Katja Sterflinger

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Katja Sterflinger entdeckt an mikroskopisch kleinen Pilzen, wie sich Zellen gegen extreme Stressbelastung wehren.

[wien] „Schwarze Hefen“: So heißt die Sondergruppe der Pilze, auf die Sterflinger spezialisiert ist. Sie halten extremste Situationen aus: die UV-Strahlung und Kälte der Arktis genauso wie die Radioaktivität im stillgelegten Tschernobyl-Reaktor. Diese Pilze besiedeln die höchsten Berge im Himalaja genauso wie die Ringstraßenbauten und den Stephansdom. Sie halten einfach alles aus, was die Umwelt an Stressfaktoren zu bieten hat.
Und all die Erkenntnisse, die Sterflinger aus der Pilzforschung erzielt, kommen dem Menschen zugute: „Denn wenn man diese Extremisten der Pilze härtesten Umweltbedingungen aussetzt und danach ihre Zellbestandteile untersucht, kann man erkennen, mit welchen Mitteln sie sich gegen die Belastungen wappnen.“
Genau diese Stressbekämpfungsmethoden möchte man für die Verwendung an menschlichen Zellen anpassen: So will man Wirkstoffe entwickeln, die uns gegen UV-Strahlung, Radioaktivität und oxidativen Stress (freie Radikale) etc. schützen.
Derzeit lässt Sterflinger für das neue „Extremophile Center“, das von der Wiener Technologieagentur ZIT finanziert wird, ein einzigartiges Gerät entwickeln: Eine Simulationskammer, die all diese Stressfaktoren spürbar macht: „Vorbild ist eine Mars-Simulationskammer in Deutschland. Doch wir wollen die Bedingungen auf der Erde simulieren: UV-Strahlung, Salzbelastung, Hitze, Kälte, Trockenheit etc.“, sagt Sterflinger, die zur „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie „Forschung“ nominiert ist.

Schimmelfreie Kunstwerke

Ein weiteres Herzstück des von Sterflinger geleiteten „Extremophile Centers“ wird derzeit am Vienna Institute of Biotechnology (VIBT) der Universität für Bodenkultur aufgebaut: „Es handelt sich um ein hoch leistungsfähiges Sequenziergerät, das die Erbinformation eines Pilzes, eines Bakteriums aber auch eines Menschen in nur zwei Stunden entschlüsseln kann.“ Die Forscher können mit dem Gerät untersuchen, was auf der Ebene der DNA und RNA passiert, wenn sich die Pilze gegen Stress schützen. Das ist wesentlich, um dieses Wissen biotechnologisch in der Medizin und Pharmazeutik verwenden zu können.
„Die Biotechnologie mit der Medikamentenentwicklung und dem Abbau von giftigen Schadstoffen ist die positive Seite dieser Pilze“, sagt Sterflinger. Doch sie kennt auch die „dunkle Seite“ der schwarzen Hefen: Da diese Organismen fast ohne Nahrung auskommen, wachsen sie auf Gesteinsoberflächen, sprengen die Oberfläche von Bauwerken, Skulpturen und auch von Kunstwerken in Museen.
In einem Gramm Gestein leben eine Million Mikroorganismen, Sterflinger analysierte diese bereits im Jahr 2001 an der Pestsäule am Graben und später an den Ringstraßenbauten. „Die gute Zusammenarbeit mit den Museen und dem Bundesdenkmalamt in Wien war ein Grund für mich, in Wien zu bleiben.“
Eigentlich wollte die gebürtige Deutsche irgendwann in der Heimatstadt ihres Vaters leben, in Salzburg. Doch Wien und vor allem die Boku boten ihr die perfekte Arbeitsumgebung, um ihr Spezialgebiet groß auszubauen. „Viele waren froh, eine Ansprechpartnerin für die große Problematik der Mikrobiologie auf Kunst- und Kulturgut gefunden zu haben“.
An den Wiener Kunstuniversitäten führte Sterflinger 2003 das Fach „Mikrobiologie“ in die Ausbildung für Restauratoren ein. „Auch das ist in Europa einzigartig“, sagt sie, die heuer in den Denkmalbeirat des BMUKK gewählt wurde. Ihr Team war auch mitverantwortlich dafür, dass beim Wasserschaden im Tiefspeicher der Albertina kein einziges Kunstwerk zu schimmeln begann: Ein vorbildliches mikrobiologisches Monitoringprogramm hielt den Keller seit Jahren keimfrei, sodass durch die Feuchte im Juni 2009 kein Befall entstehen konnte. „Weil keine Schimmelsporen vorhanden waren“, betont Sterflinger.


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