Van der Bellens Sieg bei der Bundespräsidentenwahl habe in Europa einen "Seufzer der Erleichterung" ausgelöst, kommentieren internationale Medien. Allerdings: Zu viel Euphorie sollte nicht aufkommen.
Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten ist ein kleiner Lichtblick für die EU. Nach dem Austritts-Votum der Briten und dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl hätten viele geglaubt, der Rechtspopulismus sei „unaufhaltbar", sagte der EU-Experte Stefan Lehne am Montag. „Es hat so eine Art Dominotheorie gegeben, und gestern ist dann eben so ein Dominostein stehen geblieben." Hoffnung könnte die EU auch nach Einschätzung Lehnes daraus schöpfen, dass die Mehrheit der Van der Bellen-Unterstützer ihn für seinen pro-europäischen Kurs gewählt hat. „Und das ist natürlich für die Europäische Union in Zeiten wie diesen ein extrem positives und ermutigendes Signal", konstatierte der frühere hochrangige österreichische Diplomat.
Ähnlich positiv wird der Wahlausgang von ausländischen Medien interpretiert: „Die Niederlage des österreichischen Rechtsaußen-Kandidaten bei der Präsidentenwahl ist ein unerwarteter Schub für die EU“, kommentierte die „Washington Post“. Der britische „Guardian“ gab an, dass ein „Seufzer der Erleichterung“ in „ganz Europa zu hören“ gewesen sei. In das gleiche Horn stieß die „New York Times“: Die Ablehnung Norbert Hofers – wobei anzumerken ist, dass der 45-Jährige laut dem vorläufigen Endergebnis ohne Wahlkarten gegenüber Van der Bellen nicht „abstürzte“, sondern immerhin 48,32 Prozent erreichte – habe „auf einem Kontinent, wo extremistische Politik traditionell zur Katastrophe führt, die Grenzen des Rückenwinds des designierten Präsidenten Donald J. Trump gezeigt“. Dazu zitierte das Blatt auch den renommierten österreichischen Diplomaten Wolfgang Petritsch mit den Worten „es ist unglaublich“ - und er fügte, in leicht ironischem Ton, hinzu: „Österreich rettet die Welt“.
Ebenfalls keinen Grund zur ungebremsten Euphorie ortete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Ihrer Ansicht nach, ist mit dem Wahlausgang ein anderer Impuls verbunden: „Doch möglicherweise führt genau dieser Sieg dazu, dass die Tage der großen Koalition in Wien gezählt sind“, schrieb Christian Geinitz. Denn jetzt, wo die FPÖ abermals keine bundesweite Verantwortung erhalten habe, „wird sie die rot-schwarze Regierung mit immer größerem Schwung vor sich hertreiben“. Auch jene, die mit einem Kreuzerl bei Hofer das „verhasste System“ abwählen wollten – die Kandidaten von SPÖ und ÖVP waren ja bereits im ersten Wahlgang „hochkantig ausgeschieden“ –, könnten sich bestärkt fühlen „jetzt erst recht die FPÖ zu wählen“ – die nächste Nationalratswahl ist in Sicht.
„Italienische Problematik ist eine viel schwerwiegendere“
Der zweite Adventsonntag bescherte aber nicht nur Österreich ein ungewohnt eindeutiges Wahlergebnis (schon mit der ersten Hochrechnung war klar, dass Van der Bellen der Sieg nicht mehr zu nehmen sein wird). Wenige Stunden, nachdem Hofer seine Niederlage eingestanden und eine neuerliche Kandidatur im Jahr 2022 angekündigt hatte, verkündete der italienische Regierungschef Matteo Renzi aufgrund eines klaren „Neins" beim Referendum über eine Verfassungsreform seinen Rücktritt – und löste die gerade erst aufgekommene Erleichterung in Brüssel durch neue Furcht vor Instabilität ab: „Die italienische Problematik ist eine viel schwerwiegendere", betonte auch Lehne.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ am Montag über einen Sprecher mitteilen, dass er Van der Bellen "so schnell wie möglich treffen" wolle. Die EU sei ein zentrales Thema im österreichischen Wahlkampf gewesen. Und die Österreicher hätten am Sonntag ihre Haltung zur EU "klar zum Ausdruck gebracht", sagte der Sprecher. EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn (nicht im Bild) wertete den Wahlsieg Van der Bellens am Rande eines Besuchs in Belgrad als "starkes Signal" dafür, dass sich Populismus nicht lohne. (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)
Der politisch eher auf der Linie Hofers liegende ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán übersandte Van der Bellen ebenfalls ein Glückwunschschreiben. Er freue sich "sehr auf die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren, um zur Entwicklung der Region Mitteleuropa beizutragen und die Herausforderungen zu lösen, vor denen die Europäische Union steht", schrieb der rechtskonservative Politiker. (c) APA/AFP/FERENC ISZA (FERENC ISZA)
Israels Präsident Reuven Rivlin sagte in Jerusalem gegenüber der Internet-Zeitung "die jüdische" zum Sieg Alexander Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl: "Ich bin froh, dass der Kandidat des aufgeklärten Österreich gewonnen hat. Wir müssen jederzeit gegen Faschismus aufstehen und diesen bekämpfen: egal in welcher Form und egal wo auch immer er auftritt." APA/AFP/PRAKASH SINGH
Der slowakische Staatschef Andrej Kiska hat seinem neuen österreichischen Kollegen Alexander Van der Bellen zum Wahlsieg gratuliert und die Hoffnung auf ein baldiges Treffen geäußert. "Ich habe ihm schon im Mai freudig telefonisch zu seinem Sieg gratuliert, und bin sehr glücklich, dass meine Gratulation weiter gilt", teilte Kiska am späten Sonntagabend auf Facebook mit. REUTERS
Auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat Alexander Van der Bellen zum Wahlsieg gratuliert. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schrieb Rajoy: "Meine Glückwünsche an Van der Bellen und an das österreichische Volk dafür, dass es auf Mäßigung und ein vereintes Europa setzt." APA/AFP/JOSE JORDAN
Der tschechische Präsident Milos Zeman will die österreichische Wahl erst nach Veröffentlichung des offiziellen Endergebnisses kommentieren. Zeman hatte den unterlegenen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer offen im Wahlkampf unterstützt und in einem umstrittenen Schritt auch auf der Prager Burg empfangen. "Ich mag die Grünen nicht", hatte Zeman damals in Hinblick auf Van der Bellen gesagt. Der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka hingegen gratulierte Van der Bellen "herzlich und mit großer persönlicher Freude" zum Wahlsieg. "Ich freue mich auf gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit". APA/AFP/MICHAL CIZEK
Frauke Petry, Chefin der rechtsradikalen AfD (Alternative für Deutschland) hat das Scheitern FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl bedauert. "Natürlich hätten wir sehr gern einem österreichischem Bundespräsidenten Norbert Hofer gratuliert". Allerdings werde sich die Bewegung gegen die sogenannte etablierte Politik fortsetzen und weiter an Stärke gewinnen. " REUTERS
Die Grünen in Deutschland freuten sich ebenfalls über Van der Bellens Wahlsieg, zeigten sich aber auch nachdenklich. Die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter gaben zu bedenken: "Auch viele Menschen in Österreich haben ihre Stimme einem Rechtspopulisten gegeben. Die Versuchung des Rechtspopulismus ist aber kein österreichisches Problem, sondern eine Bedrohung aller europäischen Staaten. Wir müssen sie ernst nehmen." REUTERS
Thomas Oppermann, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag, sieht im Ausgang der Bundespräsidentenwahl hingegen keine Entwarnung für Europa. "Österreich hat der neo-nationalistischen Karawane in Europa ein Stoppschild gezeigt". Die Freude darüber dürfe nun aber nicht zur Beruhigungspille werden. "Ich warne davor, sich jetzt selbstzufrieden zurückzulehnen." APA/dpa/Gregor Fischer
Erfreut über den Sieg Van der Bellens zeigte sich auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. "Das Ergebnis in Österreich ist immerhin eine Erleichterung", sagte Schäuble am Rande eines Treffens der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel. "Obwohl man sich natürlich nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass ja der Kandidat der Rechtspopulisten doch ein beachtliches Maß an Stimmen bekommen hat und die österreichische Gesellschaft sehr gespalten ist." REUTERS/Francois Lenoir
Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten sollte aus Sicht des deutschen Europaparlamentariers Elmar Brok (CDU) international Mut machen. "Für mich ist das ein Zeichen, dass sich ein offensives Nachvornegehen für Europa auszahlt. Es zeigt sich, dass wir Pro-Europäer weniger schüchtern sein sollten." EPA
Ulrike Lunacek, österreichische Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments und grüne Europa-Abgeordnete, freute sich über den Sieg ihres früheren Parteichefs: "Der klare Sieg von Van der Bellen gibt Hoffnung für die gesamte Europäische Union. Er hat gezeigt, dass es andere, bessere Alternativen zu den etablierten Parteien als den Rechtspopulismus gibt." APA/HELMUT FOHRINGER
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sorgt sich angesichts der Polarisierung bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich wegen der politischen Spaltung des Nachbarlandes. "Unter den gegebenen Umständen ist die Wahl in Österreich eine gute Entscheidung der österreichischen Bevölkerung", sagte der CSU-Vorsitzende am Montag in München. "Allerdings darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Regierungsparteien an dieser Wahl überhaupt nicht mehr beteiligt waren, weil sie ausgeschieden sind. Und zweitens, dass Österreich tief gespalten ist", sagte der CSU-Politiker. REUTERS/Michaela Rehle
Internationale Reaktionen: "Österreich setzte auf Mäßigung"
Allerdings dürfe auch hier nicht auf ein „einfaches Aufeinanderprallen zwischen der politischen Mitte und den Populisten reduziert werden“. So hätte es neben der rechtspopulistischen Lega Nord und der Protestbewegung „Fünf Sterne" auch scharfe Kritik am Inhalt der Reformbemühungen seitens pro-europäischer Politiker sowie aus den eigenen Reihen Renzis gegeben, hielt der Österreicher, der am Institut Carnegie Europe forscht, fest.
Ein Schwarz-Weiß-Denken dürfe aber nicht einsetzen, warnte Lehne. „So einfach geht es nicht, dass man jetzt sagt, überall steigen die Populisten auf und die Mainstream-Politiker und pro-europäischen Kräfte sind im Rückzug.“ Im kommenden Jahr stünden der EU mit der Parlamentswahl in den Niederlanden und der Präsidentschaftswahl in Frankreich die größten Belastungsproben bevor. Ein Sieg von Marine Le Pen, der Chefin des rechtspopulistischen Front National, könnte nach Lehnes Ansicht „wirklich das Todesurteil für die EU darstellen. Ohne Großbritannien kann die EU überleben, ohne Frankreich nicht.“ Ähnliches hatte am Samstag der frühere britische Premierminister David Cameron ins Treffen geführt: Sollte die Rechtspopulistin den Wahlsieg davontragen, wäre das „eindeutig ein sehr schwerer Schlag für das europäische Projekt“, sagte er in Neu-Delhi.
Angela Merkel sollte „vorsichtig sein“
Der Politikforscher Oskar Niedermayer stellte die eingangs zitierte Dominofrage unterdessen mit Blick auf Deutschland – und wertet Hofers zweiten Platz nicht als Indiz für einen Endpunkt. Im Gegenteil. Ähnlich wie die „FAZ“ sieht er einen Trend zum „jetzt erst recht“ - allerdings in der deutschen Bundesrepublik: Das Ergebnis der Hofburg-Wahl belege eine Spaltung der Gesellschaft, wie es sie auch in Deutschland gebe, meinte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Hofer hat vor allem in ländlichen Gebieten, unter Männern, in den mittleren Altersgruppen und bei Menschen mit niedrigem bis mittlerem Bildungsstand gepunktet. Da gibt es durchaus Parallelen zur AfD", sagte Niedermayer. Für die Union und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bedeuteten die Abstimmungen in Österreich und in Italien aber ein Warnsignal: „Merkel sollte vorsichtig sein und jetzt nicht plötzlich europakritische Töne anschlagen.“
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