Peter Pilz wird nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung nicht ins Hohe Haus einziehen. Seine Mitstreiter beraten über ihre Zukunft, der Klub stärkt dem 63-Jährigen den Rücken. Offen ist, wer die Partei künftig anführen soll.
Die Mitstreiter des Ex-Grünen und Listengründers Peter Pilz sind am Samstag zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Grund dafür sind die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihren Parteichef sowie die Frage, wie es mit der Liste nun weitergehen soll. Während die künftigen Abgeordneten beraten, stellte sich der Klub via Aussendung hinter den 63-Jährigen. Man sei "an einer möglichst intensiven Kooperation mit Peter Pilz interessiert", wurde mitgeteilt. Und: Man werde "die politische Urheberschaft der Angriffe auf Peter Pilz" aufdecken.
Vor der Sitzung betonte der frühere Grüne Wolfgang Zinggl: "Eines ist klar: Es geht weiter mit voller Kraft." Natürlich sei es "nicht schön", dass Pilz nun aufgrund der Beschuldigungen aufhören habe müssen - ungeachtet dessen werde man nun aber die Wahlversprechen versuchen umzusetzen. Klar sei auch, dass anstelle von Pilz Martha Bißmann als Abgeordnete über die steirische Landesliste nachrücken wird. Sie war 2016 als Kampagnenmanagerin bei Irmgard Griss tätig, die jetzt für die Neos im Hohen Haus Platz nimmt.
Wer den Klub anführen wird, sei hingegen ebenso offen wie der neue Name der Partei, meinte Zinggl. Auch, ob Pilz den Parteivorsitz weiter ausüben will, wissenman zum jetzigen Zeitpunkt nicht: "Es ist eine Entscheidung von ihm, wie und ob er uns unterstützt", sagte Zinggl.
Nun wird Peter Pilz doch nicht im Nationalrat sitzen. Das einstige grüne Urgestein hat es zwar bei der Nationalratwahl am 15. Oktober 2017 auf eigene Faust versucht und ist mit einer eigenen Liste angetreten. Auch gelang der Einzug in den Nationalrat. Wegen der Vorwürfe sexueller Belästigung wird er aber sein Mandat nicht annehmen. APA/HANS KLAUS TECHT
Was passierte, wird hoffentlich geklärt werden. Der 63-jährige Steirer gilt nicht nur in Hinblick auf seinen Anspruch auf eine Politikerpension als Dinosaurier. Seit dem ersten Einzug der Grünen in den Nationalrat 1986 (ÖVP-Chef Sebastian Kurz war damals gerade erst geboren) war Pilz als Abgeordneter mit dabei - unterbrochen nur durch einen mehrjährigen Abstecher in den Wiener Gemeinderat. Von 1992 bis 1994 war er sogar Bundessprecher der Partei, die sich damals noch "Grüne Alternative" nannte. APA/GEORG HOCHMUTH
Anlass für seinen Abgang von den Grünen war der Bundeskongress im Juni 2017. Dort ist er in der Abstimmung um den vierten Listenplatz dem Jugend-Kandidaten Julian Schmidt unterlegen. Er lehnte es ab, für einen Listenplatz weiter hinten zu kandidieren, auch einen von der Parteiführung angebotenen Vorzugsstimmenwahlkampf schlug er aus. Stattdessen verkündete er seine Trennung von der Partei, die er mitbegründet hat. Lediglich den Eurofighter-Untersuchungsausschuss brachte Pilz, der sich selbst gerne als Aufdecker der Nation darstellte, für die Grünen noch zu Ende, bevor er aus dem Parlamentsklub auszog. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Für Pilz, der schon seit längerem einen Kurswechsel der Grünen verlangt und immer wieder quer geschossen hatte, waren seine Nominierungen bei den Bundeskongressen schon in früheren Jahren Zitterpartien. Vor der letzten Nationalratswahl 2013 landete er zwar knapp auf der Liste, musste sich aber aus dem Parteivorstand zurückziehen. APA/ROLAND SCHLAGER
Mit der früheren Parteichefin Eva Glawischnig verband ihn eine "innige Feindschaft": Sie zeigte sich von seinen Alleingängen, aber auch seinem Machismo genervt - und seiner Meinung, die Grünen müssten einen kantigen, linkspopulistischen Kurs fahren, um zu wachsen und die FPÖ herausfordern zu können. (c) APA (Herbert P. Oczeret)
Pilz' Verdienste sind dennoch unbestritten. Der vor allem von den Wiener Boulevardmedien geliebte Steirer agiert seit Jahren als Aufdecker im Kampf gegen Korruption und verfügt über beste Kontakte zu Polizei, Heer und Geheimdiensten. Immer wieder stand er sich damit aber auch selbst im Weg: durch seinen Hang zur Inszenierung und zur schnellen Pointe, seinem oft aufgesetzt wirkenden Verschwörerton und mit der inquisitorischen Tendenz, als Kläger und Richter gleichzeitig aufzutreten. (a) APA
Seine bisher größte Rolle spielte der langjährige Bewohner einer Gemeindebauwohnung in Wien-Kaisermühlen als Vorsitzender des ersten Eurofighter-Ausschusses 2007. Dass er zehn Jahre später die Chance für einen zweiten nutzte und dafür auch ohne große Skrupel die FPÖ ins Boot holte, galt als weiterer Höhepunkt seiner Karriere, wurde aber auch schon als Versuch gewertet, noch einmal sein Nationalratsmandat zu retten. Erste öffentliche Sporen als Aufdecker hatte er sich in den Affären "Noricum" und "Lucona" verdient. (Bild: Gabriela Moser und Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz vor einer Sitzung des Eurofighter-U-Ausschusses) APA/GEORG HOCHMUTH
Ein weiterer Verdienst Pilz' ist die Entdeckung Alexander Van der Bellens für die Politik. Dieser war Betreuer seiner Dissertation ("Ökonomische Bedeutung der Einführung neuer Medien in Österreich", 1983). Pilz brachte ihn zu den Grünen. Politische Anfänge hatte der Hobbymusiker - es gab legendäre Vorweihnachtsauftritte als "Nick O'Low" - bei den Trotzkisten an der Universität, aber auch den Sozialdemokraten. Ein gewisser Michael Häupl schloss ihn damals aus dem Verband der sozialistischen Studenten aus. APA
Zur Person: Peter Pilz wurde am 22. Jänner 1954 in Kapfenberg (Steiermark) geboren. Er ging in Bruck an der Mur ins Gymnasium, war Zivildiener und studierte an der Uni Wien Volkswirtschaft. 1986 zog er mit den ersten Grünen in den Nationalrat ein. Peter Pilz ist verheiratet. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Peter Pilz: Grüner Einzelkämpfer (doch) nicht im Hohen Haus
"Wir müssen uns völlig neu organisieren", meinte auch Konsumentenschützer und Neo-Mandatar Peter Kolba. Die frühere SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger ließ indes vor der Krisensitzung wissen, dass sie ihr Mandat angenommen habe und sich schon auf eine "gute Zusammenarbeit mit hervorragenden KollegInnen" im Nationalrat freue. Auch Kolba will sein Mandat auf jeden Fall annehmen. Er denke nicht, dass es die Wähler schätzen würden, wenn nun die gesamte "Bewegung" aufgebe, erklärte er.
"Ich werde am Donnerstag bei der Angelobung nicht dabei sein." Peter Pilz nimmt nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung sein Nationalratsmandat nicht an. APA/HERBERT NEUBAUER
"Im Kern handelt es sich um einen Arbeitskonflikt." Im Zusammenhang mit den Vorwürfen der verbalen und körperlichen sexuellen Belästigung seiner früheren Mitarbeiterin sieht sich Pilz als Opfer. APA/HERBERT NEUBAUER
"In meinem Vokabular kommt das - an und für sich für mich nicht ungeheuerliche - Wort 'Schatzi' nicht vor. (...) Dieser Satz ist eine freie Erfindung." Pilz will auch rechtliche Schritte gegen die Anschuldigungen ergreifen. APA/HERBERT NEUBAUER
"Fallen mit den Mandaten und mit den Jobs auch die Hemmungen weg? Heißt's jetzt Rache für das, was nicht ich, sondern Wählerinnen und Wähler entschieden haben?" Pilz vermutet die Quelle für die Veröffentlichung der Vorwürfe bei seiner alten Partei, den Grünen. APA/HERBERT NEUBAUER
"Persönliche Erinnerungslosigkeit ist keine Entschuldigung." An eine angebliche körperliche Belästigung beim Forum Alpbach kann sich Pilz laut eigenen Angaben nicht erinnern. APA/HERBERT NEUBAUER
"Die strengen Maßstäbe gelten auch für mich." Dennoch nennt er den entsprechenden "Falter"-Bericht als Grund für seinen Rückzug. APA/HERBERT NEUBAUER
"Wir älteren und in meinem Fall noch - gerade noch - mächtigen Männer müssen bereit sein, auch etwas dazuzulernen." Zum Schluss noch ein Tipp für seine "Geschlechtsgenossen". APA/HERBERT NEUBAUER
''Schatzi ist frei erfunden'': Pilz' Rückzug in Zitaten
Von den am Samstag aufgetauchten Anschuldigungen im "Falter", wonach Pilz eine junge Frau im Jahr 2013 beim Europäischen Forum Alpbach begrapscht haben soll, sei er aber "genauso überrascht wie alle anderen", so Kolba weiter. Als Grund dafür, dass die Vorwürfe jetzt an die Öffentlichkeit kamen, vermutet er "Groll" innerhalb der Grünen, die aus dem Parlament geflogen sind - Vorwürfe, die deren Ex-Chefin, Eva Glawischnig, allerdings vehement bestreitet.
Dass Pilz den Klub von außen weiterhin beraten will, ist für Kolba in Ordnung: Selbst wenn der Vorwurf im "Falter" stimmen sollte, wäre Pilz' Ausschluss von jeglicher politischer Tätigkeit "schlicht und einfach übertrieben", findet Kolba.
Der Listengründer könnte im Rahmen eines Eurofighter-U-Ausschusses ins Hohe Haus zurückkehren. Derzeit erlebe er viel Rückhalt - und freue sich vor allem über die "vielen Mails von Frauen".
Pilz gab an, noch nie in seinem ganzen Leben eine Frau sexuell belästigt zu haben, vermutet hinter den Vorwürfen eine Intrige. Nun melden sich zwei weitere Betroffene zu Wort.
Was ist juristisch gesehen sexuelle Belästigung? An welche Stellen können sich Opfer wenden, und welche Aufgaben hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die -Kommission? Eine (Begriffs-)Erklärung.
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