Das große Schwein zieht ein kleines nach

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Austria'07. Stefan Sagmeister, ein Bregenzer als international renommierter Designer in New York.

Vom Musikbusiness hat er sich verabschiedet, er betreut jetzt mit seinem New Yorker Büro lieber soziale und politische Projekte. Aber nach Mick Jagger wird Stefan Sagmeister immer noch gefragt. Obwohl es jetzt auch schon wieder zehn Jahre her ist, dass der österreichische Grafikdesigner das Löwen-Cover zur Rolling-Stones-CD „Bridges to Babylon“ entworfen hat.

Aber Sagmeister sieht das entspannt: „Dass einen Mick Jagger angerufen hat und gefragt hat, ob man Zeit hätte, ihn und die Kerle zu treffen, erzählt man doch immer wieder gerne“. Die eigenwillige Visualisierung von Musik hat Stefan Sagmeister berühmt gemacht.

Zweieinhalb Mann in New York

Er hat neben den Stones mit Lou Reed oder David Byrne zusammengearbeitet. Und wurde innerhalb kürzester Zeit mit seinem Zweieinhalb-Mann-Büro in New York zum angesagtesten Designer der Musikszene. Hatte man ein Cover von Sagmeister Inc., bekam man meistens mehr für sein Geld, das gehört zur „Handschrift“ des gebürtigen Bregenzers: So änderte sich das Bild oft, wenn man es aus der Hülle zog. Der Stones-Löwe etwa richtete sich dann drohend auf.

Doch aus der Musikbranche hat sich Sagmeister vor einigen Jahren zurückgezogen. Er hat die digitale Revolution, die eines Tages das Ende der CD bringen wird, klug vorausgesehen: „Es ist derzeit fast unmöglich, im Zentrum einer asiatischen Stadt eine CD zu kaufen, in New York haben sowohl HMV als auch Tower Records (Anm: Plattengeschäfte) zugesperrt. Ich habe die Entscheidung nie bereut.“

Es ist zwar nicht so, dass ihn Musik nicht mehr inspirieren würde, sagt er. Aber Stefan Sagmeister ist der Meinung „dass die wirklich interessanten und kreativen Entwicklungen derzeit in der Wissenschaft – leider fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit – und nicht in der Musik stattfinden“.

Wissenschaftler sind es deshalb auch, die er derzeit bei einem seiner Projekte betreut. „Wir arbeiten an einem Lehrbuch für Wissenschaftler, das ihnen das Visualisieren von wissenschaftlichen Daten erleichtern soll.“ 2001 nahm sich Sagmeister eine kreative Auszeit. Nach dieser – sie endete bezeichnenderweise am 11.9.2001 – beschloss der Grafikdesigner, sich eher um politische oder soziale Projekte zu kümmern. So ist er in der Kampagne involviert, die das amerikanische Militärbudget um 15 Prozent kürzen soll, um die so ersparten Gelder in das Bildungssystem zu stecken. Sagmeisters Büro hat dafür knallpinke Sparschwein-Autos gestaltet: Ein riesiges Schwein zieht ein kleines Schwein – und zeigt so schön plakativ den Vergleich, wie viel Geld das Pentagon bekommt und wie viel weniger die Bildung. Ist es leichter, soziale Anliegen zu visualisieren als Musik, oder schwerer? „Das hat sich leider Gottes als viel schwerer herausgestellt: Weil die Ziele zwar klarer, aber umso schwieriger zu erreichen sind.“

Das 1993 gegründete Büro Sagmeister Inc. in der – wie der Hausherr in seiner E-Mail-Signatur schreibt – „lovely“ 14th Street in Manhattan besteht immer noch nur aus drei Angestellten und einem Praktikanten. Die Entscheidung, das Unternehmen klein zu halten, hat der Designer bewusst getroffen und ihn wohl auch durch so manchen Werbekonjunktur-Einbruch getragen.

Das freut die Mama

Auf die Größe kommt's nicht an: Einen Grammy kann man auch mit so einem kleinen Team gewinnen. So geschehen 2003 für ein Album-Cover der Talking Heads. Da stellt sich doch die Frage, ob nach solch prominenten Würdigungen auch Ehrungen in der Heimat noch etwas bedeuten. Keine Frage: „Das freut die Frau Mama, und was die Mama freut, das freut mich auch.“ Was die Frau Mama vielleicht nicht so freut, ist der leichte Hang zum Exhibitionismus des Sohnes.

Warum zieht sich Stefan Sagmeister so gern aus auf seinen Plakaten? „Weil das die Amerikaner so ärgert.“ Und dann versteht man auch, warum Sagmeisters Gruß an junge Grafikdesigner am Anfang ihres Weges lautet: „Viel Spaß!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2007)


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