Superti-Furga Giulio

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Der Molekularbiologe Giulio Superti-Furga erforscht die komplizierten Wechselbeziehungen zwischen Proteinen bei der Entstehung von Krankheiten. Das Ziel ist eine personalisierte Medizin.

Zurzeit wird die Hälfte der Medikamente umsonst gegeben, weil sie bei bestimmten Menschengruppen wirkungslos sind", sagt Giulio Superti-Furga. Nachsatz: „Die Nebenwirkungen haben sie aber trotzdem." Der Grund dafür liegt in den Genen. „Jeder Mensch ist einzigartig", sagt der Leiter des Zentrums für molekulare Medizin (CeMM) der ÖAW, der in der Kategorie „Forschung" als „Österreicher des Jahres" nominiert ist. Die genetische Ausstattung ist unterschiedlich, das hat Folgen - für das Aussehen, für Krankheiten und für die Wirksamkeit von Medikamenten.

Was dabei entscheidend ist: „Früher dachte man, dass ein Gen für ein bestimmtes Merkmal steht", so Superti-Furga. Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2000 wurde aber klar, dass es nicht so sehr einzelne Gene sind, die den Unterschied machen, sondern ihre Gesamtheit. Nun weiß man, dass der Mensch „nur" 22.000 Gene hat, manche Pflanzen oder Fische haben mehr. Höhere geistige Fähigkeiten z. B. können nicht ausschließlich durch die Genausstattung erklärt werden.
„Das war der Startschuss dafür, dass wir verstehen müssen, wie diese zusammenwirken." Superti-Furga stieß auf diese Erkenntnis, als er am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg arbeitete. Er untersucht seither die Zusammenhänge anhand von Proteinen - deren Bauplan in den Genen festgelegt ist - und deren Wechselwirkungen. Im Jahr 2002 veröffentlichte er eine viel beachtete Arbeit, in der das Protein-Netzwerk einer Hefezelle analysiert wurde. Das brachte ihm den Spitznamen „Proteinsoziologe" ein. Dann hat er die Methoden auf den Menschen angewendet.

Eines seiner Leibthemen ist Leukämie. Die zentrale Frage ist, was eine Zelle zu einer Krebszelle macht: „Rund 8000 Proteine spielen eine Rolle, vielleicht haben 100 Proteine direkt etwas mit der Krankheit zu tun." Diese Moleküle seien Teil eines großen Netzwerks - und wenn man versteht, wie die einzelnen Proteine aufeinander wirken, dann könne man etwa vorhersagen, ob ein bestimmtes Medikament wirkt oder nicht. „Das spielt sich alles noch in der Petrischale ab, aber es zeigt sich immer mehr, dass dieser Ansatz richtig ist", so Superti-Furga. So wurde am CeMM kürzlich entdeckt, warum ein neues Medikament bei manchen Brustkrebspatientinnen nicht wirkt.
Das Ziel ist eine „personalisierte Medizin" - also eine Medizin, in der jeder Mensch genauso behandelt wird, wie es für ihn optimal ist. Freilich werde es nicht möglich sein, für jeden Menschen spezielle Pillen herzustellen. „Aber durch Tests kann man voraussagen, ob man zu einer Menschengruppe gehört, bei der ein Arzneimittel wirkt." Mit den gleichen Methoden erhofft man sich aber auch Erklärungen anderer Krankheiten, etwa Fettleibigkeit oder Depression, bei denen eine Vielzahl von Genen und Proteinen zusammenspielen.

Wesentlich für all diese Forschungen ist, dass sie nahe am Patienten durchgeführt werden. Das ist beim CeMM der Fall: Das Laborgebäude, das heuer im Frühling eröffnet wurde, liegt mitten im Wiener AKH. „Das ist ein Ort geballter medizinischer Kompetenz", so Superti-Furga. Bei fast allen Projekten kooperieren die 100 CeMM-Mitarbeiter mit Experten der Medizin-Uni Wien.

Dass Superti-Furga seit sechs Jahren in Wien arbeitet, ist die Folge einiger Zufälle: Geboren in Mailand, wurde er in eine deutschsprachige Schule geschickt. Nach dem Studium an der Universität Zürich folgte er seinen Professoren Max Birnstiel und Meinrad Busslinger an das IMP nach Wien, wo Superti-Furga auch seine Frau kennenlernte. Danach arbeitet er zwar lange in Heidelberg, er hatte seiner Frau aber versprochen, sich bei einem geeigneten Angebot in Wien zu bewerben. Was 2004 der Fall war.

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