Harald Mahrer (ÖVP) wird der neue Präsident der Wirtschaftskammer. Die Sozialpartner stellt er nur bei Reformunfähigkeit infrage. Den Kammerzwang gar nicht.
Wien. Christoph Leitl war sichtlich gelöst, als er Donnerstagmittag endlich seine Nachfolgeregelung verkünden durfte: Im zweiten Anlauf wurde der bisherige Wirtschaftsminister Harald Mahrer von den Landesobmännern des ÖVP–Wirtschaftsbundes einstimmig zum neuen Obmann gewählt (in der ersten Abstimmung erhielt er sechs von neun Stimmen). Damit wird der 44jährige Rundum-Liberale und Kurz-Vertraute künftig nicht nur den wichtigen Wirtschaftsflügel der Volkspartei leiten, sondern Leitl wohl irgendwann 2018 auch an der Spitze der Wirtschaftskammer ablösen.
„Klar für die Pflichtmitgliedschaft“
„Wir kommen aus einer Zeit des Stillstands und der kleinsten Kompromisse“, sagte Harald Mahrer. Damit solle künftig Schluss sein. Den Unternehmen versprach er mehr Freiheit und weniger Belastungen.
Die Personalentscheidung ist besonders interessant, da sowohl die jahrelange Praxis der Sozialpartnerschaft als auch die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern im Wahlkampf und in den Koalitionsgesprächen unter Beschuss gekommen sind. Die 506.000 Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer bezahlen nämlich nicht aus freien Stücken rund eine halbe Milliarde Euro an Beiträgen jedes Jahr, sondern weil es das Gesetz so will. Bei anderen Kammern, etwa bei der Arbeiterkammer, ist es ähnlich. Die Freiheitlichen drängen daher auf eine Volksabstimmung über den gesetzlichen Kammerzwang. Und auch in der Volkspartei sind Sozialpartner und Kammern zumindest für den Kurz-Flügel nicht länger sakrosankt.
Alle 14 Kammern im Land müssten sich gefallen lassen, dass man hinterfrage, wie sie sich weiterentwickeln können, betonte auch Mahrer. An ein mögliches Ende der Pflichtmitgliedschaft wollte er deshalb aber nicht denken: „Da wird viel Schindluder mit Polemik getrieben“. Vorstellbar sei bestenfalls eine Befragung der Mitgliedsbetriebe über die Zufriedenheit mit der Kammer. Einer Volksabstimmung über den Kammerzwang stehe er „sehr, sehr skeptisch gegenüber“.
"Ich komme aus der Wirtschaft", dürfte bei Medienterminen einer der häufigsten (Neben-)Sätze des 44-jährigen ÖVP-Wirtschafsministers Harald Mahrer sein, der in Wien und im Oberkärntner Spittal lebt. Früher war Mahrer unter anderem als Unternehmensberater und im PR-Geschäft tätig. APA/GEORG HOCHMUTH
Seine politische Karriere startete schon während des Studiums bei der Aktionsgemeinschaft (AG), von 1995 bis 1997 war er ÖH-Chef an der WU Wien.Im Jahr 2011 wurde er Präsident der Julius-Raab-Stiftung, die er vier Jahre lang leitete. Mit dem Rücktritt Michael Spindeleggers im August 2014 wurde Mahrer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter Reinhold Mitterlehner. Im Bild: Bei der Angelobung durch Bundespräsident Heinz Fischer (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Nachdem ÖVP-Chef Mitterlehner im Frühjahr dieses Jahres zurückgetreten ist und ihm Sebastian Kurz nachfolgte, übernahm der damalige Staatssekretär Mahrer das Amt des Wirtschaftsministers. Das Staatssekretariat wurde eingespart. Im Bild: Mit Kurz im Volksgarten (2016) (c) imago/Viennareport
Als Eigen-PR beherrscht es Mahrer als Politiker, ein jugendliches Image zu pflegen. Er darf nicht nur als wirtschaftsliberal eingeschätzt werden, sondern auch als gesellschaftsliberal - vor allem für eine konservative Partei. Im Bild: Startschuss für das Projekt Unternehmerin macht Schule. BMWFW/Christian Lendl
Kritiker werfen ihm das Produzieren allzu vieler "Luftblasen" vor. Wohlgesonnene hingegen sprechen von einem ehrgeizigen Politiker und Strategen, der sich nicht zu schade ist, auch einmal selbst Hand anzulegen und Strategiepapiere zu schreiben Marek Knopp
Ein politisches Fallbeispiel, das Mahrers Intentionen gut beschreibt, ist ein Förderprogramm namens "Global Incubator Network" (GIN). Es ist mit vier Millionen Euro dotiert und soll Start-ups nach Österreich locken. "Es geht um Innovation mit Fokus auf Start-ups und Spin-offs", sagte Mahrer, als er das Programm in Hongkong vor Investoren vorstellte und von Österreich als "the place to be" ("Platz, an dem man sein sollte") sprach. im Bild: Mit WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz APA/BARBARA GINDL
"No sleep till Gründerland No.1", ließ Mahrer im Rahmen dieser Hongkong-Reise vor eineinhalb Jahre auf T-Shirts drucken. Wohl, um sein Ziel von einem Österreich als Topnation für Unternehmensgründungen zu verdeutlichen. Er steht für den jungen Teil der ÖVP, der auf Modernität und Selbstverantwortung pocht ... APA/ROBERT JAEGER
... Dabei kritisierte er immer wieder die SPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Das Arbeitsrecht stamme aus den 1960er/70er-Jahren und müsse erneuert werden. "Erwerbsfreiheit ist ein Menschenrecht", sagte er im Sinne von mehr Freiheiten für Einpersonenunternehmen (EPU). BPD/Dunker
In der ÖVP war Mahrer auch als "Spiegel" der jeweiligen Bildungsministerin tätig. Ihm eilt dabei der Ruf voraus, pragmatisch und offen an das Bildungsthema heranzugehen. Die sonst mit der SPÖ vorprogrammierten Grabenkämpfe ließ er weitgehend aus. Mit Gabriele Heinisch-Hosek vereinbarte er die Grundzüge der allerdings nach wie vor nur erst rudimentär umgesetzten Bildungsreform - inklusive High-Five für die "fast geile" Bildungsreform nach Verhandlungsende. Mit Sonja Hammerschmid (im Bild) zurrte er zuletzt das Schulautonomie-Paket fest, dessen Verabschiedung trotz bevorstehender Einigung mit der Lehrergewerkschaft allerdings noch in den Sternen steht. APA/HELMUT FOHRINGER
Mahrer ist laut Firmencompass derzeit Alleingesellschafter bei der HM Tauern Holding Beteiligungsgesellschaft m. b. H. mit Sitz in Spittal. Geschäftsführerin ist Mahrers Gattin. Mahrers Ehefrau Andrea Samonigg-Mahrer (im Bild) ist zudem nicht nur Chefin des allgemeinen öffentlichen Krankenhauses in Spittal, sie ist auch Vereinspräsidentin der Komödienspiele Porcia in der Oberkärntner Bezirksstadt. Gerne schaut sich ihr Mann dort auch das eine oder andere Stück an. APA/FRANZ NEUMAYR
Privat geht Mahrer, geboren am 27. März 1973 in Wien, auf die Jagd und schwimmt gerne - unter anderem im Millstätter See bei Spittal. Dort soll er manchmal auch privat auf Noch-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) treffen. Die beiden können angeblich ganz gut miteinander. Auch Kern zieht es öfters an diesen See, wo er ein Haus besitzt. Im Bild: Bei der Weltpremiere von Mission Impossible Rogue Nation. imago/SKATA
"Ich komme aus der Wirtschaft": Harald Mahrer im Portrait
Er sei ein „klarer Befürworter der Pflichtmitgliedschaft“, so der PR-Fachmann. Sie sei im Grunde eine liberale, bürgerliche Idee. Mit dem ersten Handelskammergesetz 1848 hatten die Unternehmen erstmals die Möglichkeit zur Selbstverwaltung und konnten sich so „von der Kontrolle des Staates befreien“. Die Pflichtmitgliedschaft sei notwendig, um zu verhindern, dass der Staat die betroffenen Gruppen auseinanderdividiere.
Christoph Leitls Kalkül geht auf
Angriffiger zeigte sich der designierte Wirtschaftsbund-Obmann beim Thema Sozialpartnerschaft, dem Lebensthema seines Vorgängers Christoph Leitl. Mahrer bekannte zwar, dass die „Partnerschaft auf Augenhöhe“ viel Gutes geleistet habe – allerdings nur, solange beide Seiten das Wohl der Republik als gemeinsames Ziel hatten. Das sei in letzter Zeit „mit Sicherheit abhanden gekommen“. Mahrer hofft, die Sozialpartner in eine Standort- und Zukunftspartnerschaft umzubauen, die „weit über die Partikularinteressen hinaus“ denke. Gelingt das nicht, ist die Institution „sicher infrage zu stellen“.
Christoph Leitls Kalkül dürfte dennoch aufgehen. „Gerade in dieser Zeit ist es entscheidend, jemanden an der Spitze zu haben, der entsprechend politisch vernetzt ist“, betonte Leitl. Wer wäre besser geeignet, um die Querschüsse von der Regierungsbank gegen die Kammer zu parieren, als ein Mann, der eben noch dort saß?
Der amtierende Wirtschaftsminister Mahrer wurde vom ÖVP-Wirtschaftsbund zum Nachfolger von Christoph Leitl gekürt. Damit wird er Leitl auch in der Wirtschaftskammer nachfolgen.
Wirtschaftsminister Harald Mahrer soll am 18. Dezember zum Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes gewählt werden. Doch nicht alle sind mit seiner Nominierung glücklich.
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