Forschung zwischen Taliban und Dalai Lama

(c) Deborah Klimburg-Salter
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Deborah Klimburg-Salter. Die Kunsthistorikerin hat sich der Bewahrung von Klöstern im Himalaya verschrieben.

Wissen Sie, was auf diesem Bild zu sehen ist?“, fragt Deborah Klimburg-Salter, kaum, dass man ihr Zimmer am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien betreten hat. „Das war Kabul, allerdings vor dem Krieg. Schön, finden Sie nicht?“. Schon bei diesen ersten Worten wird deutlich, wie stark die emotionale Beziehung ist, die die US-stämmige Asien-Expertin zu dem Land am Hindukusch hat.

Kein Wunder, schon im Alter von 19 Jahren war sie erstmals dort. „Natürlich war das damals auch ein Abenteuer“, blickt sie heute auf die Zeit zurück, als sie in Kabul klassisches Persisch studierte. Durch alle Kriege und Wirrnisse hindurch hat sie Afghanistan bis heute die Treue gehalten: „Deshalb ist mir auch unser Wiederaufbauprojekt so wichtig“, bekennt sie, sprühend vor Begeisterung.

Als die radikal-islamischen Taliban 2001 von der Macht vertrieben wurden, hieß es, 70 Prozent der Kunstschätze des Nationalmuseums seien zerstört worden. Mehrmals wurde das Gebäude bombardiert, was die Plünderer übrig ließen, zerstörten die Taliban in ihrem fundamentalistischen Furor.

Spannend wie ein Krimi

„Aber einige Angestellte des Museums und frühere Regierungsmitarbeiter haben die größten Schätze gerettet“. Dabei geht es um tausende Stücke, von denen viele einen sechsstelligen Euro-Betrag wert sind. Der Bericht, den Klimburg-Salter über die Rettung dieser Schätze geschrieben hat, liest sich spannend wie ein Krimi. Jetzt ist sie federführend an der wissenschaftlichen Inventur beteiligt, zusammen mit der Unesco.

Die immer häufigeren Anschläge und Entführungen in Afghanistan machen die Arbeit nun wieder schwierig. Bis vor kurzem habe sie nie Angst gehabt, dies sei jetzt, nach der hohen Lösegeldzahlung für die koreanischen Geiseln, anders: „Wir waren entsetzt, denn jetzt sind wir alle in Gefahr.“

Weniger gefährlich, aber dafür körperlich umso anstrengender sind Klimburg-Salters Forschungen im westlichen Himalaya: In einem ambitionierten, vom FWF alimentierten Projekt stellt die Forscherin mit ihrem Team – „Wissenschaft von heute ist Teamarbeit, einer alleine schafft es nicht“ – die Kulturgeschichte der ganzen Region dar, wo sich chinesische, indische, persische und tibetische Kultur berührten und befruchteten. Eine Arbeit, die auch ein Wettlauf mit der Zeit ist, denn viele der Tempel im Himalaya-Gebiet sind vom Verfall bedroht. Bei den Forschungsreisen ist sie mit ihren Kollegen und Studierenden oft in Höhen zwischen drei- und viertausend Metern unterwegs – zu Fuß, versteht sich. „Mittlerweile hat es sich herumgesprochen: Wer den Komfort braucht, arbeitet nicht mit mir im Feld“, sagt sie lachend und setzt nach: „Aber es hat sich noch niemand beklagt!“

Einer der für Buddhismus-Kundige klingendsten Namen ist dabei mit Klimburg-Salter verknüpft: Die Kloster-Anlage von Tabo in Indien, auf 3280 Metern Höhe gelegen und nahe der Grenze zu China gelegen, in einer Gegend, die für Ausländer bis vor einigen Jahren überhaupt gesperrt war. Die Hilfe der Diplomatie ist bisweilen nötig, wenn man in der Kunstgeschichte Asiens Spitzenforschung betreiben will: „Ohne die österreichische Botschaft hätten wir vieles nicht machen können, wir arbeiten ja quasi im Niemandsland.“

Gegründet wurde Tabo übrigens 996, im „Ostarrichi“-Jahr, und es ist die älteste buddhistische Monument im Himalaya, das noch immer in Funktion ist. „Ich liebe es, in lebenden Klöstern zu arbeiten, dort, wo noch Menschen beten, leben und arbeiten, wo die Kunst das tägliche Leben beeinflusst. Die Arbeit an Erforschung und Restaurierung buddhistischer Klöster hat Klimburg-Salter auch ein persönliches Treffen mit dem Dalai Lama eingebracht.

„Verliebt in die Kunst Afghanistans“

Eigentlich wollte die gebürtige US-Amerikanerin (Florida) ja Archäologin werden. In Paris hat sie sich dann aber „in die Kunst Afghanistans verliebt“. Nach dem Doktorat an der Harvard-Universitäy kam die polyglotte Forscherin – sie ist bewandert in klassichem Persich, klassischem Tibetisch und Sanskrit – über Los Angeles und Italien nach Wien, wo sie sich 1989 habilitierte und von 2000 bis 2004 und erneut seit 2006 Vize-Chefin des Instituts für Kunstgeschichte war bzw. ist. Da mit der NS-Zeit die Traditionsfäden der asiatischen Kunstgeschichte durchtrennt wurde, lehrte sie zunächst am Institut für Tibetologie, bis 1996 der Lehrstuhl an der Kunstgeschichte neu begründet wurde.

Was ihr das Wichtigste rund um ihre Arbeit ist? „Der Respekt vor anderen Kulturen und ihren Leistungen. Ohne den geht es nicht, dazu leben wir in der globalen Welt einfach zu nahe zusammen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2007)


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