175 Jahre „Die Presse“

„Den Spaß leiste ich mir“

Franz Oswald, einer der ältesten Leser der Tageszeitung „Die Presse“, in seinem Haus in 1130 Wien
Franz Oswald, einer der ältesten Leser der Tageszeitung „Die Presse“, in seinem Haus in 1130 WienJana Madzigon
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Der Abonnent. Franz Oswald liest die „Presse“ seit 1949. Er schätzt sie vor allem wegen der Kommentare und der Leserbriefe. Auch wenn seine eigenen nicht immer abgedruckt werden.

Es sind vorwiegend „die Jungen“, auf die die Medienbranche heute besonders schielt. Was denken sie? Welche Art von Medien wollen sie? Und vor allem, für welche wollen sie auch bezahlen? Auf der Suche nach den Usern von morgen geht eine andere Gruppe manchmal etwas unter: die Leserinnen und Leser, die schon lang und noch immer da sind.

So einer ist Franz Oswald, Jahrgang 1940. Er sagt von sich, dass er die „Presse“ mit wenigen Unterbrechungen seit seinem zehnten Lebensjahr liest. Sein Vater kam 1945 aus dem Krieg zurück, war Lehrer und musste eine fünfköpfige Familie erhalten. „Trotzdem hat er gesagt: ,Die ,Presse‘ leiste ich mir.‘“ Oswald war ein begabter Schüler, zuerst hat ihn in der Zeitung vor allem der Sport interessiert, seine erste bewusste Erinnerung an die „Presse“ verbindet er mit der zweiten Nationalratswahl im Herbst 1949. Die ÖVP hatte „trotz der VdU“ gewonnen, der Neunjährige sah auf dem Titelblatt Leopold Figl und rief: „Papa, der Figl hat gewonnen!“ Dabei hatte er bis dahin gar keinen Bezug zum damaligen Kanzler, dem ersten nach dem Krieg.

Ein paar Jahre später dann gab es wieder so einen Figl-Moment, am 15. Mai 1955: „Ich erinnere mich an den Staatsvertrag. Damals war ich im Internat und habe am nächsten Tag in der ,Presse‘ ein Bild vom Figl auf dem Balkon am Heldenplatz gesehen.“ Zur Zeitung griff er, weil er sie ja auch von zu Hause kannte. Beeindruckt war er 1956, zur Zeit des ungarischen Volksaufstands, von den Artikelreihen in der „Presse“, die zum Thema erschienen. Im Studium und während der ersten Berufsjahre pausierte er, „vor allem aus Kostengründen“; das erste eigene Abo bestellte er Anfang der 1970er, und er blieb „bis auf wenige kurze Phasen“ bis heute Abonnent. Beruflich verschlug es Oswald nach dem Studium (Deutsch, Geschichte und Publizistik) und einer Dissertation in Zeitgeschichte in den Niederösterreichischen Landesdienst, wo er bis zu seiner Pensionierung Chefredakteur und Leiter der Presseabteilung war.

Bis heute hat der Vater eines Sohnes, der im Süden von Wien lebt, eine ehrliche Liebe für das Zeitunglesen: „Ich bin Spätaufsteher, um neun, halb zehn gehe ich zum Postkasten und lese dann vor, bei und nach dem Frühstück in der Zeitung. Was mir übrig bleibt, reiße ich mir heraus und hebe ich mir auf oder lese ich am Abend.“ Er habe, wenn er in der Früh aufstehe, „ein geradezu drängendes Bedürfnis, zum Postkasten zu gehen und die Zeitung zu holen“. Manchmal liest er schon im Stiegenhaus. „Das ist eine Manie.“ Er staune immer wieder, wie wenige „sogenannte Gebildete oder Akademiker“ in seinem Umfeld heute noch Zeitung lesen.

Franz Oswald schreibt auch regelmäßig Leserbriefe, z. B. kürzlich zum Ausgang der SPÖ-Mitgliederbefragung oder zur Kronzeugenregelung für Susanne Beinschab. „Da hätte ich mir gewünscht, dass ,Die Presse‘ schärfer kommentiert.“ Dann ärgert er sich manchmal, wenn nicht jeder Leserbrief ins Blatt findet. Er schätzt vor allem die vielen guten Kommentatoren, von Chefredakteur Florian Asamer abwärts. „Mit Anneliese Rohrer bin ich nicht oft einer Meinung, sie habe ich schon öfter kritisiert, aber mit ihr kann man sich wunderbar austauschen.“

Debatte: „Eine geglückte Mischung“

Besonders gern liest er die Debattenseiten am Ende der Zeitung, „die Kommentatoren sind ganz groß. Das ist das Beste, was ich im Medienwesen auf diesem Gebiet kenne. Es ist eine geglückte Mischung und ausgewogen. Diesen Teil würde ich sogar noch ausbauen.“

Franz Oswald hat zwar ein Smartphone und einen Laptop, die Zeitung liest er trotzdem ausschließlich auf Papier. Unlängst war das Jahresabo wieder einmal zu verlängern, da habe er sich kurz gedacht: „Wenig kostet es nicht.“ Aber er sagt sich wie sein Vater vor 71 Jahren: „Den Spaß leiste ich mir.“

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

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