Lutz Bachmann, schillernder Chefideologe der Wutbürger-Bewegung in Dresden, bezahlte einen üblen Scherz mit Rücktritt.
Wien/Dresden. Mit Hitler-Posen, und seien sie auch ironisch gemeint, treibt man in Deutschland keinen Scherz. Lutz Bachmann, schillernder Initiator und Kopf der Pegida-Bewegung, machte diese Erfahrung, nachdem die „Dresdner Morgenpost“ dessen Foto in „Führer“–Manier mit Seitenscheitel und Schnauzer in einem Facebook-Eintrag aufgestöbert hatte, das dann via „Bild“-Zeitung um die Welt ging. Binnen Stunden baute sich intern wie extern der Druck gegen den 41-Jährigen auf, und ihm blieb schließlich nichts anderes übrig, als am Mittwochabend kleinlaut seinen Rücktritt verlautbaren zu lassen.
Er habe das Foto beim Friseur aufgenommen, als Kommentar zur Audio-Version des Satire-Buchs „Er ist wieder da“, ließ Lutz Bachmann mitteilen. „Man muss sich auch mal selbst auf die Schippe nehmen.“ René Jahn, einer seiner Stellvertreter des Vereins „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands“, fand die Aktion weniger amüsant: Er forderte prompt den Rückzug des Pegida-Chefideologen. Frauke Petry, die Co-Sprecherin der offen mit der Pegida sympathisierenden Partei „Alternative für Deutschland“, nahm Bachmanns Rücktritt in einer Pressemitteilung sogar vorweg: „Politische Glaubwürdigkeit ist ohne persönliche Glaubwürdigkeit unmöglich.“
„Ein Idiot oder ein Nazi“
Für das breite Spektrum der Pegida-Gegner in Deutschland ist der Eklat um Bachmann Wasser auf deren Mühlen. SPD-Chef Sigmar Gabriel ätzte: „Wer sich in der Politik wie Hitler maskiert, ist entweder ein ziemlicher Idiot oder ein Nazi. Jeder sollte sich überlegen, ob er solchen Rattenfängern hinterherläuft.“ Kanzlerin Angela Merkel hatte in ihrer Neujahrsansprache einen ähnlichen Ton angeschlagen.
Lutz Bachmann machte sich indessen in mehrerlei Hinsicht angreifbar. Auf seiner Facebook-Seite hatte er in rassistischem und ausländerfeindlichem Tenor gegen „Dreckspack“, Viehzeug“ und „Gelumpe“ geschimpft, woraufhin die Dresdner Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung einleitete.
Zugleich zogen am Mittwochabend in Leipzig zehntausende Menschen auf die Straße, Pegida-Anhänger wie Gegendemonstranten. Nach einer Todesdrohung aus islamistischen Kreisen gegen Bachmann hatte die Polizei alle Montagsdemos vorsichtshalber untersagt. In einer Pressekonferenz stellten sich daraufhin Bachmann und seine Co-Sprecherin Kathrin Oertel der so genannten „Lügenpresse“, wie Pegida die Medien gerne pauschal verhöhnt. Bachmann steht seither unter Polizeischutz. Er rief die Pegida-Sympathisanten dazu auf, am Mittwoch nach Leipzig auszuweichen und am Montag wieder nach Dresden zu kommen.
Zuletzt 25.000 Menschen
Bachmann, ein scharfer Rhetoriker mit Parka und Siebentagesbart, schwang sich im Herbst zum Rädelsführer der Wutbürger auf. Dem Sohn eines Fleischermeisters, ein gelernter Koch und Chef einer kleinen Fotoagentur, waren im Spätsommer die deutschen Waffenlieferungen für die Kurden im Kampf gegen die Jihadisten-Milizen des IS sauer aufgestoßen. Nach einem Internet-Posting Bachmanns versammelten sich ein paar Dutzend Mitstreiter zum ersten „Abendspaziergang“ in der Dresdner Innenstadt. Nach und nach schwoll die Zahl der Anhänger auf zuletzt 25.000 Menschen an – und manchem Aktivisten wurde der Erfolg selbst ein wenig unheimlich, während andere sich in einen Rausch hineinsteigerten. Die vermeintlich „schweigende Mehrheit“ hatte ein Sprachrohr gefunden. Jenseits von Sachsen fasste die populistische Bewegung bisher kaum Fuß, in vielen Großstädten provozierte sie Gegendemonstrationen.
Die kriminelle Vergangenheit Bachmanns, seine Einbrüche, seine Nähe zum Rotlicht-Milieu, seine Drogendelikte, seine dreieinhalbjährige Haftstrafe, seine Flucht nach Südafrika, wischten seine Anhänger gerne beiseite. Lieber ergötzten sie sich an seiner Polemik. Ohne ihren „Führer“ wird die Bewegung womöglich nun an Dynamik verlieren.