die Rede ist nicht von, sagen wir, der Eurofighter-Affäre. Nein, es geht um das Falten von Servietten. Die Art und Weise, wie Servietten bei kaiserlichen Staatsbanketten gefaltet wurden, kennen – so erzählt man es sich zumindest – in ganz Österreich nur zwei Frauen. Und wenn sie die Kaiserservietten für republikanische Fest-Diners oder eine Ausstellung falten, dann müssen alle den Raum verlassen.

Marie Rahm und Monica Singer haben bereits wilde Spekulationen angestellt. Man möge sich nur vorstellen, was passiert, wenn die beiden Damen im selben Flugzeug abstürzen... Und: „Wir haben natürlich den Ehrgeiz, das Geheimnis zu lüften.“ Auf die Causa Kaiserservietten sind die beiden Designerinnen bei den Vorbereitungen zur Ausstellung „Design 10“ im Wiener Hofmobiliendepot gestoßen. Im Rahmen der „Vienna Design Weeks“ sind dort im Oktober zehn junge heimische Designteams eingeladen, je ein Sammlungsobjekt des Hofmobiliendepots einem eigenen Entwurf gegenüberzustellen.

„Breadbasket“

Bei „Polka“, so nennen sich Marie Rahm und Monica Singer, wird das der Brotkorb „Breadbasket“ sein. Der Kaiserserviette insofern sehr ähnlich, als er ebenfalls aussieht wie eine Serviette, in der jedoch ein flexibles Gestell steckt, mit dessen Hilfe sich die Serviette zum Korb biegen lässt. „Total demokratisch“, sagt Monica Singer, „jeder darf falten, wie er will.“ „Breadbasket“, die Antithese zur Kaiserserviette.

Die frische, humorvolle Art, Dinge anzugehen, ist typisch für Polka. Das war schon so, als sie 2004 ihr Label gründeten und auf der Mailänder Möbelmesse Lederbänke präsentierten, denen sie von einem Tattookünstler ein Peckerl verpassen ließen. Und als sie daraufhin von Konstantin Grcic, immerhin einem der einflussreichsten zeitgenössischen Designer aus Deutschland, zur Promosedia, einer Stuhlmesse in Udine, eingeladen wurden, entwickelten sie den Polka Chair. „Was willst du machen auf einer Messe, bei der nur Stühle, Stühle, Stühle zu sehen sind?“ fragt Marie Rahm.

Polka machte einen Stuhl mit einem zu kurzen Bein, einen Wackelstuhl. Der irritierte erst einmal gewaltig. Doch der Test – und die Erinnerung an die Schulzeit – machen sicher: Es gibt nichts Schöneres, als auf zwei Stuhlbeinen zu wippen. Noch dazu ganz offiziell. Mit dem Polka Chair würde der legendäre Zappelphilipp heute noch zappeln.

Allerdings: „Es geht nicht darum, Quatschprodukte zu entwerfen“, sagt Monica Singer, „sondern Dinge, zu denen man eine Beziehung aufbauen kann.“ Dinge, die man haben und behalten will, ganz einfach, weil man sie mag. „Wir haben in letzter Zeit mit einigen so genannten Luxusfirmen gearbeitet, Wittmann etwa, Lobmeyr oder Herend“, fährt Singer fort, „und da wird man schnell in ein gewisses Eck gestellt. Dabei finde ich es komisch, hier von Luxus zu sprechen, viel wichtiger ist die Qualität und Langlebigkeit von Produkten.“ Weil so einen Stuhl, ergänzt Marie Rahm, den hat man ja dann auch ewig.

Natürlich sei das Arbeiten mit so einem alten Traditionshersteller ganz anders als etwa bei der Promosedia, bei der es gar keine Einschränkungen gab. „Es ist nicht clever, alles über den Haufen zu werfen und nach vorne zu preschen“, sagt Monica Singer.

Karaffe „Josephine“

Stattdessen machen sich die beiden Designerinnen wie Detektive in der Firmengeschichte auf die Suche nach Details, die sie aufgreifen und in die Zukunft weitertragen möchten. Beim ungarischen Porzellanhersteller Herend war das etwa ein bestimmtes Drachen-Muster. Bei der Wiener Glasmanufaktur Lobmeyr die kurzen Stiele. Die haben sie nicht nur an einem Trinkglas, sondern auch an ihrer Karaffe mit dem Namen „Josephine“ angebracht. Das Glas setzt man nach Gebrauch übrigens in die Karaffe, wie einen Stoppel. Ein kleines Detail, aber wichtig. „Sonst läuft Restflüssigkeit aus dem Glas außen herab“, sagt Marie Rahm, „so fällt der letzte Tropfen wieder in die Karaffe zurück.“ Faszinierend. Dass „Josephine“ bei aller Tradition und Zweckmäßigkeit dann aber doch irgendwie aussieht wie (Originalzitat) „ein Barbapapa mit Propellerhut“, das ist dann wieder typisch Polka.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2007)


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